Mittelständische IT-Dienstleister am Scheideweg

Kleine Partner für große Anbieter

07.11.2005 von Tanja Wolff
Mittelständische unabhängige Softwareanbieter befinden sich seit Jahren finanziell in einer kritischen Lage. Dabei bieten Vertriebs- und Technologiepartnerschaften mit großen Anbietern für beide Seiten interessante Potenziale. Das hat die Untersuchung "Mittelständische Independent Software Vendors (ISVs) in Deutschland – Pleite oder Perle?" des Marktforschungsinstitut Experton Group herausgefunden.

Aus einer Zusammenarbeit ergeben sich synergetische Effekte, so die Analyse. Dabei kommen sowohl die globalen Ressourcen und Möglichkeiten der "Großen" als auch die fokussierten, eher lokalen Fach- und Branchenkentnisse der "Kleinen" zum Tragen. Das kann für beide Partner signifikante Chancen bieten und auch für die Anwender eine Reihe von positiven Effekten mit sich bringen.

Laut der Untersuchung gibt es in Deutschland rund 10.000 IT-Dienstleister. Zu diesen gehören unter anderem Systemhäuser, unabhängige Software-Häuser, IT-Beratungsunternehmen und Produktanbieter. Die Dienstleister sind meist kleine Firmen (weniger als 40 Mitarbeiter), im Bereich der mittelständischen IT-Dienstleister mit 40 bis 1.000 Mitarbeitern gibt es etwa 2.500 Firmen.

Pluspunkte der "Kleinen"

Die Studie hat herausgefunden, dass sich viele der mittelständischen Unternehmen in einer kritischen Phase befinden. Seit Jahren kämpfen sie ums Überleben und sind von der Insolvenz bedroht. Doch gerade für mittelständische Anwender sind diese Anbieter sehr wichtige Lieferanten. Sie pflegen lokale Kundenkontakte, sind aufgrund ihrer geringen Größe und regionalen Aufstellung entsprechend flexibel und können oft branchenspezifische Software-Lösungen für den Mittelstand anbieten.

Für die großen IT-Anbieter existiert somit ein wertvoller Vertriebskanal, den sie stärker beachten sollten. Zurzeit ist das Channel Management und –Marketing allerdings eher auf "Masse statt Klasse" ausgerichtet. Erfolg versprechend ist aber nicht die Anzahl der Partner, sondern der richtige Partner für die Zielrichtung.

Der Analyse zufolge haben die mittelständischen unabhängigen Software-Anbieter nur drei Zukunftsalternativen:

1. Stillstand
Sie leben weiterhin ohne große Perspektiven von der Hand in den Mund (bei durchschnittlich etwa 120.000 Euro Umsatz pro Mitarbeiter) und riskieren früher oder später vom Markt verdrängt zu werden.

2. Partnerschaften
Sie gehen für beide Seiten gewinnbringende strategische Partnerschaften mit großen IT-Anbietern ein und sichern sich damit eine bessere Positionierung und potenzielle Neukunden.

3. Akquisitionen
Sie entscheiden sich für den Akquisitions-Kurs wie zum Beispiel Torex Retail im Einzelhandel und Tectura im Bereich Chemie/Pharma.

Für mittelständische IT-Dienstleister und die großen Anbieter stellt sich die Frage, welche Unternehmen als Partner in Frage kommen, so die Untersuchung. Eine genaue Eignungsanalyse vor dem Auswahlprozess ist wichtig für eine effiziente Umsetzung der Zusammenarbeit und Erreichung der angestrebten Wachstumsziele.

"Dazu ist es unabdingbar, die Kandidaten nach Unternehmenstyp und Leistungsumfang zu klassifizieren und so bereits in der Anfangsphase die Spreu vom Weizen zu trennen, um die nachfolgenden Prozessschritte effizient zu gestalten", sagt der Vorstandsvorsitzende der Experton Group AG, Andreas Zilch.

Laut den Marktforschern sind unter anderem finanzielle Metriken wie Umsatzvolumen und Gewinnmargen wichtige Parameter bei der Auswahl. Eine große Rolle spielen zudem die abgedeckten Lösungsfelder wie ERP, CRM, BI, der Branchenfokus sowie die adressierten Zielgruppen. Offen gelegt werden sollten auch potenzielle Interessenskonflikte.