Neue ERP-Strategie wegen Asien-Boom

Luxus-Modehaus führt SAP ein

25.03.2011 von Hartmut  Wiehr
Das italienische Mode-Label Salvatore Ferragamo vereinheitlicht IT-Abläufe weltweit mit SAP. Das soll vor allem dem schnell wachsenden Asien-Geschäft nützen.
Gemälde eines Ferragamo-Schuhs. Das italienische Modehaus wurde mit Schuhen berühmt. Der Traditionshersteller setzt in der IT jetzt auf moderne Standard-Software.
Foto: Hartmut Wiehr

Von Sophia Loren bis zu Greta Garbo, Lauren Bacall, Grace Kelly und Angelina Jolie – für die Schönen und Berühmten war und ist es noch heute nichts Besonderes, sich bei dem italienischen Modehaus Salvatore Ferragamo individuell maßgefertigte Schuhe zu besorgen. Der Rest der Sterblichen kann an diesem Glamour partizipieren. Gegen gutes Geld natürlich, denn Ferragamo-Produkte – inzwischen nicht mehr nur Schuhe, sondern alles komplett von den Zehenspitzen bis hinauf zur edlen Kopfbedeckung – haben ihren Preis.

Exklusivität verkauft sich nicht nur im modebewussten Italien sehr gut, sondern auch weltweit. Ferragamo macht heute den Löwenanteil des Geschäftes in den USA und in Asien. Das geschieht hauptsächlich über die eigenen 550 Shops weltweit, während sich das Internet-Geschäft noch in den Kinderschuhen befindet. In Vorbereitung auf einen Börsengang des seit über 80 Jahren in Familienbesitz befindlichen Unternehmens mit Stammsitz in Florenz hat man viele erfahrene Manager und auch IT-Experten an Bord geholt, um die Geschäftsprozesse gründlich zu modernisieren.

Wie CEO Michele Norsa berichtet, bekommt er inzwischen jeden Morgen die aktuellen internationalen Umsätze auf seinen Computer, und darüber hinaus bemüht man sich, das Geschäft durch ERP-Software und Business-Intelligence-Programme abzusichern. Das operative Geschäft war bis vor kurzem durch mehrere Software-Systeme in den einzelnen Regionen gekennzeichnet, eine einheitliche und zentralisierte IT-Organisation befindet sich noch im Aufbau. Auf der kaufmännischen Software-Seite hat SAP den Zuschlag bekommen.

Besserer Einblick in das tägliche Geschäft erwartet

Gerade das schnell wachsende Geschäft im asiatischen Raum - vor allem Japan, China und Singapur mit mehr als 50 Prozent des Umsatzes - konnte laut Norsa nicht länger effektiv unterstützt werden. Mit der SAP-Einführung soll das anders werden: Ferragamo will seine globalen Geschäftsabläufe über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg vereinheitlichen, von der Finanzbuchhaltung bis hin zum Verkauf in den Boutiquen vor Ort. Davon verspreche man sich verbesserte Einblicke in das tägliche operative Geschäft. Insbesondere will man so flexibler auf das Verhalten und die Wünsche der internationalen Kundschaft eingehen. IT soll auch die Konkurrenzfähigkeit im hart umkämpften Modemarkt für Highend-Produkte unterstützen.

Standardisierung in den Geschäfts-, Liefer- und Lagerprozessen soll Engpässe an einzelnen Orten vermeiden und der Zentrale einen permanent aktualisierten Überblick ermöglichen. Wie Stefan Gruler, bei SAP Deutschland für das Retail-Geschäft zuständig, ausführt, sieht der Software-Anbieter inzwischen den Handel als strategisches Business, auf das man sich stärker fokussieren will. Bereits mehr als 4.800 Retailer weltweit würden SAP-Programme einsetzen. Durch die Übernahme von Sybase sei man auch gut vorbereitet auf das boomende Geschäft mit mobilen Einkaufsmöglichkeiten. Gruler verweist auf eine Untersuchung von Goldman Sachs, nach der die Internet- und Mobile-Umsätze in den nächsten fünf Jahren den traditionellen Ladenhandel überrunden würden.

SAP for Retail wird um Funktionen ergänzt

So wird die bestehende IT-Landschaft von Ferragamo mit Lösungen aus dem Branchen-Portfolio SAP for Retail um zentrale Funktionen für die Steuerung von Bestandsführung und -verteilung ergänzt, um neben den einzelnen Läden auch den geplanten Online-Verkauf nachhaltiger zu unterstützen. Mit NetWeaver Process Integration soll die Anbindung bestehender regionaler IT-Landschaften an die zentralen SAP-Instanzen unterstützt werden. So ließe sich ein neu organisierter Prozess- und Datenaustausch zwischen verschiedenen Anwendungen und Standorten herstellen. Angestrebt ist eine unternehmensweite konsistente Datenbasis.

Gruler äußerte sich im Gespräch mit CIO.de Retail-IT zuversichtlich über die Aussichten, sich weiter als Partner für Retailer etablieren zu können. Man hätte bei SAP erkannt, dass gerade hier viel investiert werden müsste. Der Software-Markt, um den es gehe, umfasse ein Volumen von etwa zwei Milliarden Euro. Die Frage, wie hoch der gegenwärtige Anteil von SAP an diesem Kuchen ist, wollte Gruber allerdings nicht beantworten. Letztlich handele es sich um einen strategischen Zukunftsmarkt.

Selbst wenn der Retail-Markt, zum Beispiel beim Verkauf von Büchern oder Musik, rückläufig ist, kann Gruler darin keinen Hinderungsgrund für ein Engagement in dieser Branche sehen. Das seien nur Einzelfälle und insofern nicht aussagekräftig für den gesamten Markt. Gerade der Modebereich zeige ja eine andere Tendenz.

Walter Carmagnini, CIO von Salvatore Ferragamo, spricht gegenüber CIO Retail-IT von vier Regionen, in die bisher das Unternehmen im Bereich der Geschäftsprozesse und der IT unterteilt war. Jede Region verfügte über ihre eigene IT-Infrastruktur und eigene Applikationen, wobei Europa und USA schon länger die gleichen ERP-Systeme verwendeten, allerdings unterschiedlich organisiert.

Schuhmodelle im Modemuseum von Ferragamo in Florenz. Heute ist die Firma ein weltweiter Konzern, der vor allem in Asien stark expandiert.
Foto: Hartmut Wiehr

Ferragamo Japan geht hier noch immer einen Sonderweg, der sich aus einem früheren Joint Venture ergeben hatte, und die weiteren asiatischen Regionen setzen ebenfalls unterschiedliche Systeme ein, die von den jeweiligen Geschäftspartnern verwaltet werden. Deshalb sei man zu der Überzeugung gekommen, so Carmagnini, mittel- und langfristig eine gemeinsame Software-Infrastruktur für ERP und insbesondere die Supply Chain zu schaffen, mit der Zentrale in Florenz.

Gerade im chinesischen Geschäftsbereich, der sehr stark wächst, arbeite man mit Partnern zusammen, die noch sehr viel per Hand in der IT arbeiteten. Diese manuellen Prozesse hätten die Geschäftsabläufe zum Nachteil der Kunden und auch von Ferragamo beeinträchtigt. Deshalb musste man unbedingt zusammen mit SAP eine Lösung finden, um den asiatischen Wachstumsprozess weiter zu unterstützen.