Ranking Innovation und F&E

Microsoft und Nokia verlieren an Boden

03.11.2011 von Werner Kurzlechner
Im Ranking von Booz & Company behauptet sich die IT als dominante Kraft, neben Pharma- und Autoindustrie. Apple und Google liegen bei Innovationen vorn.
Ganz vorne Pharma, dahinter sehr viel IT: die Top-20 der Welt nach F&E-Ausgaben.
Foto: Booz & Company

Wer besonders viel Geld in Forschung und Entwicklung (F&E) investiert, erntet nicht zwangsläufig die meiste Innovationskraft. Gleichwohl erhöht ein starkes Engagement in diesem Segment die Chancen, innovativer zu sein als andere Firmen. In bestimmten Branchen ist F&E schlicht überlebenswichtig. Diese sicherlich nicht neuen Erkenntnisse schärft einem das Ranking der „Global Innovation 1000“ wieder nachdrücklich ein, das die Unternehmensberatung Booz & Company jetzt veröffentlicht hat.

Innovation? Da müssen doch prominente IT-Firmen ganz vorne liege, denkt man sich sogleich. Der Eindruck ist auch völlig richtig – wenngleich vor allem als subjektiver Eindruck. Booz & Company hat zum einen hart nach F&E-Ausgaben eine Rangliste der 1000 forschungsstärksten Firmen auf dem Planeten erstellt. Zum anderen wurden für Innovation verantwortliche Manager gefragt, welche Unternehmen in ihren Augen besonders innovativ sind. In dieser Umfrage enterte Apple wenig überraschend den Spitzenplatz vor Google; Microsoft, IBM und Samsung liegen auf den Rängen Fünf bis Sieben; Facebook komplettiert als Neueinsteiger die Top-Ten.

Das Image der Innovationsbringer haben IT-Firmen aller Couleur also fest gepachtet. Das verdeckt allerdings ein wenig, dass die IT im Bereich der F&E-Investitionen im Vergleich zu anderen Branchen – insbesondere der Pharmaindustrie – an Boden verlor. Überdies sind die F&E-Schwergewichte zu einem guten Teil andere als die Innovations-Darlings.

Von den bisher genannten Firmen liegen immerhin zwei auch im objektiven F&E-Ranking unter den besten Zehn: Microsoft mit 8,7 Milliarden US-Dollar an Ausgaben auf Platz Vier, Samsung mit 7,8 Milliarden auf Platz Sieben. IBM rangiert mit etwa 6 Milliarden Dollar auf Platz 15, Google ist 34. mit 3,8 Milliarden, Apple gar nur 70. mit 1,8 Milliarden. Wie viel Facebook in F&E investiert, ist unbekannt – es dürfte sich um einen Bruchteil handeln.

Wie im vergangenen Jahr führt das Ranking die Roche Holding an, die 9,6 Milliarden Dollar in F&E steckte. Dahinter folgen zwei weitere Pharmariesen mit jährlichen Ausgaben über der 9-Milliarden-Grenze: Pfizer und Novartis, von den Vorjahresrängen 5 und 6 kommend. Beide erhöhten ihr IT-Budget gegenüber 2009 laut Booz & Company um ein Fünftel. Die wurde aber noch übertroffen vom US-amerikanischen Merck-Konzern, den eine Steigerung um 53 Prozent auf Platz Fünf katapultierte.

Microsoft investiert 3 Prozent weniger

Die Pharmabranche machte bei F&E also regelrecht mobil – und das eindeutig zu Lasten der IT-Firmen. Microsoft und Nokia stürzten vom Silber- und Bronzeplatz des Vorjahres ab auf die Ränge Vier und Acht. Das Budget von Microsoft schrumpfte laut Ranking um 3,3 Prozent – die größte Einbuße innerhalb der Top-Ten. Auch Nokia gab mit 7,8 Milliarden Euro 2010 etwas weniger für F&E aus als im Vorjahr. Als einzige IT-Firma verbesserte sich somit Samsung von Platz Zehn auf Sieben.

Hinter den ersten Zehn folgen als weitere Computerfirmen Intel auf Elf, Panasonic auf Zwölf, IBM auf 15 und Cisco Systems auf 19. Platz 20 hält Siemens als Mischkonzern. Somit besetzt die IT-Branche im weitesten Sinne acht der 20 ersten F&E-Ränge weltweit. Diese sind ohnehin ein reines Konzert von IT, Pharmaindustrie und Autoherstellern: Toyota ist 6., General Motors 9., Volkswagen 14. und Honda 17.

Die zunehmende Digitalisierung weiter Lebensbereiche verändert laut Booz & Companny die Markt- und Machtverhältnisse fast aller Branchen. Konsequenterweise mobilisiert der Treiber dieser rasanten Entwicklung – die IT- & Elektronikindustrie – mit 28 Prozent den Löwenanteil aller Innovationsbudgets, die sich in der Summe auf 550 Milliarden US-Dollar belaufen.

Erfolge lassen sich nicht durch massive Investitionen erzwingen

Die Berater bemerken spitz, dass just die F&E-Topfirmen Microsoft und Nokia derzeit ihre Mobilfunkkräfte bündelten, um den digitalen Innovationsführern Google und Apple Paroli bieten zu können. „Unsere Studie belegt: Erfolgreiche Neuentwicklungen lassen sich nicht einfach durch massive F&E-Investitionen erzwingen“, kommentiert Klaus-Peter Gushurst, Sprecher der Geschäftsführung von Booz & Company. Es bedürfe einer Firmenkultur, die der Innovation höchste Priorität einräumt und diese vertriebsseitig unterstützt.

„Nur mit einer übergeordneten und umsetzbaren F&E-Strategie lassen sich marktverändernde Entwicklungen realisieren“, so Gushurst weiter. Dies ist nach der vorgelegten Studie jedoch noch längst nicht immer der Fall. So konstatierten 36 Prozent der Befragten, dass ihre eigene Unternehmenskultur ihre Innovationsstrategie nicht unterstütze.

Deutschland verschlechtert sich

Deutsche Firmen stehen im internationalen Vergleich nach wie vor gut da, wenngleich es im Vergleich zum Vorjahresranking eine leichte Verschlechterung gab. Das durchschnittliche F&E-Wachstum der deutschen Unternehmen liegt mit 8,9 Prozent leicht unter dem internationalen Mittel von 9,3 Prozent. Zusammen gaben die gelisteten deutschen Firmen 38,6 Milliarden Dollar für F&E aus. Das sind 7 Prozent des Gesamtkuchens; im Jahr davor waren es noch 7,6 Prozent. Immerhin bleibt Deutschland damit Innovations-Europameister vor Frankreich und der Schweiz.

Statt 50 sind diesmal 46 deutsche Unternehmen vertreten. Folgende Konzerne aus dem DAX 30 schafften es sogar unter die Top-100: Volkswagen (14), Siemens (20), Daimler (26), BMW (30), Bayer (31), SAP (53), BASF (60), Continental (64) und die deutsche Merck (68).

„In der zurückliegenden Weltwirtschaftskrise hat die deutsche Industrie antizyklisch die Forschung für essentielle Produkt-Innovationen forciert“, lobt Gushurst. Auch deswegen habe sie sich deutlich schneller aus der Rezession befreit als viele andere Volkswirtschaften und fahre heute wieder Rekordergebnisse ein. „Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen EU-Schuldenkrise täten Unternehmen gut daran, diese antizyklische Innovationsstrategie erneut anzuwenden“, so Gushurst weiter. Angesichts einer Steigerung der F&E-Ausgaben um 38 Prozent in China fordert Booz & Company noch stärker wirklich global ausgerichtete Innovationsstrategien der deutschen Konzerne.

Das Ranking „Global Innovation 1000“ ist bei Booz & Company erhältlich.