Wege zur Kooperation

Mit Unified Communications zur Collaboration

21.08.2008 von Anika Sydow
Unified Communications ist derzeit in aller Munde, gelten doch Kommunikationswege aus einem Guss als Garant für Kundenzufriedenheit und höhere Produktivität. Doch wie sehen die strategischen Aspekte dahinter genau aus, welcher Mehrwert ist für Unternehmen und Nutzer drin, und wo liegen Stolpersteine?

"Sie arbeiten schnell, zielorientiert und sind kommunikationsstark? Dann werden Sie in unserem Unternehmen nicht mehr durch unflexible IT gebremst." Was sich wie eine ungewöhnliche Anzeige aus dem Stellenmarkt anhört, beschäftigt viele Unternehmen. Es geht um eine einheitliche Kommunikationsinfrastruktur. Der Grund: Neben den fachlichen Anforderungen wächst die Bedeutung der organisationsübergreifenden Zusammenarbeit (Collaboration) zwischen Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern. Denn an den meisten Projekten arbeiten unterschiedliche Teams mit, oft sogar an verschiedenen Standorten oder gar in anderen Zeitzonen. Experten beschreiben das Hauptproblem dabei als fehlende "Awareness", also mangelndes Wissen darüber, was die anderen Mitarbeiter gerade machen. Reibungslose Kommunikation und Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb des Unternehmens entwickeln sich so zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Forrester Research prognostiziert etwa, dass sich die integrierte Kommunikation in fünf bis sechs Jahren zum neuen Standard der effizienten Geschäftskommunikation entwickeln wird.

Nach Einschätzung der Marktforscher werden bis zu einem Drittel der "Global-2000"-Unternehmen innerhalb dieser Frist zumindest einen Teil ihrer Kommunikationsprozesse in ein Gesamtsystem einbinden. Obwohl kein Zweifel besteht, dass die vollständige Integration von Kommunikation und Kooperation noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, können es sich Unternehmen nicht leisten, den Anschluss zu verpassen. Doch wie kommt ein Unternehmen auf den richtigen Kurs in Richtung Unified Communications and Collaboration (UCC)?

Kommunikation auf allen Kanälen

Schon heute kommunizieren die meisten Unternehmen viel und umfassend, leider aber auch oft unnötig und an den Bedürfnissen der Beteiligten vorbei. Im Einsatz sind Telefonie, Videotelefonie, E-Mail, Instant Messaging, Fax, Brief, SMS/MMS, Portale, Wikis, Telefon-, Video- und Web-Konferenzen, Chats, Blogs und viele Wege mehr. Außerdem haben die Unternehmen Softphones am Laptop, Blackberries, dazu die klassischen Telefone und natürlich Handys. Obwohl die Anzahl der Kommunikationsmedien, -geräte und -kanäle sogar noch steigt, sinkt die von allen geforderte Erreichbarkeit. UCC soll dieses Dilemma auflösen.

Strategie aus einem Guss

Doch was steckt genau dahinter? UCC beschreibt die Integration unterschiedlicher, für Kommunikation und Zusammenarbeit genutzter Techniken in eine einheitliche Strategie. Beispiel Erreichbarkeit: Egal, ob ein Mitarbeiter im Büro arbeitet, beim Kunden sitzt oder einen Tag im Home Office verbringt, für die Erreichbarkeit darf das keinen Unterschied machen. Heute muss man dafür oft noch mit mehreren Telefonnummern jonglieren, bei UCC gibt es nur noch eine Nummer, die dann entsprechend geroutet beziehungsweise weitergeleitet wird. Aber Vorsicht: UCC sollte nicht heißen, dass man regelmäßig mitten in der Nacht von einem Kollegen aus einer anderen Zeitzone aus dem Bett geklingelt wird. Im Gegenteil, ein funktionierendes Verfügbarkeits-Management ("Presence") gehört zu UCC dazu. Man muss am nächsten Morgen nicht mehr drei Anrufbeantworter abhören (zu Hause, mobil, Büro), sondern nur noch einen. Und alle E-Mails, Voice-Mails und Faxe laufen auch in nur einer Mailbox auf - das spart Zeit und Nerven. Für die Mitarbeiter in einem Unternehmen mit ausgefeilter UCC-Strategie bedeutet das, dass sie zwar immer noch schnell, zielorientiert und flexibel sein müssen, die Kommunikationsmittel sie aber dabei unterstützen und nicht bremsen.

Die Vorteile von UCC

Die Realisierung eines erfolgreichen UC-Projekts setzt eine leistungsfähige Infrastruktur voraus.

Die Vorteile und Ziele dieser Integration liegen auf der Hand: Verbesserte Anwenderfreundlichkeit bringt den Mitarbeitern endlich die Flexibilität, die jeder Arbeitgeber von ihnen im Einstellungsgespräch fordert. Statt fünf Minuten vor dem Abflug schnell noch das Notebook zu starten und eine E-Mail abzuarbeiten, kann man mit UCC per Mobilgerät fünf Mails in der gleichen Zeit beantworten. Insgesamt wird so auch die Zusammenarbeit mit Kollegen, Kunden und Partnern verbessert, denn auch wenn die Kollegen auf Dienstreise sind, haben sie die gleichen Kommunikationskanäle parat. Nimmt man den Fokus weg von der IT, dann bedeutet eine effiziente UCC-Strategie auch ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit, also eine bessere Work-Life-Balance.

Das ist wichtig, weil die Unternehmen heute im Kampf um die besten Mitarbeiter auch mit sozialen Argumenten wie Familienfreundlichkeit punkten müssen. "Durch flexiblere Arbeitsmodelle steigt die Produktivität der Mitarbeiter, gleichzeitig sind die Mitarbeiter zufriedener", erläutert Ludwig Zink, bei BT Germany für UCC-Lösungen zuständig. "Bei BT haben international etwa 70 000 Mitarbeiter die Möglichkeit, flexibel zu arbeiten - also bei Bedarf von zu Hause oder von unterwegs. Die Produktivität ist dadurch um mehr als 30 Prozent gestiegen." In Großbritannien verzeichnete BT als ein Ergebnis des "flexible working", dass die Fehlzeiten pro Mitarbeiter auf gut drei Prozent gesenkt wurden - der Landesdurchschnitt liegt bei 8,5 Prozent.

Kosten runter

Aber UCC hat auch einfach messbare Vorteile für das Unternehmen, etwa die Senkung der Kommunikationskosten durch Anbindung von Zweigstellen via VoIP. Durch "virtuelle" Besprechungen per Telefon- oder Videokonferenz werden Reise- und Hotelkosten gesenkt. Mit einer effizient umgesetzten UCC-Strategie lassen sich in weiteren Schritten auch die Geschäftsprozesse straffen. "Alleine bei den Immobilienkosten spart BT etwa 100 Millionen Euro pro Jahr, weil weniger Bürofläche vorgehalten werden muss", erklärt BT-Experte Zink.

Der klassische Ansatz

Ein Treiber für die schnelle UCC-Einführung sind Kostenersparnisse. Wenn neue Investitionen anstehen, denken CIOs über Sparpotenziale nach. Da es keinen Sinn mehr gibt, bereits abgeschriebene "klassische" Telefonanlagen durch neue derselben Technologie zu ersetzen, rückt das Thema VoIP-Service immer mehr in den Vordergrund. Diese Kundengruppe ist insgesamt noch sehr Hardware-affin und stark von der klassischen TK geprägt. Doch das ist gerade im Umbruch. Die Hardware verliert an Bedeutung, Software und Services werden dagegen immer wichtiger.

Neue Möglichkeiten

Ein zweiter Ansatz wird oft von Unternehmen verfolgt, die schon IP-Telefonie einsetzen. Sie sehen die Erfolge und interessieren sich vor diesem Hintergrund mehr und mehr für das Thema UCC. Besonders wichtig sind dabei neue Kommunikationsmöglichkeiten wie Web-Conferencing oder Document-Sharing. Oft sind in diesem Kreis internationale Firmen vertreten, die sich schon seit Jahren mit dem Thema globale Kommunikation auseinandersetzen. Auch sind hier die niedrigen Kosten eher ein Vorteil, der gerne mitgenommen wird, nicht aber der Hauptgrund. Stattdessen denken diese Unternehmen vor allem darüber nach, wie sie ihre Prozesse verbessern können.

Der Weg ist das Ziel

Aber egal welchen Ansatz man verfolgt, wer UCC plant, muss als Erstes seine bisherige Kommunikationsinfrastruktur kennen. Fragen wie "Was kann mein Netzwerk leisten?", etwa im Hinblick auf Quality of Service (QoS), müssen zuerst beantwortet werden. So hat auch BT laut Ludwig Zink seine vorhandene Infrastruktur bis in den letzten Winkel durchleuchtet und geprüft, inwieweit sie für die neuen Anforderungen gerüstet ist. Beispiel VoIP: Vor der eigentlichen Investition in VoIP-Equipment ist es sinnvoll, das eigene Kommunikationsprofil zu kennen. Bietet das Netz die erforderliche Servicequalität? Soll eine Filiale per VoIP angebunden werden, muss auch das Weitverkehrsnetz die Priorisierung von Datenströmen erlauben - nur so lässt sich eine gute Sprachqualität auch dann erzielen, wenn parallel andere Daten übertragen werden. Sollen Videokonferenzen in HD-Qualität zum Einsatz kommen, sind die Anforderungen entsprechend höher.

Security-Check

Nach der Ist-Analyse sollte sofort das Thema Security auf dem Plan stehen. Die Integration von Kommunikationsmitteln und die daraus entstehende Freiheit bringen nichts, wenn Gott und die Welt Unternehmensgeheimnisse mithören können. Sollte es noch keine umfassenden Security-Richtlinien geben, dann ist jetzt der Zeitpunkt dafür gekommen. "Wer darf was?" ist zwar schnell gefragt, die Antwort zu finden kann aber lange dauern. Für UCC ist sie jedoch unabdingbar. Ein weiteres Security-Thema ist das Identity-Management. Hier lauern Stolperfallen wie die steigende Mobilität von Mitarbeitern oder Home-Office-Workern, die über eine DSL-Leitung angebunden sind. Auch die Einhaltung von Richtlinien und gesetzlichen Vorgaben (Compliance) steht auf dem Programm: Hier müssen die IT-Verantwortlichen über die rechtlichen Rahmenbedingungen für Archivierung und Datenschutz und wertvolle Business-Informationen Bescheid wissen. Unified Communications kann dabei ein Vorteil sein, einfache Kommunikation darf die Regeln aber nicht unterlaufen. Wird einem Mitarbeiter per Instant-Messenger mitgeteilt, dass er für 500 000 Euro Waren einkaufen soll, dann sollte es eine Möglichkeit zur Überprüfung geben, ob nicht doch nur 50 000 Euro gemeint waren oder gar lediglich 500,00 Euro.

Die nächste Frage auf dem Weg zu UCC ist, welche Systeme erhalten bleiben und welche neuen Applikationen hinzukommen sollen. Passen Alt und Neu nahtlos zusammen, oder sind vorher zusätzliche Migrationsschritte erforderlich? Das ist auch wichtig, wenn verschiedene UCC-Lösungen kombiniert werden sollen, denn hier können teure Schnittstellenkonflikte auftreten. Dies ist häufig der Fall, wenn Unternehmen ihre UCC-Lösung selbst aus Einzelkomponenten zusammenbauen. Ein möglicher Mittelweg ist ein Mix aus Alt und Neu. Ein Dienstleister, der gleichermaßen über IT- und Netzwerk-Know-how verfügt, kann so etwa klassische Festnetztelefonie mit VoIP kombinieren.

Managed Services

Die vielleicht interessanteste Option, um eine UCC-Strategie zu verwirklichen, sind Managed Services. Diese Services "aus der Steckdose" treiben die Industrialisierung der IT voran. Bereits heute lassen sich viele IT-Services so klar definieren, also standardisieren, dass man sie problemlos auslagern kann - etwa der Betrieb von Mail- und Web-Servern, Firewalls oder Remote-Access-Lösungen. Dieser Trend zur Standardisierung wird weiter anhalten und sich auch bei UCC verstärken. Der Effekt ist aus der Automobilindustrie bekannt: Mit der Einführung des Fließbands wurde es möglich, große Stückzahlen von identischen Fahrzeugen zu bauen. Bei der Industrialisierung der IT geschieht etwas Ähnliches: IT-Services werden so stark standardisiert, dass sie sich auf einer zentralen Plattform produzieren lassen. Sie können schneller entwickelt und implementiert werden, sind sehr gut skalierbar und letztlich preiswerter. Was bei Mail-Systemen oder Firewalls schon lange praktiziert wird, wird sich in den kommenden Jahren für immer mehr Services durchsetzen.

Die UCC-Zukunft

Bei heutigen UCC-Projekten liegt der Schwerpunkt meist auf der Kommunikation. Die Zusammenarbeit kommt als zweites Ziel erst im nächsten Schritt. So sind Videokonferenzen in Unternehmen etabliert, Applikations-Sharing, also gemeinsames Arbeiten an Dokumenten oder auch in komplexeren Projekten, ist dagegen weniger verbreitet. Statt professioneller Content-Management-Systeme werden E-Mails mit Anhängen ohne Versionskontrolle durch die Gegend geschickt, bei denen schwer nachvollziehbar ist, wer wann was geändert hat. "Wer sich bei der Modernisierung seiner IT-Infrastruktur nur auf die Kommunikation beschränkt, verschenkt Potenzial", sagt Ludwig Zink. Der zweite Schritt hin zur organisationsübergreifenden Zusammenarbeit sollte daher von Anfang an ein Bestandteil der Strategie sein. (hi)