Innovation braucht Blut, Schweiß und Tränen

Munich RE glaubt an die bimodale IT

20.03.2017 von Wolfgang Herrmann
Der Rückversicherer Munich RE glaubt an das Konzept der Bimodal IT. Doch das Spannungsfeld zwischen klassischer IT und den Herausforderungen der Digitalisierung bereitet in der Praxis durchaus Probleme.

Wenn bei der Munich RE über Digitalisierung geredet wird, geht es nicht um schöne Labs oder Lofts, sondern um existenzielle Fragen. Das sagt Dirk Heiss, Head of IT Infrastructure and Operations, beim Münchner Rückversicherer. Der klassische Erstversicherungsmarkt, von der das Wohl und Wehe des Konzerns abhängt, verändert sich durch die Digitalisierung dramatisch. "Das Konzept mit dem Versicherungsmakler auf dem Sofa im heimischen Wohnzimmer trägt schon lange nicht mehr", erklärte Heiss in einem Roundtable-Gespräch des IT Service Management Forum (itSMF). Hinzu komme, dass es den großen Versicherern immer besser gelinge, ihre Risiken zu managen. Sie bräuchten oftmals gar keinen Rückversicherer mehr.

Der Rückversicherer Munich Re steckt mitten in der digitalen Transformation.
Foto: Munich Re

Auch die IT der Munich RE müsse auf diese Veränderungen reagieren, so der Manager. Es gehe darum, mithilfe von Technologie neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Das Konzept der bimodalen IT spielt dabei eine Schlüsselrolle. Es soll eine Brücke schlagen zwischen der traditionellen "rock solid" IT und einer neuen Welt, die Heiss "lean and exploratory" nennt (siehe Grafik).

Wie komplex das Konstrukt der Bimodal IT in der Praxis werden kann, veranschaulichte Munich-RE-Manager Dirk Heiss mit einem Schaubild.
Foto: Munich RE

Er meint damit zum Beispiel agile Methoden wie Design Thinking, die Iterationen im Zwei-Wochen-Rhythmus für neue Softwarefunktionen erlaubten. Dafür brauche es auch neue Skills etwa im Bereich Analytics.

Dass dieser Weg alles andere als einfach ist, räumte Heiss ein: "Es gibt kein Patentrezept, um beide Welten zu verbinden." Ein erfolgskritischer Faktor sei beispielsweise "eine gewisse Durchlässigkeit in der Organisation". Mitarbeiter müssten zwischen der klassischen und der "neuen" Welt hin- und herwechseln können. Die Munich RE schicke beispielsweise Mitarbeiter projektbezogen für einige Monate in eines ihrer Labs. Nach Projektabschluss kehrten die Kollege wieder in ihren angestammten Bereich zurück.

Lessons Learned und populäre Irrtümer

Auf dem Weg der digitalen Transformationen sei er auch persönlich so manchem Irrtum aufgesessen, berichtete der IT-Manager selbstkritisch. Dazu gehörte etwa die Annahme, Digitalisierung habe automatisch etwas mit IT zu tun. In der Praxis habe sich gezeigt, dass die IT von anderen Abteilungen als "langsam und prozess-fokussiert" wahrgenommen wurde. Heiss lernte daraus: "Die IT muss sich eine Führungsrolle in der digitalen Transformation erst verdienen."

„Es geht nicht darum, was wir auf unsere Powerpoint-Folien schreiben“, sagt Dirk Heiss, Head of IT Infrastructure and Operations bei Munich RE.
Foto: Munich RE

Ein weitverbreiteter Irrglaube ist es nach seiner Einschätzung, dass es schon genüge, zentrale Botschaften im Unternehmen zu kommunizieren: "Es geht nicht darum, was wir auf unsere Powerpoint-Folien schreiben". Solche Vorträge seien schnell vergessen, wenn die Mitarbeiter ins Tagesgeschäft zurückkehrten. Heiss: "Man beurteilt uns nach unseren Taten, nicht nach unseren Worten."

Eine andere Erkenntnis dreht sich um die Digital Labs, die gerade in Großunternehmen wie Pilze aus dem Boden schießen: "Wir haben zuerst geglaubt, Startup-Loft-Büros seien unnötiger Unsinn und passten nicht zu Munich RE." Tatsächlich aber machten solche räumlichen Veränderungen durchaus einen Unterschied, wenn es um Innovationen gehe. Das physische Lab etwa habe zum Kulturwandel der Munich RE beigetragen: "Hier entstehen neue Kundenlösungen viel schneller als wir das bislang geschafft haben."

Zum Thema IT-Organisation sagte Heiss, ein wirklich passendes Organigramm für eine bimodale IT gebe es aus seiner Sicht nicht. In der Praxis gehe es eher darum, dass Organisationsstrukturen und Prozesse dem Wandel so wenig wie möglich im Weg ständen. Er warnte in diesem Kontext auch vor der Einschätzung: "Bei Innovationen kommt es nur auf die richtigen Zutaten an, sprich die richtige Idee, die richtigen Leute und genug Geld." Die Wahrheit sei: Innovationen erforderten Blut, Schweiß und Tränen; Zeit und Glück müssten hinzukommen.