Infoworld: Virtualisierung ist nicht alles

Neun Mythen über Cloud Computing

10.07.2009 von Nicolas Zeitler
Cloud Computing spart nicht in jedem Fall Geld. Außerdem lassen sich nicht alle Anwendungen einfach in die Wolke übertragen. Unsere amerikanische Schwesterpublikation Infoworld entlarvt neun verbreitete Irrtümer über Cloud Computing.

Cloud Computing ist angesagt. Gerade in der derzeitigen schwierigen Wirtschaftslage wird das Thema aus dem Blickwinkel von Kosteneinsparungen betrachtet. Cloud Computing gilt als flexibles Modell, mit dem der CIO kostengünstig IT-Leistung beziehen kann. Doch so simpel, wie manchmal angenommen, lässt sich Cloud Computing nicht handhaben. Robert L. Scheier von unserer amerikanischen Schwesterpublikation InfoWorld räumt mit neun häufigen Missverständnissen auf und benennt, was IT-Entscheider beachten müssen.

1. Cloud Computing ist Cloud Computing

Es gibt mindestens drei verschiedene Arten von Cloud Computing. Jede hat ihre eigenen Vorteile und Risiken:

  1. Infrastructure as a Service: Dabei handelt es sich um virtuelle Server, die nach Bedarf genutzt werden können. Anbieter ist unter anderem Amazon’s Elastic Compute Cloud.

  2. Platform as a Service: Bei diesem Modell stellen Anbieter APIs zur Verfügung (Application Programming Interfaces). Die Nutzer können darüber ihre Anwendungen programmieren und in der Cloud betreiben.

  3. Software as a Service: Anwendungen wie die CRM-Software von Salesforce.com. Die Kunden greifen darauf übers Internet zu. Auf ihren eigenen Rechnern läuft dabei ein sehr kleiner oder gar kein Teil des Programms ab.

2. Man muss nicht mehr tun als bezahlen

Manche Anbieter stellen Cloud Computing allzu einfach dar. "Sie behaupten, ein Anwender könne einfach innerhalb von 15 Minuten einen Entwicklungsserver kaufen, der genau so gut ist wie einer, für dessen Bereitstellung die hauseigene IT-Abteilung drei oder vier Tage bräuchte", sagt Michael Kollar, IT-Architekt bei Siemens IT Solutions and Services Nordamerika. Sein Unternehmen betreibt 2500 virtuelle Server, von denen interne Nutzer und externe Kunden Anwendungs-Dienstleistungen nach dem Prinzip Cloud Computing beziehen.

Tatsächlich ist bei Cloud Computing allerdings einiges zu beachten, wie Kollar betont - zum Beispiel, ob der webbasierte Dienst sicher genug ist. Schon ein Server in der Cloud, der für eine kurzzeitige Marketing-Kampagne gebraucht wird, muss den firmeneigenen Sicherheits-Standards entsprechen. Außerdem muss das Format, in dem dort die Kundendaten gespeichert werden, kompatibel mit den anderen im Unternehmen verwendeten Systemen sein.

Prüfen muss der CIO auch, ob Cloud-Dienste anderen Anforderungen gerecht werden. Phil Calvin von Sitemasher beispielsweise, einer Plattform für den Bau von Internetseiten, wurde nicht fündig und betreibt seine Server deshalb nun selbst statt in der Cloud. Kein Anbieter konnte seine Anforderungen nach möglichst geringen Verzögerungszeiten erfüllen oder Rechenlast zufriedenstellend auf verschiedene Rechenzentren verteilen.

3. Cloud Computing spart Arbeit

Das ist höchstens auf lange Sicht der Fall. Zu Anfang bedeutet Cloud Computing aber jede Menge Arbeit: bei der Wahl des richtigen Modells, der Auswahl eines Anbieters und der Entscheidung, welche Anwendungen in die Wolke wandern sollen. Denn nicht alle eignen sich dafür. Nicht ratsam ist Cloud Computing zum Beispiel bei Anwendungen, die die gebündelte Rechenleistung mehrerer Server brauchen, warnt James Staten vom Marktforscher Forrester. Denn für diese Programme muss jeder Server gleich konfiguriert sein. Außerdem brauchen sie viel Bandbreite, die ihnen ständig fest zugeordnet ist. Das kann ein Cloud-Anbieter nicht immer sicherstellen.

4. Das eigene virtualisierte Rechenzentrum lässt sich problemlos mit der Cloud verbinden

Manche Cloud-Prediger versprechen das Beste aus zwei Welten gemeinsam: die Kontrolle wie über ein eigenes Rechenzentrum gepaart mit der Flexibilität von Cloud Computing. Doch dieses Versprechen ist zu hoch gegriffen, wenn es um komplexe Anwendungen geht, die auf eine interne Datenbank zugreifen und tausende Nutzer mit wechselnden Zugangsrechten bedienen.

"Bisher muss man da noch sehr viel von Hand anpassen", sagt James Staten. Die nahtlose Verständigung zwischen allen möglichen Systemen in der Cloud steckt noch in den Kinderschuhen. Ansätze wie das Open Virtualization Format seien noch "ganz am Anfang", sagt Staten. Für am wichtigsten hält Siemens-Mann Kollar eine Sicherheits-Infrastruktur, die beide Umgebungen umspannt - die eigene und die in der Cloud.

5. Eigene Umgebung und Cloud werden sich nie verbinden lassen

Die Anbieter arbeiten zurzeit daran, die nahtlose Verbindung möglich zu machen. Kollar plant, sie seinen Kunden in einem bis eineinhalb Jahren anzubieten. Bis es soweit ist, rät Thorsten von Eicken vom Cloud-Management-Anbieter RightScale zu einheitlichen Standards für die firmeneigene und die öffentliche Cloud.

6. Cloud Computing spart in jedem Fall Geld

Laut einer kürzlich veröffentlichen Untersuchung von McKinsey sparen Nutzer der Cloud nur Geld, wenn sie spezielle Programme wie Linux als Cloud-Dienst laufen lassen. Ein ganzes Rechenzentrum auf diese Weise zu betreiben, sei dagegen nicht ratsam. Die Studie erntete Widerspruch, unter anderem von Rajen Sheth, Produktmanager bei Google Apps. Darin würden gar nicht alle Aspekte beachtet, wie Cloud Computing Geld spare, bemängelt er.

Vor möglichen Kostenfallen warnt zugleich James Staten von Forrester. Bei den derzeitigen Lizenzmodellen müssten Nutzer teils mehr an Anbieter zahlen, wenn sie deren Programme in der Cloud nutzen wollen, als wenn sie die Software auf eigenen Rechnern installieren.

7. Cloud Computing ist sicher

Auch wenn ein Cloud-Anbieter alle erdenklichen Sicherheits-Zertifikate besitzt, ist das keine Garantie für sicheres Cloud Computing. Die Plattform des Anbieters kann noch so sicher sein. "Wenn Sie darauf ihre Anwendungen schlecht aufsetzen, nutzt Ihnen das bei einer Sicherheitsprüfung gar nichts", sagt James Staten. Von Belang sei dieses Thema zum Beispiel, wenn die Sicherheit von Kreditkartendaten gewahrt werden muss.

Michael Kollar von Siemens IT sagt, eine Herausforderung sei es vor allem, verschiedene Sicherheitsvorrichtungen gemeinsam arbeiten zu lassen. Renata Budko von HyTrust, einem Anbieter von Software fürs Virtualisierungs-Management, weist noch auf eine andere Gefahr hin. In der Cloud-Umgebung könne es leichter passieren als in einer physischen, dass einem Server neue Netzwerkverbindungen zugewiesen werden, die ihn mit einem unsicheren Netzwerk verbinden. Solche möglichen Gefahren müsse der CIO unabhängig überprüfen. Blind auf den Anbieter zu vertrauen sei der falsche Weg.

8. Cloud Computing heißt, virtuelle Server zu betreiben

Virtualisierung ist eine Grundlage von Cloud Computing. Aber wer virtuelle Maschinen betreibt, betreibt damit nicht gleich auch Cloud Computing. Um die Vorteile von Cloud Computing voll auszuschöpfen, gehört auch die Möglichkeit dazu, Kapazitäten zu erhöhen und zu verringern. Zu Cloud Computing gehört außerdem die Bezahlweise je nach Nutzung und die Möglichkeit, dass der Nutzer ohne Aufwand selbst neue Server und Speicher aufsetzen kann.

9. Technik ist alles

Die richtige Technologie macht Cloud Computing möglich. Aber die erhoffte Flexibilität und Kostenersparnisse ergeben sich erst mit den richtigen Prozessen. Die Virtualisierungsmodelle, die Cloud Computing zugrunde liegen, sind sehr dynamisch und ermöglichen schnelle Veränderungen, wie Renata Budko von HyTrust erklärt. Worauf es ankommt, ist die richtige Steuerung der Ressourcen. Denn erst sie verhindert es, dass die Zahl der nicht oder kaum genutzten virtuellen Maschinen ausufert, die Energie, Kühlung und Wartungszeit beanspruchen - genau so wie physische Server.

Wer in der Cloud mit standardisierten Prozessen arbeitet, kann die Effizienz erhöhen. So habe Siemens IT Solutions den Aufwand für die Steuerung seiner IT mittels ITIL und Virtualisierung um 25 bis 35 Prozent verringern können, berichtet Michael Kollar.