Projekt Mendocino

Nun finden sie doch zueinander

05.09.2005 von Riem Sarsam
Mit einer gemeinsam entwickelten Software schaffen Microsoft und SAP die Verbindung zwischen der Office- und der ERP-Welt. Da die Resonanz auf das noch namenlose Produkt groß war, soll die Markteinführung ins zweite Quartal 2006 vorgezogen werden.

Wer bislang über Microsoft Outlook seinen Urlaub beantragen wollte, blieb mitten im Prozess stecken. Für die eigene Planung reichte Outlook, doch um Termine in das Unternehmenssystem zu übertragen, musste der Anwender in einem zweiten Schritt in das SAP-System wechseln, um den automatisierten Prozess in der Geschäftsanwendung anzustoßen. Mit diesem Hin und Her soll Schluss sein. "Der gesamte Prozess kann nun auf einmal erledigt werden", erläutert Peter Graf, Vice President Solution Marketing bei SAP.

Rund 60 Millionen Anwender, so die Schätzung der Anbieter, werden von der versprochenen Vereinfachung profitieren. So viele nämlich arbeiten weltweit in Unternehmen, die beim Frontend auf den Standard Microsoft-Office setzen und im Backend SAP laufen lassen.

Auswahl der Pilotkunden läuft

Zwei Jahre dauerte der Verhandlungsmarathon zwischen den beiden größten Softwareherstellern. Im Mai dieses Jahres konnten sie endlich mit einem konkreten Projekt aufwarten: "Mendocino", so der Codename, soll jene viel gescholtene Lücke zwischen Office- und ERP-Anwendungen schließen.

Wie das konkrete Produkt heißen wird, steht noch nicht fest; was es kann, ist hingegen schon ziemlich klar. SAP stellte es auf seinen diesjährigen Kundenveranstaltungen Sapphire in Kopenhagen und Boston in verschiedenen Live-Demonstrationen vor.

In erster Linie erleichtert die Software eine Reihe von Vorgängen, indem sie eine Brücke zwischen der Microsoft- und der SAP-Welt schlägt. Das wiederholte Erfassen bestimmter Daten, Medienbrüche oder inkonsistente Daten zwischen den Systemen gehören damit der Vergangenheit an.

Nach der Produktankündigung im Mai sollen ab Ende des Jahres die ersten Kunden Erfahrungen sammeln. Da das Echo auf die neue Lösung so positiv ist, haben die Firmen ihren Zeitplan gestrafft. "Wir werden das Produkt im zweiten Quartal verfügbar machen", sagt Graf. Ursprünglich hatte der Termin noch im dritten Jahresviertel 2006 gelegen.

Wer allerdings hofft, dass nun sämtliche Schranken zwischen SAP- und Microsoft-Welt fallen, muss enttäuscht werden. Mendocino zielt nur auf jene Unternehmen, die mit MySAP ERP 2004 sowie Office 2003 arbeiten. Technisch wäre zwar auch die Integration mit SAPs All-in-One-Lösung ebenso machbar wie eine Anbindung an das Open-Source-Produkt Open Office, doch diesen Optionen wird derzeit - noch - keine Chance eingeräumt.

Selbst im vorgegebenen Rahmen gibt es Einschränkungen. Konzipiert wurde die neue Lösung vor allem für Anwender, die SAP als "Light-User" bezeichnet. "Nicht für alle betriebswirtschaftlichen User ist die nahtlose Integration zwischen Microsoft und SAP gebaut", bestätigt Graf, "wir haben unser Augenmerk vor allem auf jene Nutzer gelegt, die im Wesentlichen mit Microsoft Office arbeiten und nur eine Auswahl spezieller SAP-Geschäftsprozesse nutzen." In der ersten Version wird das Tool Prozesse wie Mitarbeiter- oder Abwesenheitsmanagement von MySAP ERP 2004 und Microsoft Office verfügbar machen. Erst mit den nächsten Generationen sollen auch ausgewählte Prozesse aus den Bereichen CRM, SRM und SCM bedient werden.

Mitarbeiter-Selbstverwaltung im Fokus

Genau fünf Geschäftsprozesse für die Selbstverwaltung von Mitarbeitern und Managern unterstützt Mendocino 1.0: Jene, die unter das Stichwort "Leave Management" fallen, also alles, was mit Abwesenheit wie Urlaub, Krankheit oder Außendienstarbeiten zusammenhängt. Der Kalender (Zeitmanagement) wird ebenfalls in beiden Welten funktionieren, außerdem Teile der Personalwirtschaft, etwa die Zahlung von Boni, Einsicht in die Personalakte oder Gehaltserhöhungen. Hinzu kommen Abläufe wie Budgetmonitoring durch den Zugriff auf Funktionen von SAP Analytics sowie die Verknüpfung von MS Office mit dem Portalsystem. Auch die Integration von SAP und weiteren Office-Tools wie Word oder Excel wurde berücksichtigt. Beispielsweise lassen sich SAP-Daten in Excel bearbeiten und präsentieren, wobei die Informationen gleichzeitig in SAP geändert werden.

Durch die Beibehaltung der Office-Nutzeroberfläche, in die SAP-Funktionen eingebaut werden, dürfte das Produkt den Mitarbeitern keine Kopfschmerzen bereiten. Die Anwendung werde sehr einfach nutzbar sein, verspricht Graf. "Sie funktioniert wie ein normales Add-on zu Office. Es fallen keine Trainingskosten an, denn wer sich mit Office auskennt, kann das Produkt sofort nutzen." Auch die Steuerung läuft angeblich problemlos über den Administrator, der auch die entsprechenden Nutzungsrechte vergibt. Prinzipiell gelten die im SAP-System hinterlegten Nutzerprofile.

Hält die Lösung, was ihre Hersteller versprechen, dürften sich die Anwender künftig auch mit dem Umgang unternehmenskritischer Informationen leichter tun. Versionsbrüche zwischen Desktop- und Back-Office-Anwendungen verschwinden. "Den Verantwortlichen gibt das ein erhebliches Mehr an Kontrolle", wirbt SAP-Manager Graf.

Noch nicht ausreichend

Für ihn steht hinter dem Projekt jedoch noch mehr als das reine Produkt. Es geht ihm auch um die Glaubwürdigkeit des Walldorfer Softwareriesen. Schließlich wurde mit Schlagwörtern wie Service-orientierte Architektur oder Netweaver viel Staub im ERP-Umfeld aufgewirbelt. Mit der neuen Lösung wird die Idee greifbar. Die Kopplung von Office und den bereitgestellten SAP-Prozessen geschieht über Web-Services-Schnittstellen. "Mendocino ist ein konkretes Beispiel, wie SAP solche Services bereitstellt. Wir nutzen hier die Offenheit von Microsoft .NET und der Enterprise Services Architecture von SAP", sagt Graf.

Als einen Schritt in die richtige Richtung, aber längst nicht ausreichend bezeichnen Marktbeobachter das Projekt. "Mendocino wird noch nicht zu einer echten Integration für den modernen Wissensarbeiter führen", bemängeln die Gartner-Analystinnen Yvonne Genovese and Betsy Burton. "Hierfür hätten sich beide Anbieter weit mehr öffnen müssen." Die Zahl der ausgewählten Geschäftsprozesse sei noch zu gering, aber es bestehe ja Hoffnung auf mehr Integration mit den nachfolgenden Versionen.

Anstoß für mehr Integration

Nicht zuletzt könnte Mendocino dem gesamten Markt für Business-Software den längst überfälligen Anstoß zu mehr Integration geben. "CIOs können mit einer Serie ähnlicher Partnerschaften zwischen Herstellern von Geschäftsanwendungen und Arbeitsplatzlösungen rechnen", prognostizieren die Analystinnen in ihrem Bericht "Mendocino Next Step Toward Integrated Contextual Workplace". SAP werde wahrscheinlich andere Produkte ebenso integrieren, wie Microsoft die Zusammenarbeit mit anderen Business-Applikationen ausbaue - nicht zuletzt mit der eigenen Lösung Microsoft Business Solution (MBS).

Kurzfristig dürfte SAP einen Wettbwerbsvorteil davontragen, da die Kunden den Vorteil einer OfficeIntegration honorieren. Auch für Microsoft sollte sich das Geschäft mit seinen bislang lukrativsten Produkten Windows und Office weiter festigen, glauben Genovese und Burton.

Verkauft wird die neue Software sowohl von Microsoft als auch von SAP - so viel ist klar. Was sie kosten soll und welche Lizenzstrategie die Hersteller fahren wollen, bleibt jedoch noch im Dunkeln.