Analysten-Kolumne

Offshore-Partner in IT Projekten richtig steuern

19.09.2007 von Stefan Schlöhmer
Der Wettbewerb auf dem Markt für Software-Entwicklung wird härter, Durch den damit verbundenen Preisdruck sowie die Erwartungshaltung vieler Kunden an effiziente Wertschöpfungsketten werden standardisierbare Programmierleistungen zunehmend offshore erbracht. Die mit dieser Art von Geschäft verbundene Herausforderung für die IT-Beratungsunternehmen ist vor allem das Management der Zusammenarbeit mit dem Offshore-Dienstleister.
Senior Manager Stefan Schlöhmer: "IT-Projekte mit Offshore-Komponenten sind komplexe und relativ langfristige Vorhaben."

Sorgfältige Planung ist bei jedem IT-Projekt erfolgskritisch. Bei Onsite-Projekten startet die detaillierte Projektplanung üblicherweise nach Vertragsunterzeichnung. Offshore/Onsite-Projekte aber sollten bereits im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung geplant werden, um die Risiken zu minimieren. Aufgrund deutlich höherer Komplexität und Unwägbarkeiten steigt der Planungsaufwand im Vergleich zu einem Onsite-Projekt erheblich, was sich sowohl am Zeitbedarf als auch am Ressourcenbedarf bemerkbar macht.

Planungsphasen von vier bis sechs Monaten bei einem Projektumfang von etwa 2.000 Arbeitstagen sind üblich. Sollte es nicht zu einem Vertragsabschluss mit dem Kunden kommen, können die gewonnenen Erfahrungen mit dem Partner und das erworbene Wissen für das nächste Vorhaben genutzt werden. Für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit ist der höhere Planungsaufwand im Vergleich zu einem Onsite-Projekt zu berücksichtigen.

In einem ersten Schritt umfasst die Planung die Diskussion der grundsätzlichen fachlichen und technischen Anforderungen und die Termine des gesamten Projektes mit dem Offshore-Dienstleister. Verlaufen die Gespräche positiv, sind im zweiten Schritt die detaillierten Anforderungen, insbesondere technische Details, mit dem Offshore-Dienstleister zu diskutieren. Zeitgleich sollte die Prüfung des potenziellen Partners nach bestimmten Kriterien erfolgen. Solche Kriterien sind technische und Projekt-Management-Zertifikate, Referenzen vergleichbarer Projekte, die Garantie für die Verfügbarkeit benötigter Spezialisten, Reputation sowie die Größe des Unternehmens. Auch die Begutachtung des Offshore-Standortes und Face-to-Face Meetings mit den geplanten Projekt-Managern und Spezialisten sind hilfreich.

Der persönliche Eindruck sollte ebenfalls entscheidungsrelevant sein. Sofern der Offshore-Dienstleister den Erwartungen gerecht wird, empfiehlt es sich, zügig einen Letter of Intent (LOI) zu schließen, der alle Rahmenanforderungen und nach Möglichkeit auch monetäre Größen umfasst. Dabei ist darauf zu achten, dass etwaige K.O.-Kriterien schon in dieser Phase ausgeräumt wurden. Vor dem Vertragsabschluss mit dem Kunden sollte der Partnervertrag unterzeichnet werden, da sich andernfalls ein unkalkulierbares Projektrisiko für das Beratungsunternehmen ergibt.

Einarbeitung richtet sich nach den Anforderungen

Zu Beginn des Projektes findet die umfassende Einarbeitung des Offshore-Teams statt. Die Art und der Umfang der Einarbeitung richten sich nach den vereinbarten Anforderungen und den Qualifikationen der verfügbaren Mitarbeiter. Generell sind Umfang und Dauer der Einarbeitung umso größer, je weiter sich die Anforderungen von Standardtätigkeiten entfernen. Falls die Aufgabenstellung schwierig ist oder die Beteiligten es wünschen, finden Face-to-Face-Meetings statt. Das Offshore-Team muss so weit qualifiziert werden, dass es in der Lage ist, die geforderten Tätigkeiten weitgehend selbständig auszuführen.

Koordinierte Arbeitsweise durch Offshore Governance Modelle

Ein geeignetes Offshore Governance-Modell ist wesentliche Vorraussetzung, um ein Offshore/Onsite-Projekte erfolgreich durchführen zu können. Solche Modelle legen die Aufbauorganisation, die Prozesse und die wichtigsten Parameter des Projektes fest und regeln auf diese Weise die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten.

Im Folgenden sind jene Themen auszugsweise aufgelistet, die in jedem Offshore Governance-Modell zu berücksichtigen sind. Selbstverständlich sind diese im Hinblick auf die Projektbedingungen zu priorisieren, strukturieren und detaillieren. Der Kunde gibt wesentliche Parameter wie Mengengerüste, messbare Qualitätskriterien oder Ergebnistypen vor. Die Mehrzahl dieser Themen stimmt das IT-Beratungsunternehmen mit dem Partner ab (z.B. Templates zur Informationsübermittlung) oder fordert es von ihm ein (z.B. Abnahmeverfahren).

Arbeitsorganisation und Kommunikation als Bestandteile des Governance-Modells.

Einige dieser Themen gehören zu den klassischen Bereichen des IT-Service-Managements, z.B. von ITIL beschrieben. Da durch Offshore Governance-Modelle Projekte gesteuert werden, nicht aber IT-Infrastruktur, dadurch ein erhöhter Steuerungsaufwand entsteht und sich erweiterte Anforderungen sowie höhere Risiken ergeben, verändern sich die Prozesse, erkennbar z.B. beim Service-Level-Management oder beim Change Management. Die entsprechenden ITIL Prozesse sind recht statisch, und das Rollenmodell ist ein anderes. Gleichwohl können ITIL Prozesse als Grundlage für die im Governance-Modell zu entwickelnden Prozesse herangezogen werden.

IT-Service-Prozesse und IT-Infrastruktur als Bestandteile des Governance-Modells.

Auch klassische Bestandteile des Projekt-Managements werden tangiert, sind aber im Detail anders, so dass Standards wie PMI nur bedingt übernommen werden können. Beispiele hierfür sind Templates zur Informationsübermittlung als Teil des Project Communications Managements oder Einarbeitung im Rahmen des Project Human Resource Managements.

Das Offshore-Governance-Modell im Überblick.

Einige Bereiche des Projekt-Managements wie Project Scope Management, Project Integration Management oder Project Time Management sind weitgehend generisch und gelten auch für Offshore/Onsite-Projekte. Besonderes Augenmerk ist dem Project Risk Management zu widmen.

SLA als wesentlicher Bestandteil jedes Offshore-Governance-Modells

Die wichtigsten SLAs werden vom Kunden vorgegeben und durch den Vertrag zwischen dem Beratungsunternehmen und dem Offshore-Partner festgelegt. Andere SLAs werden vom Beratungsunternehmen gefordert und mit dem Partner verhandelt. Die SLAs enthalten überwiegend die messbaren Komponenten des Governance Modells.

Qualität des Projekt-Managements maßgeblich für den Erfolg

Projekt-Management nach den üblichen Standards wie PMI oder Prince2 gehört ebenfalls zu den Voraussetzungen für erfolgreiches Gelingen von Offshore/Onsite-Projekten. Wichtig ist, die wesentlichen Themen des Governance-Modells und die SLAs mit der Projekt-Management-Methodik abzustimmen, wobei Überlappungen auftreten.

SLAs in Offshore/Onsite-Projekten (Auszug).

Der Steuerungsaufwand derartiger Projekte und die Herausforderungen, die sich aus der Zusammenarbeit mit internationalen Teams ergeben, sollten nicht unterschätzt werden. Deshalb sollten Projekt-Manager, die ein Offshore/Onsite-Projekt managen, hinreichend Erfahrung bei Auslandseinsätzen und in der Steuerung komplexer Vorhaben besitzen sowie über ein fundiertes Wissen bei der Projekt-Management-Methodik verfügen. Auch die Konzentration des Projekt-Managers auf nur ein Vorhaben solcher Art mindert die Risiken, ist jedoch in den derzeit hoch ausgelasteten Beratungsunternehmen nicht immer selbstverständlich.

Das Rollenmodell innerhalb der Projektorganisation muss schon während der Planungsphase klar sein. Sowohl die Koordination des Partners, die vertriebliche Tätigkeit und die interne Vorbereitung muss von festgelegten Rollen und geeigneten Personen übernommen werden, deren Zusammenarbeit vom Projekt Manager gesteuert und verantwortet wird.

Fazit

IT-Projekte mit Offshore-Komponenten sind komplexe, zumeist umfangreiche und relativ langfristige Vorhaben. Deshalb werden besonders hohe Anforderungen an deren Steuerung gestellt. Der Einsatz von Offshore-Governance-Modellen, kombiniert mit SLA und Projekt-Management-Methodik, ist wesentlich. Nur international erfahrene Projekt-Manager sollten mit der Umsetzung betraut werden. Der frühzeitige Aufbau einer Projekt-Organisation mit einem definierten Rollenmodell ist schon während der Planungsphase erfolgskritisch.

Dr. Stefan Schlöhmer ist Senior Manager bei der Steria Mummert Consulting.