Analysten-Kolumne

Portale: Plattformen für integrierte Unternehmens-IT

14.03.2007 von Christian Kaspar und Annette Hamann
Portal-Technologien wurden in der Vergangenheit in erster Linie dazu genutzt, um Lieferanten, Kunden oder Mitarbeitern Information anzubieten. Die Möglichkeiten, über Portal-Technologien Prozesse auf der Grundlage integrierter IT Architekturen abzubilden, wurden dagegen nur von wenigen Unternehmen ausgeschöpft.

Grund dafür war, dass für eine solche Integration proprietäre Softwareframeworks von Portalanbietern (wie bspw. IBM, SAP, Microsoft, Plumtree) genutzt werden mussten, die zueinander inkompatibel waren und im Wettbewerb standen. Aktuelle technologische Standardisierungsbestrebungen im Bereich von Portal-Frameworks werden diese Einschränkungen jedoch in Zukunft nachhaltig reduzieren.

Eine Portal-Software liefert einem Nutzer im idealen Fall den Zugang zu allen Business-relevanten Ressourcen. Bei diesen Ressourcen kann es sich sowohl um Inhalte als auch um Daten und Funktionen von Anwendungen handeln. Daher umfasst Portal-Software üblicherweise immer auch ein Softwareframework zur Integration von bestehenden Altanwendungen.

Üblicherweise werden Anwendungen in einem Portal-Framework eins zu eins auf Grundlage sog. Portlets integriert. Portlets sind proprietäre Web-Applikationen, die in das Softwareframework des Portals eingebunden sind und beispielsweise zur Aggregation von Inhalten oder zur Ausführung von Funktionen von Backend-Anwendungen dienen.

Aufgrund ihrer proprietären Natur konnten Portlets eines speziellen Frameworks allerdings in der Vergangenheit nicht in unterschiedliche Portal-Produkte eingebunden werden. Eine Standardisierung der Framework-Portlet-Schnittstellen wurde von Portalanbietern sogar bewusst verhindert, um eine Austauschbarkeit ihrer Frameworks zu verhindern und Anwender an ihre Produkte zu binden. Dies führte wiederum dazu, dass viele Anwender davor zurückschreckten, umfangreiche Projekte zur Integration von Anwendungen und Prozessen auf der Grundlage von Portal-Software aufzusetzen.

IBM und SUN leiten Trend zu Standardisierung von Portal-Frameworks ein

Um Anwendern einen Anreiz zu geben, Portal-Software nicht nur als Informationsvertriebsmedium sondern auch als Integrationsplattform einzusetzen, wagten 2003 erstmalig Anbieter Java-basierter Standard-Software (insbesondere IBM und Sun) sich vom bis dahin geltenden Dogma proprietärer Framework-Schnittstellen abzuwenden.

Das Ergebnis dieser Abkehr bildete zum einen die Java Spezifikation "Java Specification Request 168" (JSR 168), die Schnittstellen zwischen Java-basierten Portlets und einem Java-basierten Portal-Framework standardisierte, und zum anderen das Protokoll WSRP (Web Services for Remote Portlets), über das Funktionen einer Altanwendungen von Portlets auf der Grundlage von generischen Web Services aufgerufen werden können.

Bereits ab 2004 ermöglichten IBM und Sun standardisierte Portlets im Rahmen ihrer Portalprodukte. Mit dem aktuellen Netweaver Release stellte auch SAP ein vollständig standardkompatibles Integrations-Framework vor. Damit scheint der erste Schritt für einen allgemein gültigen Integrationsstandard durch am Markt agierende Portalanbieter aus heutiger Sicht erreicht.

Portale öffnen Kunden die Tür zu flexiblen Service-orientierten Architekturen

Die Standardisierung von Portlet- und Portaltechnologien birgt für Anwender eine Reihe von Potenzialen: Zum einen können Portlets zukünftig ohne Anpassungen in unterschiedliche Portal-Frameworks integriert werden. Dies bringt den Vorteil mit sich, dass Anwender beim Aufbau einer Portallösung nicht von einem einzelnen Software-Anbieter abhängig sind und sich Risiko und Komplexität der Portalauswahl reduzieren.

Zum anderen wird durch den Einsatz von standardisierten Integrationstechnologien auf der Grundlage von Web Services der Integrationsaufwand reduziert und der Aufbau flexibler Integrationsarchitekturen ermöglicht. Beispielsweise können auf der Grundlage von Web Services jeweils nach Bedarf Anwendungen (ohne oder nur mit marginalem Entwicklungsaufwand) dynamisch in ein Portal-Framework integriert werden, wobei die Portal-Software den Zugriff auf die einzelnen Dienste steuert.

Eine solche Zusammenführung von den vorhandenen Backend-Systemen kann einen ersten Schritt in Richtung einer Service-orientierten IT-Landschaft darstellen. Daher macht die durch Standardisierung der Framework-Schnittstellen gewonnene Flexibilität speziell für solche Unternehmen attraktiv, die den Aufbau einer Service-orientierten IT-Architektur planen.

Dieses Potenzial wird auch zunehmend von betrieblichen IT Entscheidern erkannt. In einer aktuellen IT-Trendstudie von Capgemini gaben mehr als 60 Prozent der Befragten an, noch in diesem Jahr Projekte aufsetzen zu wollen, um Anwendungen und vor allem auch Prozesse über eine Portal-Software zusammenzuführen. Damit könnten Portallösungen eine Renaissance erfahren und sich von ihrem bisherigen nicht mehr zeitgemäßen Inseldasein verabschieden.

Christian Kaspar und Annette Hamann sind Berater bei Capgemini Consulting.