Zuweiserportal für niedergelassene Ärzte - Elektronische Fallakte als Ziel

Preisgekrönt: Serviceportal mit Zukunft

15.10.2008 von Petra Winkler
Beispiele für vernetzte Kliniken, die sich IT-technisch für Fachärzte öffnen, sind noch rar. Eines der ersten realisierten Projekte ist das Zuweiserportal der Thoraxklinik Heidelberg, das jetzt in Washington D.C. von der Computerworld ausgezeichnet wurde. Doch nicht nur deshalb gibt es bereits einen großen Interessentenkreis unter den Klinik-CIOs. Ein Gespräch mit Heinrich Bülzebruck, dem IT-Verantwortlichen an der Thoraxklinik Heidelberg.
Preisträger Heinrich Bülzebruck, IT-Chef der Thoraxklinik Heidelberg: "Ein institutionsübergreifendes Portal zur Kommunikation der zuweisenden Ärzte mit einer Klinik, welches in ein KIS integriert ist, ist in dieser Form neu gewesen."

Dank eines Portals für zuweisende Fachärzte gehört die Thoraxklinik Heidelberg zu den Preisträgern des "Computerworld Honor Program 2008" - warum sind Sie für dieses Zuweiserportal ausgezeichnet worden?

An dem Auswahlverfahren für diese Auszeichnung haben IT-Projekte teilgenommen, die von über 200 weltweit tätigen IT-Unternehmen nominiert wurden. Nach einem mehrstufigen Begutachtungsverfahren wurden insgesamt 204 Projekte, aufgeteilt in 10 Kategorien, nach Washington D.C. eingeladen, um die Laureate-Auszeichnung am 2. Juni 2008 entgegenzunehmen. Dass die Thoraxklinik Heidelberg mit ihrem Zuweiserportal dazugehörte, ist für uns sehr ehrenvoll und hat damit zu tun, dass wir auf diesem Gebiet - zumindest in Deutschland - eine Pionierleistung geschaffen haben. Es gibt zwar bereits erste Kliniknetze und es gibt Ärztenetze. Aber ein institutionsübergreifendes Portal zur Kommunikation der zuweisenden Ärzte mit einer Klinik, welches zudem voll in ein KIS integriert ist, das ist zumindest in dieser Form neu gewesen.

Welche technischen Voraussetzungen für die Anbindung an das Zuweiser-Portal sind auf Seiten der Arztpraxis zu erfüllen?

Außer einem Internetzugang und MS Winword als Textverarbeitungssystem sind auf Seiten der Arztpraxen keine besonderen technischen Ressourcen notwendig. Das war ja der Ansatz: Es sollte keine hohen technischen Hürden geben, um den Ärzten die Anbindung möglichst leicht zu machen.

Welche Systeme und Lösungen sind bei Ihrem Serviceportal im Einsatz und ist das Portal an Ihr Krankenhausinformationssystem (KIS) angeschlossen?

Das Serviceportal ist vollständig in die SAP-Applikationen i.s.h. med und IS-H und damit in das KIS der Thoraxklinik Heidelberg integriert. Technologische Plattformen bilden SAP NetWeaver und i.s.h.med connectivity, ein aus dem Entwicklungsprojekt entstandenes Produkt.

Wie viele niedergelassene Lungenfachärzte sind mittlerweile an das Serviceportal angeschlossen?

An der Entwicklung des Portals waren drei Lungenfachärzte intensiv beteiligt. Ihre Anforderungen und Wünsche sind in das Projekt eingeflossen. Inzwischen nutzen mehr als ein Dutzend Lungenfachärzte in der Rhein-Neckar-Region das Portal im Produktivbetrieb und ihre Anzahl steigt stetig weiter. Unser Ziel ist ein auf regionaler Ebene möglichst vollständiges Netz aller Lungenfachärzte sowie die Kommunikation mit wichtigen überregionalen Partnern als Haupteinweiser.

Mit dem Zuweiserportal können angeschlossene Arztpraxen online Patienten zuweisen, Untersuchungstermine buchen und Befunde einsehen - gibt es darüber hinaus noch weitere Prozessabläufe, die das Portal ermöglicht?

In erster Linie ging es bei dem Portal darum, Patienten zuweisen, Termine buchen und Befunde einsehen zu können. Dieses Spektrum ist jetzt realisiert. In weiteren Ausbaustufen sollen die derzeitigen Kommunikationsinhalte noch vertieft und verbreitert werden. Dazu gehört beispielsweise, Befunde mit digitalen Bild- und Videoinformationen zu ergänzen, das Stichwort hier wäre PACS, ein Picture Archiving Communication System. Aber auch inhaltlich soll das Portal weiterentwickelt werden zu einem Serviceportal mit arztspezifischen, patienten-unabhängigen Funktionen.

Die Thoraxklinik Heidelberg betreut jährlich über 5.000 stationäre und etwa ebenso viele ambulante Patienten. Verzeichnen Sie eine Zeitersparnis für Ihr Personal, wenn die Zuweiserpraxen Verwaltungstätigkeiten wie Terminvergabe oder Befundeinsicht nun selbst erledigen?

Ja, die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass mit Einführung des Portals nicht nur klinikintern deutliche Zeitersparnisse eingetreten sind, sondern diese auch bei den zuweisenden Ärzten. Diese Zeitersparnis kommt letztendlich den einzuweisenden Patienten zugute: Für sie hat die Servicequalität insgesamt spürbar zugenommen.

Wenn Sie jetzt das Projekt betrachten: Sind Sie zu 100 Prozent zufrieden? Oder gibt es rückblickend etwas, das Sie beim nächsten Mal anders machen würden?

Rückblickend muss ich sagen, dass es sich bei diesem Entwicklungsprojekt aufgrund der breitgefächerten Herausforderungen und Aspekte um ein anspruchsvolles, aber dadurch auch interessantes Projekt gehandelt hat. Zu den Herausforderungen gehörte die Bewältigung komplexer technischer Strukturen. Eine wichtige Rolle spielte ferner die hohe Bedeutung von Datenschutz und Datensicherheit. Ganz zentral waren aber auch die notwendigen Reorganisationen der klinikinternen Arbeitsabläufe. Durch die sehr gute interne und externe Kooperation ließen sich jedoch alle Probleme gemeinsam erfolgreich lösen.

Im Rückblick hat sich ferner gezeigt, wie wichtig eine planmäßige Organisation der klinikinternen Arbeitsabläufe ist. Die IT-technische Öffnung eines Krankenhauses nach außen, wie zum Beispiel auf dem Gebiet des Terminmanagements, kann nur dann möglich und sinnvoll stattfinden, wenn die internen Arbeitsläufe zuvor optimiert worden sind.

Welche Wünsche oder Pläne gibt es für die Zukunft, welche Veränderungen stehen noch an?

Zum einen wäre für die Weiterentwicklung der Applikation an sich das Interesse anderer Krankenhäuser gefragt. Bei uns und unseren Entwicklungspartnern hat auch schon ein größerer Interessentenkreis angefragt.

Und dann wäre es interessant, die Vernetzung mit den Zuweisern schon zu einer früheren Phase beginnen und auch länger andauern zu lassen. Theoretisch ist es möglich, den gesamten Diagnostik- und Therapieprozeß des Patienten zu integrieren, das heißt inklusive aller prä- und postklinischen Maßnahmen und Befunde, die beim Lungenfacharzt durchgeführt und erhoben wurden. Das Stichwort für dieses Ziel wäre hier die elektronische Fallakte (EFA). Was hier jeweils wann umgesetzt wird - das zeigt die Zukunft.