RFID und GPS beschleunigen Lieferung

Profite rankarren

19.06.2006 von Klaus Manhart
Fusionen und Übernahmen fordern die Logistikbranche heraus.Die IT muss gleichzeitig Alt-Applikationen integrieren und ersetzen. Und sie soll mit neuen Technologien wie Satellitensteuerung und Funketiketten die Profitabilität steigern.

Logistik-Unternehmen auf Wachstumskurs: Mit einem Umsatz von 170 Milliarden Euro belegt die Branche hinter der Autoindustrie und dem Gesundheitswesen Platz drei – und rückte damit im Vergleich zum Vorjahr eine Stelle vor. Das ergab die aktuelle Studie „Top 100 der Logistik“ der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Technologien der Logistikdienstleistungswirtschaft. Gleichzeitig unterliegt die Branche massiven Veränderungen. Um eine europaweite oder globale Präsenz aufzubauen, expandieren alle großen Dienstleister international: Die Deutsche Post verleibte sich DHL ein und jüngst Exel; die Bahn stärkte ihr Logistikgeschäft mit der Übernahme von Schenker und Bax Global; Kühne+Nagel belebten ihr Osteuropa- und Asien-Geschäft mit ACR-Logistics und der estnischen E.M.Trans. „Die Fusionen und Übernahmen haben dazu geführt, dass sich alle großen Logistikdienstleister in sehr komplexen IT-Strukturen wiederfinden“, sagt Martin Raab, Leiter Logistik & Transport bei Capgemini Deutschland. „Wurden mehrere Geschäftseinheiten übernommen, sind oft Hunderte von Applikationen im Einsatz.“ Erschwerend kommt hinzu, dass viele Firmen mit sehr alten Applikationen arbeiten. Dies betrifft vor allem die Kernanwendung – das Transport Management System. Über die Software werden die einzelnen Sendungen erfasst und abgerechnet – ergänzt durch ein separat aufgesetztes Track-and-Trace-System, das die Abholung und
Zustellung von Sendungen verwaltet.

Wenn Systeme Silberhochzeit feiern

Die Transport-Management-Systeme werden zunehmend zum Problem für die Logistiker: „Bei diesen Kernsystemen handelt es sich fast ausschließlich um selbstgestrickte Applikationen oder Anwendungen von mittelständischen Softwarehäusern, die wenige Installationen gemacht haben“, sagt Raab. Die meisten dieser Systeme haben ein Alter von zehn bis 15 Jahren, teilweise haben sie auch 25 Jahre auf dem Buckel. Die Flexibilität, die man braucht, um schnell neue Kundenwünsche zu erfüllen oder auf neue Markttrends zu reagieren, ist mit den Oldtimern nicht mehr gegeben.

Andere IT-Bereiche sind hingegen weniger kritisch – hier wird meist Standardsoftware eingesetzt. So im Back-Office, bei Buchhaltung und Einkauf. Im Vertrieb kommen zunehmend CRM-Systeme zum Einsatz. „Siebel oder SAP werden allerdings selten genutzt, die Logistiker setzen derzeit noch auf kleinere, einfach strukturierte Pakete“, erklärt Raab.

Bei der Ablösung der Kernapplikation stehen die Unternehmen vor drei Alternativen: Individuelle Eigenentwicklungen, Spezialpakete von Nischenanbietern oder Standardsoftware-Lösungen, die sich einer Serviceorientierten Architektur verschrieben haben.

Relativ teuer ist der Weg über individuelle Applikationen. Weil Festpreisprojekte aber klar abgesichert sind, ist das Risiko des Scheiterns hier deutlich begrenzt. Spezialpakete als zweite Möglichkeit sind auf den ersten Blick preisgünstig, bescheren in der Praxis aber oft ein Mehrfaches der geplanten Kosten. Der Grund: Sie müssen meist aufwändig an individuelle Bedürfnisse angepasst werden. Im schlimmsten Fall werden Projekte vor dem Go-live auch abgebrochen.

ESA-Lösung nicht vor 2007

Vor allem SAP und Oracle kommen als Anbieter umfassender Standardsoftware-Lösungen in Frage. „Beispielsweise lassen sich Transport-Management-Systeme auf Basis von SAP-Standard-Softwarekomponenten realisieren“, sagt der Capgemini-Berater. „Diese sollten aber mit individuell entwickelten Services oder Services von Drittanbietern in einer Enterprise-Service-Architektur implementiert werden.“ Die Ablösung mit Softwarelösungen auf Basis von Service-orientierter Architektur werde bei SAP ab 2007 der Fall sein. „Der Zwang zur reinen Individualentwicklung entfällt dann“, erklärt Raab.

IT-Integration und Erneuerung der Zentral-Software sind aber nicht die einzigen Themen, die Logistikunternehmen derzeit umtreibt. „Die Innovation in der Branche kommt aktuell sehr stark über mobile Kommunikationstechnologien“, erklärt Experte Raab. GPS, RFIDund Optimierungstechnologien erlauben es, Sendungen gezielter zu lenken. „Damit wird die Steuerung auf der Sendungsebene verfeinert. Diejenigen, die das frühzeitig realisieren, können ihre Profitabilität signifikant steigern.“

Mit dem gezielten Einsatz von Mobiltechnologien können Unternehmen auch den Landtransport deutlich wirtschaftlicher gestalten. Dieses Teilsegment erzielt traditionell sehr niedrige Umsatzrenditen. „In den USA gibt es beispielsweise Anbieter wie J.B. Hunt und andere, die über eine Zentraldisposition Tausende von LKWs steuern und die Ladung im Raum optimieren“, erklärt der Capgemini-Berater. „Sie haben es über diese Geschäftsmodelle geschafft, ihre Umsatzrendite von drei Prozent vor fünf Jahren auf aktuell über zehn Prozent zu steigern.“ In Deutschland haben DHL und Hermes in den letzten Jahren ähnliche Konzepte vorangetrieben.

Im Vergleich zu anderen Sektoren ist die IT-Ausgabefreudigkeit im Logistiksektor hoch. „Wir rechnen mit IT-Kosten in der Branche zwischen drei und fünf Prozent, gemessen am Umsatz“, sagt Raab. Der Berater ist davon überzeugt, dass die ITInvestitionen wegen der anstehenden Integrationsprojekte zumindest temporär weiter erhöht werden. Wer hingegen mehrere Applikationslandschaften mit unterschiedlichen Technologien parallel betreiben will, muss mit dauerhaft hohen IT-Kosten rechnen. „Diese Logistikunternehmen haben dann weder auf der IT-Seite die entsprechenden Ersparnisse noch haben sie Vorteile auf der Prozessseite durch eine bessere Integration der Geschäftsprozesse“, erklärt Raab.