Alexander Röder

Prozesse mit ITIL optimieren

22.03.2005
O2 Germany hat im März 2003 ein Projekt zur Optimierung der IT-Services durch die Einführung von ITIL aufgesetzt. ITIL ist eine Methode, um IT-Serviceprozesse effizienter zu organisieren. Sie erlaubt eine schnelle Anpassung an die Gegebenheiten des Marktes.

Für O2 Germany stand bei der Einführung der Gedanke im Vordergrund, die in ITIL vorgegebenen Prozesse konsequent an den Wünschen und Bedürfnissen der unterschiedlichen Geschäftsbereiche von O2 auszurichten und damit die Servicequalität zu erhöhen. Dafür eignet sich die Prozessoptimierung nach dem ITIL-Rahmenwerk, weil trotz klarer Vorgaben auch Raum für unternehmensspezifische Anpassungen bleibt.

Mit der sukzessiven Verbesserung der Prozesse und Services verfolgt O2 folgende Ziele:

- Bereitstellung optimaler „Time to Market“-Lieferungen
- hohe Flexibilität
- fortlaufende Anpassung der Services an die Kundenerfordernisse
- Betrieb von IT-Lösungen mit hoher Produktivität, die dem Bedarf des Business gerecht werden
- Services mit hoher Qualität zu marktgerechten Kosten
- die Standardisierung der IT-Lösungen für kostengünstige und schnell verfügbare Services

ITIL hilft beim Outsourcing

Für eine erfolgreiche ITIL-Einführung empfiehlt es sich, mit Prozessen zu starten, deren Neuausrichtung einen signifikanten Mehrwert für die Organisation darstellen. So haben wir bei O2 bereichsübergreifend mit den Prozessen begonnen, die für das Outsourcing relevant sind. Mit der parallelen Neuverhandlung der Outsourcing- Verträge im Jahr 2003 konnten wir die Prozesse neu aufsetzen und als standardisierte Basis für die Festlegung der Vertragsinhalte verwenden. ITIL bildete die Grundlage dafür, die Prozesse und Leistungen zu beschreiben sowie partnerschaftlich die Verantwortlichkeiten festzulegen. Auch die Form der bereichsübergreifenden Abstimmung, wann Meetings stattfinden, und die Festlegung von KPIs für die Messung der Leistung geschehen auf Basis von ITIL.

Dabei haben wir strikt die Empfehlungen beachtet, kleine Schritte mit einem klar definierten Ergebnis anzugehen. Nach wenigen Monaten waren nicht nur klar formulierte Prozesse zu Incident-, Problem-, Changeund Operations-Management festgelegt, sondern es konnten auch Einsparungen in den Outsourcing- Kosten bei einer verbesserten Leistungstiefe für die Server-/Storage- und die Desktop-Services erzielt werden.

Prozessoptimierung bringt Quick Wins

Im nächsten Schritt hat das ITIL-Projektteam weitere Prozesse in Angriff genommen, die zum Teil erst in Grundzügen vorhanden waren. Auch dabei lässt sich ITIL als Best-Practice-Leitfaden problemlos verwenden, um die vorhandenen Lücken in Prozessen zu identifizieren und Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten. Am Anfang dieser Gap-Analyse stehen folgende Fragen: „Wie sehen die Prozesse jetzt aus, welche Ziele wollen wir erreichen, und wie wollen wir uns in Zukunft ausrichten?“ Wichtig ist es an dieser Stelle, in intensiven Gesprächen mit den IT-Kunden die Bedürfnisse zu definieren. Daraus lassen sich dann Quick Wins realisieren. Bei O2 konnten wir beispielsweise Abläufe zur Fehlerbeseitigung beschleunigen, aber auch Maßnahmen umsetzen, um Fehler künftig zu vermeiden.

In der zweiten Phase arbeitete ein internes Team am Design der Service-Management-Prozesse. Dieses Team definierte den Input für nötige Änderungen und sorgte für die Umsetzung der Maßnahmen. Beispiel Problem-Management: Die Gap-Analyse hatte unter anderem zum Ergebnis, dass viele Ausfälle auf wiederkehrende Probleme zurückzuführen waren und bisher keine nachhaltige Ursachenforschung betrieben wurde. Ist zum Beispiel ein Callcenter von einem Ausfall betroffen, bedeutet das einerseits, dass den Agents die benötigten Systeme nicht zur Verfügung stehen. Andererseits hat ein Systemstillstand auch Auswirkungen für unsere Mobilfunkkunden, denen nicht der erwartete hochwertige Service zur Verfügung steht. Mit der Einführung des Problem-Managements können heute Ursachen ermittelt und damit Störungen schnell und permanent beseitigt werden.

Prozessverantwortung in der Linienorganisation

Schon Ende 2003 wurde die Prozessverantwortung an Vertreter der Linienorganisation übergeben. Dies war insofern ein wichtiger Zeitpunkt, weil damit der erste Schritt hin zu einer Serviceorganisation getan wurde, die sich an Prozessen und weniger an Technologie orientiert. Mit der Zuordnung der Prozessverantwortung werden auch die erworbenen Kompetenzen aus dem Projekt an die Teams und die definierten Ansprechpartner in der Organisation übergeben. Beispielsweise stellt eine Problem-Management-Gruppe in enger Zusammenarbeit mit den Servicemanagern die Umsetzung von Verbesserungen für einen stabilen Systembetrieb sicher. Dadurch, dass mit dem Unternehmen auch die Systemlandschaft sehr schnell gewachsen ist, hatten wir an einigen Stellen einen Komplexitätslevel erreicht, der es zunehmend erschwerte, die Services adäquat zu betreiben. Mit dem Problem- Management-Prozess wurden aktiv Designverbesserungen angegangen, Schwachstellen beseitigt und eine deutliche Verbesserung der Servicequalität erreicht. Auch im Verhältnis zu den Unternehmensbereichen hat sich Entscheidendes verändert: Durch die Prozessoptimierung reden wir nicht mehr über Applikationen oder Server. Wir diskutieren Verbesserungen der definierten E2E-Services: Es geht also um Prozesse wie die Aktivierung von Mobilfunkkunden innerhalb einer fest vorgegebenen Zeit.

Mit dem ITIL-Projekt ist die Einführung beziehungsweise Optimierung folgender (Teil-)Prozesse bereits realisiert:

1. Availibility-Management & Capacity-Management

Diese Prozesse stellen die Verfügbarkeit und Performance der IT-Services zu marktgerechten Kosten sicher. Für die Optimierung der Planung hat O2 unter anderem eine Planungsdatenbank eingeführt.

2. Service Level Management und Customer Relationship Management

Im Rahmen des Service Level Managements wird der Service konsequent den Kundenanforderungen angepasst. Unterstützt wird die Prozessoptimierung durch die Überführung der benötigten Servicedaten (SLAs, OLAs und Verträge) in die Configuration-Management- Datenbank.

3. Change-Management, Configuration-Management und Release-Management

Change- und Configuration-Management erlauben nach entsprechender Automatisierung die effiziente und kontrollierte Umsetzung der nötigen Systemanpassungen sowie die transparente Verwaltung der IT-Infrastruktur. Diese Automatisierung befindet sich bereits in der Umsetzung und soll weiter ausgebaut werden.

4. Incident-Management, Problem-Management und Service-Desk-Funktionen

Diese Prozesse und Funktionen stellen eine effiziente Unterstützung der Kundenanfragen und eine schnelle Behebung gemeldeter Probleme sicher. Die Einführung des Problem-Managements erlaubt eine gezielte Analyse der noch existierenden Schwachstellen sowie die Umsetzung entsprechender Verbesserungen. Der Schwerpunkt der Automatisierung liegt hier auf der vollständigen Verwaltung aller Services und der Integration der Informationsquellen.

5. Operations-Management, Supplier-Management und Security-Management

Hier liegt der Fokus auf der konsequenten Kontrolle, dem Management der externen und internen Lieferleistung sowie den nötigen Sicherheitsmaßnahmen.

Externes Audit bestätigt Projektziel

Nach einem Jahr Projektlaufzeit erfolgte ein externes Assessment nach BS 15000, das den Grad der Zielerreichung dokumentierte. BS 15000 ist ein weltweit akzeptierter Standard für das IT-Service-Management. Er beschreibt einen integrierten Satz von Managementprozessen für die Lieferung von Dienstleistungen und ergänzt die Prozessbeschreibungen der IT Infrastructure Library (ITIL). Ergebnis: Die gesteckten Ziele wurden deutlich übertroffen.

Nach dieser Bestätigung für die Umsetzung der ersten beiden Projektphasen stand nun im dritten Schritt die Tool-Unterstützung der Prozesse im Vordergrund. Problem- und Change-Management sind heute im Service-Management-Tool integriert. Die gewonnene Effizienz sichert schnellere Lösungszeiten und bessere Servicelieferungen.

Zusätzliche Kapazitäten setzen wir bei der Analyse und dem Design neuer Services ein. Für die Zukunft bedeutet das, dass wir Systeme so implementieren, dass ein Optimum an Funktionalität und Service erreicht wird.

Von der Technologieschmiede zur Serviceorganisation

Auch in Zukunft steht die konsequente Verbesserung der Prozesse und Services auf der Agenda, unterstützt durch ein professionelles und flexibles Steuerungsund Informationswerkzeug. Erste Schritte für die Konsolidierung der Konfigurationsdaten sind bereits getan. Die Verfügbarkeit und Performance-Parameter der E2E-Services können bereits online abgerufen werden. Hier planen wir weitere Verbesserungen: Alle wesentlichen Informationen für die Bereitstellung und das Management der Business-Services sollen zukünftig vollständig und weitgehend automatisiert zur Verfügung stehen.

Derzeit werden noch KPIs eingeführt, um die Prozessoptimierung und -steuerung auch im Tagesgeschäft nachhalten zu können. Mit den gewonnenen Erfahrungen lassen sich diese Messparameter dann sukzessive detaillieren. Aber schon jetzt sind sichtbare Erfolge zu verzeichnen: Die Durchlaufzeiten für Tickets sind ebenso gesunken wie die Anzahl der offenen Fehler.

Das ITIL-Projekt spiegelt die veränderte Rolle der IT bei O2 wider: Noch vor einigen Jahren hat sich die IT weniger als Serviceorganisation, sondern eher als Technologieschmiede verstanden. Aber gerade die Telekommunikation ist eine dynamische und innovative Branche – mit hohem Technologieanteil an den Endkundenprodukten, zunehmendem Wettbewerb und dem damit verbundenem Kostendruck. Entsprechend wichtig war es, einen Weg zu finden, die IT als flexiblen und zuverlässigen Partner im Unternehmen zu etablieren und die IT-Prozesse und -Organisation an den Bedürfnissen der Geschäftsbereiche auszurichten. Das ist die Grundlage, um hochwertige Services zu wettbewerbsfähigen Konditionen anzubieten.

Das ITIL-Framework ist ein wertvolles Hilfsmittel auf diesem Weg. Wir konnten auf die Erfahrung vieler ITOrganisationen zurückgreifen und damit auf langjährige Praxiserfahrung und sinnvolle Standardisierung. Obwohl IT Infrastructure Library Technologienähe suggeriert, geht es doch hauptsächlich um die Frage, wie eine IT-Organisation nachweislich zum Geschäftserfolg des Unternehmens beitragen kann. ITIL unterstützt bei der Konzentration auf Kernkompetenzen sowie bei der Übergabe von Standardservices an Outsourcing-Partner. Denn das Regelwerk beschreibt nicht den Weg zur Optimierung des Service-Portfolios, sondern es liefert die gemeinsame Sprache, um Services exakt zu beschreiben.