Studien versachlichen Debatte

Roboter brauchen geschulte Mitarbeiter

23.02.2017 von Werner Kurzlechner
Vernichten Roboter und Digitalisierung Arbeitsplätze? Nur zum Teil, sagt eine PwC-Studie für den Maschinenbau. Damit neue Jobs entstehen können, muss das Zusammenspiel Mensch-Maschine verbessert – auch in der Gesundheitswirtschaft, wie eine zweite Studie zeigt.
  • Neben Japan ist Deutschland führende Robotik-Nation
  • Digitale Transformation kostet Stellen für Geringqualifizierte
  • Personalarbeit im Unternehmen muss zu einer strategischen Aufgabe werden
  • Zwei Drittel der Maschinenbauer wollen weiter in Automatisierung investieren
  • Roboter operieren womöglich bald besser als Ärzte
Unvermeidliche Entwicklung: Mensch und Maschine werden künftig noch intensiver zusammenarbeiten als bisher. Der Roboter wird zum Kollegen.
Foto: Willyam Bradberry - shutterstock.com

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nennt neuerdings vor allem die Digitalisierung als Zukunftsthema der kommenden Jahre und somit auch des anstehenden Wahlkampfs um den Bundestag. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich eine Konsequenz dessen auszumalen: Die öffentliche Debatte wird sich auf breiter Front intensivieren - und sie wird auch eine Angstdebatte sein. Kreisen wird diese Angst um Themen wie die Arbeitsplatzvernichtung durch Roboter und ihr drohendes Ausmaß.

Studien über Maschinenbau und Gesundheitsbranche

Es wird vermutlich hitzig darüber diskutiert werden, in welchen Bereichen Jobs tatsächlich durch Maschinen ersetzt werden. Und inwieweit Digitalisierung auch heißt, dass die Nutzung von Robotern den Bedarf nach bestimmten Fachkräften durchaus auch erhöhen könnte. Angesichts dieser Vorzeichen sind Branchenstudien aus diesem Feld derzeit per se von höchster Relevanz. Zwei derartige Untersuchung sind nun publiziert worden: PricewaterhouseCoopers (PwC) betrachtet den Maschinenbau, Rochus Mummert Healthcare Consulting die Gesundheitsbranche.

Horrorszenario menschenleerer Produktionsstätten

Die PwC-Studie widmet sich der angerissenen Leitfrage explizit. Analyst Frank Schmidt kommt schon im Vorwort auf die Angst vor einer Substitution des Menschen durch die Maschine zu sprechen. "Doch trifft die Vorstellung menschenleerer und klinisch sauberer Produktionsstätten mit intelligenten Robotern tatsächlich die Erwartung der deutschen Maschinenbauer?", fragt der PwC-Leiter Industrielle Produktion.

Um die Antwort vorwegzunehmen: Natürlich nein. Die Branchenstudie Maschinenbau kann in der öffentlichen Debatte eine Beruhigungspille sein. Mitzudenken ist dabei immer zweierlei: Aufgrund besonderer Anwendererfahrung seit vielen Jahren ist der Maschinenbau erstens eine Beurteilungsinstanz erster Güte in dieser Frage. Und als Hersteller und Exporteur von Robotern ist die Branche zweitens in besonderer Weise geneigt, die Chancen der Entwicklung in den Vordergrund zu rücken.

Deutsche Roboter-Hersteller sind Hidden Champions

"Einer der größten Märkte für Robotertechnologie ist Deutschland", heißt es in der PwC-Studie. "Der deutsche Maschinenbau ist zugleich Entwickler, Produzent, Zulieferer, aber auch Abnehmer von Industrierobotern." Die Roboterhersteller in der Bundesrepublik seien als "hidden champions" aber häufig weniger groß und sichtbar als die ausländische Konkurrenz.

PwC hat dazu ein weltweites Ranking der Hersteller von Industrierobotern auf Basis der Umsatzzahlen aus dem Jahr 2014 erstellt: angeführt von Mitsubishi Electric mit über 10 Milliarden Euro vor ABB Robotics aus der Schweiz mit über 8 Milliarden Euro, dahinter drei weitere Firmen aus Japan vor den deutschen Firmen Kuka Robotics und Dürr AG.

Ersatz menschlicher Arbeit hat bereits stattgefunden

Nun wandert zwar Kuka aller Voraussicht nach mehrheitlich in chinesische Hände, dennoch unterstreicht PwC die momentane Stärke der "Robotik-Nation" Deutschland. Im Zusammenhang mit der obigen Leitfrage ist dies als Ausgangsbasis relevant: Erfahrungen mit Robotern hat die Industrie hierzulande mehr als anderswo, eine Menge an befürchteter Substitution menschlicher Arbeit hat bereits stattgefunden.

2014 waren in der Bundesrepublik 175.000 Industrieroboter installiert, was 12 Prozent der weltweit eingesetzten Einheiten ausmacht. 2015 lag die Zahl bei 183.000, für 2018 prognostizieren Branchenexperten 216.000 Stück. Ebenfalls 2014 waren hierzulande pro 10.000 Mitarbeiter in der Industrie 161 Roboter im Einsatz, in der Automobilindustrie sogar 1149 - Zahlen, die weltweit nur von Japan übertroffen wurden.

Charakteristisch für die Robotik hierzulande sind, wie PwC betont, die enge Verbindung zu Industrie- und Forschungsclustern rund um die Automobilindustrie sowie die logistische Nähe zu ihren klassischen Absatzmärkten in Europa mit einer zwar leicht rückläufigen Exportquote, die 2015 aber immer noch bei 45 Prozent lag.

Engpässe wegen demografischer Entwicklung

Die von Alterung geprägte demografische Entwicklung in Industrienationen wie Deutschland und Japan rückt die Robotik und Automatisierungstechnologie offenkundig besonders in den Fokus. PwC geht davon aus, dass sich der derzeitige Arbeitskräfteengpass in der industriellen Produktion von 300.000 Menschen bis 2030 noch verschärfen und dann bei über einer halben Million liegen wird.

Einen Überschuss von 8 Prozent wird es demnach in 14 Jahren zwar bei Hilfsarbeitskräften geben. Dem steht allerdings ein Engpass von 15 Prozent bei gehobenen Fachkräften, von 8 Prozent bei normalen Fachkräften und von 9 Prozent bei Akademikern gegenüber.

Auf den ersten Blick hat die Digitalisierung laut PwC durchaus den in der politischen Diskussion befürchteten Effekt. "Berechnet man die demografische Entwicklung allein auf der Grundlage des berufsspezifischen Digitalisierungseffekts, erhält man ein von der allgemeinen Beobachtung abweichendes Ergebnis", schreiben die Studienautoren. "Mehr als eine halbe Million Stellen, vornehmlich im Bereich gering qualifizierter Mitarbeiter, würden rein rechnerisch aufgrund der digitalen Transformation im produzierenden Gewerbe wegfallen."

Produzierendes Gewerbe braucht auch künftig Personal

Ein zweiter Blick, der neue Jobprofile und Arbeitsplätze einbezieht, führt jedoch zu einem anderen Ergebnis. "Tatsächlich deuten die jetzige Altersstruktur der Belegschaft der deutschen Industrie und die demografische Entwicklung der Gesellschaft darauf hin, dass die Branchen des produzierenden Gewerbes auch in Zukunft mehr Personal benötigen werden, als auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen wird", so PwC. Deshalb müsse sich die Ausbildung an die neuen Anforderungen und Bedürfnisse im Zusammenspiel von Mensch und "Kollege Roboter" anpassen. "Dies bedeutet weiter, dass die Personalarbeit im Unternehmen zu einer strategischen Aufgabe werden muss."

Maschinenbau rechnet mit neuen Jobs

Speziell im Maschinenbau erwarten nur 20 Prozent der Firmen einen Abbau von Arbeitsplätzen, 3 Prozent befürchten eine sinkende Arbeitsmoral wegen Wegfall von Arbeitsplätzen durch die Robotik. Demgegenüber rechnen 29 Prozent mit neuen Arbeitsplätzen zur Bedienung von Robotern. 24 Prozent sehen neue Jobs in der Entwicklung von Robotern und Robotik-Betriebssystemen. 16 Prozent denken sogar, dass durch das In-Sourcing ehemals ausgelagerter Arbeitsplätze neue Jobs entstehen werden.

"Die deutschen Maschinenbauer haben keine Furcht vor der Automatisierung", lautet hierzu das Fazit der Studie. "Nicht einmal die übliche Skepsis aufgrund des möglichen Abbaus von Arbeitsplätzen durch Automatisierung teilt die Mehrheit der Befragten."

In welchen Bereichen Roboter eingesetzt werden

Aktuell setzen 53 Prozent der deutschen Maschinenbauer Robotertechnologie ein, vor allem in Montage und Aufbau von Maschinen und in der Bearbeitung von Aufgaben, die hohe Geschicklichkeit und Präzision erfordern. In diesen beiden Bereichen wollen 25 Prozent beziehungsweise 37 Prozent der Hersteller in den kommenden drei Jahren erneut in Robotertechnologie investieren. 21 Prozent planen Investitionen im Lager-, Material- und Verpackungsbereich.

Die Grafik zeigt, in welchen Bereichen deutsche Maschinenbauer in den kommenden drei Jahren in Automatisierung investieren wollen.
Foto: PwC

Die Gründe gegen Roboter - Kosten und kein Bedarf

Mit 35 Prozent sind jene Maschinenbauer in der Minderheit, die nicht in weitere Automatisierung investieren wollen. 16 Prozent dieser Firmen führen als Hemmnis zu hohe Kosten an. Das Gros von 58 Prozent äußert jedoch, Robotik schlicht nicht zu benötigen. Nach Einschätzung von PwC verkennen diese Unternehmen zu oft die neuen Möglichkeiten der Robotik im digitalen Zeitalter.

Analysten kritisieren Unwissenheit

Es handle sich um ein "besorgniserregendes Argument", so die Analysten, das in vielen Fällen auch auf Unwissenheit über die technischen Möglichkeiten gründe. "Dies ist unter anderem der Tatsache geschuldet, dass jahrzehntelang das Hauptaugenmerk in der Automatisierung auf Geschwindigkeit, Effizienz und Produktivität lag, während Roboter zukünftig an ihrer Adaptionsfähigkeit und Flexibilität vor allem im Hinblick auf maßgeschneiderte Erzeugnisse gemessen werden", kommentiert PwC.

Was verändert sich durch die neuen Roboter? Laut PwC erwarten die Befragten vor allem Auswirkungen auf die Qualifikation der Belegschaft.
Foto: PwC

Die Analysten haben dabei insbesondere neue Möglichkeiten im Zusammenwirken von Robotern mit 3D-Druck und anderen Industrie 4.0-Anwendungen im Blick, die Smart Manufacturing-Konzepte Wirklichkeit werden lassen. Früher nicht denkbare Potenziale gebe es bei der Prozesssteuerung, der Überwachung von Abläufen und der Qualitätskontrolle. Auch Big Data Analytics schaffe zusätzliche Möglichkeiten.

Aufbau autarker Systeme wird möglich

Die Schlussfolgerung der PwC-Experten: "Zusammenfassend ermöglichen traditionelle, taktile oder optische Messsysteme in Verbindung mit den Möglichkeiten der Digitalisierung in der Fertigung sowie der Verwendung von Big Data Analytics den Aufbau von nahezu autarken Systemen, die sich kontinuierlich auf sich ändernde Rahmenbedingungen selbständig einstellen können und somit eine sehr hohe Flexibilität aufweisen, die wiederum den Einsatz bei Losgröße 1 wirtschaftlich zulässt."

Studie Digitalisierung im Gesundheitswesen

Klar wird hier eine Entwicklung, die weit über das Ersetzen einfacher Handlangertätigkeiten durch Roboter hinausgeht - ein Aspekt, der jenseits des Maschinenbaus in der Studie von Rochus Mummert Healthcare Consulting zur Gesundheitsbranche veranschaulicht wird. 380 Führungskräfte in deutschen Kliniken befragten die Berater für die Studie "Digitalisierung in der Gesundheitswirtschaft".

Roboter können besser operieren

Zwei Drittel der Befragten gehen davon aus, dass Roboter bald besser operieren können als Ärzte. 16 Prozent erwarten dies bereits für die kommenden fünf Jahre, weitere 20 Prozent halten einen Zeithorizont von zehn Jahren für realistisch. Derzeit stellen OP-Roboter Gewebe bei Prostata- oder Niereneingriffen dreidimensional dar und führen winzige Schnitte präzise aus; in naher Zukunft könnte ihre Tätigkeit über diese Assistenztätigkeiten hinausgehen.

Roboter in der Pflege noch Zukunftsmusik

Zurückhaltender schätzen die Befragten das Digitalisierungspotenzial in der Pflege ein. 37 Prozent denken zwar, dass Roboter künftig menschliche Pflegekräfte qualitativ ausstechen könnten. Mehrheitlich wird dies aber erst für eine fernere Zukunft erwartet. Ein hohes Potenzial für Digitalisierung und Automatisierung sehen 84 Prozent der Befragten in der Verwaltung, 75 Prozent in der Diagnostik und 57 Prozent in der stationären Versorgung.

Am wichtigsten sind Rentabilität und einfache Bedienbarkeit: die Voraussetzungen für eine funktionierende Mensch-Maschine-Kooperation laut PwC.
Foto: PwC

Studienleiter Hartmut Mueller bewertet insbesondere das Vertrauen der Krankenhäuser in die Möglichkeiten der Technik bei urologischen Operationen als positives Signal: "Diese Offenheit gegenüber 'Kollege Roboter' wird helfen, die Digitalisierung in der Gesundheitswirtschaft voranzutreiben."

Mitarbeiter müssen für Umgang mit Robotern qualifiziert werden

Eben jene Maschine-Mensch-Kooperation haben für den Maschinenbau auch die PwC-Experten analysiert. Die Anwender sehen mit 42 Prozent die Rentabilität als Voraussetzung. 41 Prozent nennen die einfache Bedienbarkeit der Roboter, 26 Prozent die Mitarbeiterqualifizierung. "Kurzum, die Betriebe brauchen nicht weniger, sondern im Umgang mit Automatisierungs- und Robotertechnologie besser qualifizierte Angestellte", so PwC.