Nach Übernahme-Gerüchten

So steht es um RIM und Blackberry

22.12.2011 von Moritz Jäger
Research in Motion steckt in der Krise - und sollte offenbar von Microsoft und Nokia gekauft werden. Eine Übersicht, wie das Unternehmen Ende 2011 dastand.

2011 war kein gutes Jahr für den kanadischen Hersteller der Blackberrys. Das Playbook-Tablet kam zwar auf den Markt, fehlende Funktionen und Apps sowie die starke Konkurrenz von Apple und Android machten es allerdings zum Ladenhüter. Auch das neue Betriebssystem Blackberry OS 10 kommt nicht wirklich voran. Ein mehrtägiger Ausfall der Blackberry-Infrastruktur brachte Co-CEO Mike Lazaridis in Erklärungsnot. Wie also steht es um den Mobilfunkkonzern, dessen Produkte früher als Synonym für mobile E-Mail galten? Wir nehmen uns der wichtigsten Fragen an und liefern Einschätzungen und Hintergrundinformationen.

Geht RIM pleite?

Sieht man sich den Kurs der RIM-Aktie für das vergangene Jahr an, gibt das wenig Hoffnung. Der Kurs ging stark nach unten, aktuell liegt die Aktie bei 12,55. Zum Vergleich - Apples Aktien handeln aktuell mit 393,90. Geht man also nur vom Kurs aus, so könnte man RIM auf dem Weg in die Insolvenz sehen. Anderseits ist der Aktienkurs nicht alles. RIM verfügt über ein stabiles Geschäft. Außerdem ist der Konzern seit mehr als zehn Jahren aktiv, in dieser Zeit konnte sich der Konzern zahlreiche Patente rund um mobile Kommunikation sichern. Allein diese dürften einiges wert sein, wie man etwa bei der 9,3-Milliarden-Euro-Übernahme von Motorola durch Google gesehen hat.

RIM plant zudem einige Investitionen in den Werbemarkt. In einer Telefonkonferenz kündigte Co-CEO Jim Balsillie "umfangreiche Werbemaßnahmen für 2012" an. Bleibt zu hoffen, dass diese auch greifen. Was man nicht vergessen darf: Auch Branchenliebling Apple wurde von Kritikern bereits mehrfach für tot erklärt. Noch 2003 lag der Aktienkurs von Apple deutlich unter dem aktuellen RIM-Kurs - vielleicht ein gutes Beispiel, dass man Firmen im IT-Bereich nicht nur nach ihrem Aktienkurs beurteilen sollte.

Blackberry Bold 9900
Blackberry Bold 9900
Der Bold 9900 - natürlich wird es auch ein QWERTZ-Keyboard geben.
Blackberry Bold 9900
Die Rückseite des Bold 9900.
Blackberry Bold 9900
Der Bold 9900.
Blackberry Bold 9900
Der Blackberry 9900 in der Frontansicht.
Blackberry Bold 9900
Vor allem am Design hat RIM kräftig gearbeitet.
Blackberry Bold 9900
Verglichen mit dem Bold 9700 gewinnt die Tastatur des Bold 9900 deutlich an Breite.
Blackberry Bold 9900
Der Bold 9900 im Vergleich mit dem Bold 9700.
Blackberry Bold 9900
Der Akku des Bold 9900, auf dem Deckel sind die Drähte für NFC verlegt.

Wird RIM von Microsoft, Amazon oder von Google übernommen?

Aktuell gehen Gerüchte durchs Web, nach denen sowohl Microsoft und Nokia „an RIM interessiert“ seien. Diese Meldungen dürften vor allem dem geringen Aktienkurs geschuldet sein, der eine Übernahme vergleichsweise günstig erscheinen lässt. Wie viel Wahrheit darin steckt, lässt sich schwer beurteilen. Übernahmegerüchte ranken sich immer wieder um RIM. So war laut einer Exklusivmeldung von Reuters auch Amazon an der RIM-Technik interessiert. Und CNN sieht beispielsweise Google als mögliche neue Heimat für RIM.

Setzt RIM künftig stärker auf Software?

Eine der interessantesten Übernahmen von RIM in diesem Jahr war wohl die Firma Ubitexx. Dieses Münchner Unternehmen produziert UbiSuite, einen Server, mit dem man Android und iPhones verwalten kann. Die nächste Ausgabe des BlackBerry Enterprise Servers soll diese Funktionen ebenfalls erhalten. Passenderweise nennt sich der nächste BES daher Mobile Fusion.

Was bedeutet das? Mit BlackBerry Mobile Fusion könnte RIM tatsächlich einen Hit landen. "Bring your own device", also der Einsatz von privaten Geräten im Unternehmen, ist ein deutlicher Trend, der sich in den nächsten Jahren noch verstärken wird. Eine einheitliche Verwaltungsoberfläche kommt Administrationsabteilungen daher durchaus gelegen.

Mistet RIM den Gerätekatalog aus?

Aktuell gibt es sechs verschiedene Gerätefamilien: Torch, Curve, Bold, Pearl, Storm und P‘9981. Unübersichtlich wird es, wenn man anfängt die einzelnen Geräte zu zählen: Insgesamt gibt es 17 verschiedene Blackberrys, die aktuell erhältlich sind. Das kann schnell verwirrend werden, vor allem da sich einige Modelle ähneln.

Der aktuelle Blackberry Torch 9860 beispielsweise setzt komplett auf einen Touchscreen - alle anderen Touchscreens gehören allerdings zur Storm-Familie. Gerüchteweise soll sich RIM gezielt gegen den Namen Storm entschieden haben, da sich die letzten Smartphones nicht gerade einen guten Ruf erwarben.

Playbook
BlackBerry Playbook
Die Front des Playbooks.
BlackBerry Playbook
Am oberen Ende ist die Frontkamera für Videotelefonie.
BlackBerry Playbook
Auf der Rückseite findet sich die zweite Kamera.
BlackBerry Playbook
Das BlackBerry Playbook.
BlackBerry Playbook
Die Porträtansicht - anders als in diesem Bild von RIM wechselt die Ansicht, sobald man das Gerät dreht.
BlackBerry Playbook
Am oberen Ende findet sich der Einschalter, die Multimedia-Tasten und die Buchse für Kopfhörer.
BlackBerry Playbook
Die Anschlüsse des Playbooks

BBX, BB10 - wann kommt das Betriebssystem?

In diesem Jahr gab es einige Namensverwirrungen um das nächste Betriebssystem. RIM will seine Smartphones künftig mit einem auf QNX basierenden Betriebssystem ausstatten. Das soll zahlreiche Vorteile bringen und den Konzern fit machen für künftige Technologien. Ursprünglich war der Name BBX für dieses Update vorgesehen. Allerdings hatte RIM eine Kleinigkeit übersehen: Eine andere Firma hatte sich bereits die Rechte an BBX gesichert und wollte auf diese scheinbar nicht verzichten.

Was ist mit BBOS 8 und 9? Scheinbar lässt sich RIM ein wenig Luft für den Umstieg. Kein schlechter Schachzug, die Kanadier haben den Umstieg eigentlich bereits für dieses Jahr geplant. Das System war allerdings noch nicht einsatzfähig, weswegen die aktuellen Geräte mit BlackBerry OS 7 arbeiten. Wie unsere Schwesterzeitschrift Computerwoche berichtet, wurde der Release von BlackBerry OS 10 bereits auf Ende 2012 verschoben.

Wie sieht die Zukunft der Playbooks aus?

Das RIM-Tablet, BlackBerry Playbook, hatte einen harten Start. Obwohl die Hardware durchaus ansprechend ist, wirkt die Software auch Monate nach dem Start noch immer unfertig. Auch nach den letzten Updates fehlen wichtige Funktionen, etwa ein E-Mail-Client, ein Kalender oder die versprochene Unterstützung für Android-Produkte.

Kommt da noch was? Playbook-Nutzer können sich auf eigene Gefahr bereits die nächste Version der Software installieren. Auch diese bringt aber noch keine lokalen E-Mail-Client oder einen Kalender mit - zumindest theoretisch kann man aber bereits Android-Apps verwenden. RIM hat bereits verschiedene lokale Apps gezeigt, bleibt zu hoffen, dass der Konzern seine Versprechungen auch einhalten und zeitnah liefern kann.

Was hat es mit dem Jailbreak für Playbooks auf sich?

Anfang Dezember ist so etwas wie der Super GAU für RIM passiert: Ein Hacker fand einen Weg, wie er die Sicherheitssperren des BlackBerry Playbook umgehen konnte. Dadurch wird es möglich, Programme und sogar alternative Betriebssysteme aufzuspielen. Für RIM ist das ein herber Schlag ins Gesicht, galt das BlackBerry-System doch bislang als sicher vor solchen Attacken. In aller Fairness muss man zugestehen, dass die Dingleberry genannte Attacke nur mit einer Vorabversion des Playbook OS 2.0 funktioniert, die Smartphones sind (aktuell) noch vor der Attacke geschützt. Allerdings dürfte das RIMs Pläne für den schnellen Umzug auf BlackBerry OS 10 einen Dämpfer versetzen.

Was bedeutet das: Ein Root-Zugriff hebelt wichtige Schutzfunktionen des Betriebssystems aus. RIM ist aber in guter Gesellschaft, Hacker haben iOS, Android und sogar Windows Phone 7 schon längst geknackt. Die Frage ist, wie der Konzern damit umgehen wird. Folgt der dem Model von Apple, wird sich ein Wettlauf zwischen Hackern und Hersteller entwickeln, letzterer wird versuchen, bekannte Lücken zu schließen, während die Entwickler ständig nach neuen Schwachstellen Ausschau halten können. Cleverer wäre es, den Weg von Microsoft zu wählen. Als Windows Phone 7 geknackt wurde, wurde der Konzern aktiv und bat den Hacker, die Information ein wenig zurückzuhalten. Im Gegenzug konnte der Hacker Vorschläge für künftige Funktionen einbringen.

Fazit

Für Research in Motion geht ein hartes Jahr zu Ende. Marktanteile und Aktienkurs sind massiv eingebrochen, die Konkurrenz aus Android und iOS setzt den Kanadiern stark zu. Dennoch zeigt RIM durchaus, dass sie Geräte und Software auf den Markt bringen können, die es mit den Mitbewerbern aufnehmen können - aktuelle Beispiele sind etwa der sehr gute Blackberry Bold 9900 sowie der Torch 9860.

Bleibt also zu hoffen, dass die Verantwortlichen bei RIM dieses Jahr als Warnschuss verstehen und gründliche Änderungen vornehmen. Denn vielen Geschäftskunden, die früher zwangsläufig zu Blackberry-Produkten greifen mussten, stehen inzwischen zahlreiche Alternativen zur Verfügung. RIM muss sich im Markt beweisen - der Konzern hat dazu aber durchaus das Potenzial.