Studie des Fraunhofer-Instituts

Stammdatenmanagement in sechs Schritten

05.10.2009 von Werner Kurzlechner
Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) hat Stammdatenmanagement-Lösungen verglichen und darüber hinaus einen Leitfaden zur Implementierung einer integrierten Datenverwaltung erstellt.

Sechs auf dem deutschen Markt erhältliche Stammdatenmanagement-Systeme hat das IAO unter 45 Aspekten verglichen, einen eindeutigen Sieger aber nicht gefunden. "Es kann kein objektiv bestes System für alle Anforderungen geben", so Verfasser Jochen Kokemüller. "Hierfür sind die Anforderungen und der Markt zu heterogen." Getestet hat das Institut auch nach Kriterien, die inzwischen längst Standard sind. Bei der syntaktischen Transformation etwa, durch die Daten in eine einheitliche Form gebracht werden, verfügen alle sechs Systeme über die relevanten Techniken. In anderen Bereichen ragten unterschiedliche Systeme heraus, etwa Oracle Customer Hub bei der Benutzerverwaltung und Authentifizierung. Alles in allem hängt es von den Zielen im Unternehmen ab, welche Lösung am besten geeignet ist. Kokemüller rät, ein detailliertes Lasten- und Pflichtenheft als Entscheidungsgrundlage zu erstellen.

Varianten der Stammdatenverwaltung
Verwaltung nach dem Peer-to-Peer-Prinzip
An Bedeutung gewinnt auch beim Stammdatenmanagement das Peer-To-Peer-Prinzip (P2P). Bestimmte Kopfdaten sind dabei zentral abgespeichert, die eigentliche Datenlast tauschen die Partner untereinander aus. P2P ermöglicht größtmögliche Autonomie, den Systemen wird also nicht vorgeschrieben, wie sie sich verhalten sollen. Für die Harmonisierung der Kommunikation sorgt eine semantische Standardisierung, die durch Adapter von den Systemen abgekapselt werden kann.
Zentrale Stammdatenverwaltung
Dagegen ist eine zentrale Stammdatenverwaltung ein Musterbeispiel an Harmonisierung. Im Kern handelt es sich um eine Datenbank, in der alle Stammdaten gespeichert werden. Die Integrationsstufe ist sehr hoch, der Weg dorthin aber mitunter steinig.
Verwaltung anhand "führender" Systeme
Stammdaten können auf unterschiedlichste Weise verwaltet werden. Eine gebräuchliche Variante macht einzelne Systeme für bestimmte Daten verantwortlich. Das CRM-System kann etwa „führend“ für die Kundendaten sein, das ERP-System für die Produktdaten. Die Fachanwender greifen jeweils auf die Informationen der führenden Systeme zurück und leiten Änderungswünsche dorthin. Der Nachteil: Die Harmonisierung der Daten ist suboptimal.
Verzeichnis mit Referenzen auf Stammdaten
Eine Option ist auch ein Verzeichnis, das Referenzen auf die Datensätze enthält. Die Datensätze verbleiben dabei in ihren alten Systemen. Auch hier ist eine Datenharmonisierung nur bedingt möglich. Es gibt keine Gewähr dafür, dass nur eine Version eines Datensatzes existiert.

Indes lässt das IAO keinen Zweifel an der Bedeutung von Stammdatenmanagement. Spätestens wenn in heterogenen IT-Landschaften die einheitliche Sicht etwa auf Kunden- und Produktdaten verloren geht, sei Handeln geboten. Ansonsten drohten Schreckensszenarien - beispielsweise, dass ein Unternehmen nicht mehr in der Lage ist, eine belastbare Aussage über seine Liquidität zu treffen. Oder dass die Mitarbeiter keinen Überblick mehr haben, ob ihre Kollegen schon Kontakt mit bestimmten Kunden aufgenommen haben. Praktischerweise liefert das Institut gleich einen Leitfaden mit, wie sich in sechs Schritten ein zentrales Stammdatenmanagement aufbauen lässt.

Schritt 1: Datenanalyse

Zunächst gilt es den vorhandenen Datenbestand zu analysieren und zu bestimmen, bei welchen Daten in den unterschiedlichen Systemen es sich tatsächlich um Stammdaten handelt. Also um Daten, die sich eher selten ändern und die als Basis für Bewegungsdaten wie Angebote, Bestellungen oder Rechnungen dienen. Um eine triviale Arbeit handelt es sich bei der Analyse keineswegs, denn hinter gleich lautenden Begriffen können sich unterschiedlichste Dinge verbergen. So kann in dem einen System mit "Produkt" ein Endprodukt gemeint sein, in einer anderen Quelle hingegen ein Rohstoff für die Fertigung. Mit der Datenanalyse geht der Aufbau eines zentralen Metadatenmanagements einher, in dem Herkunft und Qualität der genutzten Daten verortet werden.

Schritt 2: Datenmodell

Nun kann ein Datenmodell entwickelt werden, in das sich die lokalen Schemata integrieren lassen. Als Vorbereitung dazu ist festzulegen, welche Schemata in welcher Reihenfolge integriert werden sollen. Die Schemata müssen noch einmal miteinander verglichen werden. Widersprüche und Unklarheiten werden durch eine Schemaangleichung beseitigt. Schließlich gelangt man mittels einer Schemafusion zu einem globalen Schema.

Schritt 3: Datenqualität

Nach der Beschreibung der Datenstrukturen liegt das Augenmerk auf der Verbesserung der Datenqualität. Das IAO empfiehlt, dabei mehrere Methoden anzuwenden. Eine statistische Analyse zeigt beispielsweise unnatürliche Häufungen auf. So lassen sich unter anderem auch Mitarbeiter entlarven, die aus Faulheit oder Desinteresse einfach die erste Option einer Liste anklicken. Daneben sollten auch Permutationen in den Datensätzen bereinigt werden. Damit sind verschiedene Schreibweisen für identische Daten gemeint - etwa "Horst Müller" und "Müller, Horst". Ferner bietet sich ein Abgleich mit externen Datenbanken an. So lässt sich unter anderem feststellen, ob Postleitzahl und andere Adressdaten übereinstimmen.

Schritt 4: Datenintegration

Nun werden die zuvor harmonisierten Daten zentral zusammengeführt. Gefragt seien in diesem Schritt "viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl", schreibt Kokemüller. Zu entscheiden ist, welche Daten tatsächlich als Stammdaten konsolidiert werden sollen, und welche besser in ihren Systemen wie Customer Relationship Management (CRM) oder Enterprise Resource Planning (ERP) verbleiben. Das IAO nennt zwar Attribute wie Steueridentifikationsnummer oder den EAN Produktcode, die sich für eine zentrale Integration in der Regel eignen. Aber schon die Frage, ob identische Produkte unterschiedlicher Lieferanten zusammengefasst werden sollen, muss jedes Unternehmen für sich bewerten. Tunlichst sei darauf zu achten, personenbezogene Daten und Login-Daten nicht zusammenzuführen - schon aus datenschutzrechtlichen Gründen. Mit der Integration aller Daten in der Stammdatenverwaltung geht auch die technische Integration der zentralen Daten in die Fachanwendungen einher. Wie dies geschieht, hängt von der IT-Architektur ab. Die Migration auf ein Stammdatensystem bei laufendem Betrieb sei in jedem Fall ein schwieriges Unterfangen, warnt das Institut.

Schritt 5: Datenanreicherung

Jetzt ist eine einheitliche Datenbasis geschaffen, die aber noch optimierbar ist. Das IAO rät deshalb zum Abgleich der Daten mit externen Listen, um die Datenqualität noch einmal zu erhöhen. Ein Beispiel dafür sind zum Beispiel Schufa-Abfragen, die wertvolle Informationen über die Kreditwürdigkeit liefern.

Schritt 6: Datenkontrolle

Der Aufbau einer zentralen Stammdatenverwaltung ist jetzt im Grunde abgeschlossen. Es beginnt der anhaltende Prozess der Kontrolle. "In diesem letzten wichtigen Schritt geht es darum, die Datenqualität im Prozess der Datenänderungen zu verankern", heißt es in der Studie. Eine recht einfache Möglichkeit ist es, bei jedem Schreibzugriff prüfen zu lassen, ob Qualitätsstandards durch die Änderung berührt sind. Das wäre Aufgabe der Anwender, die schnell genervt sein könnten - und am Ende gar nichts mehr einpflegen. Eleganter ist die Nutzung von Services, die auffällige Objekte automatisch zurückgeben. Allerdings benötige diese Variante meist eine Anpassung der Fremdsysteme und sei mit hohem Integrationsaufwand verbunden, bemerkt das Fraunhofer-Institut. Eine dritte Möglichkeit ist schließlich die Einsetzung eines Datenqualitätsbeauftragten, der alleine Änderungen freigeben kann. Die dadurch bedingte Verzögerung nach einem Schreibzugriff könne zu Akzeptanzproblemen bei den Mitarbeitern führen, so das IAO. Es verhält sich hier also wie bei der Auswahl der technischen Lösungen - eine einzige beste Lösung gibt es nicht.

Die Studie "Stammdaten-Managementsysteme 2009. Eine Marktübersicht zu aktuellen Systemen" kann auf der IAO-Homepage kostenlos heruntergeladen werden.