Outsourcing

Think Tank: Outsourcing

24.04.2003 von Waldemar Pelz
Die spektakulären Vereinbarungen zur Auslagerung von Unternehmensaktivitäten zeigen den Trend an: In den nächsten fünf Jahren werden die Outsourcing Budgets deutscher Unternehmen um bis zu 50 Prozent wachsen. Durch die komplette Reorganisation der Wertschöpfungskette erhält die Ausgliederung zudem eine neue Qualität.

Einige spektakuläre Fälle der Ausgliederung von Unternehmensfunktionen haben dem Thema Outsourcing Auftrieb gegeben. Dazu gehören die Auslagerung des Personalmanagements von Prudential Financial und Bank of America an den Outsourcingdienstleister Exult oder die Produktion von Halbleiterscheiben für Infineon durch den chinesischen Auftragshersteller SMIC.

Nach einer Untersuchung des Institute of Management and Consulting Sciences von Professor Dietmar Fink werden die deutschen Outsourcingbudgets in den kommenden fünf Jahren um bis zu 50 Prozent wachsen. Rund drei Viertel der vom Institut befragen 200 Topmanager deutschsprachiger Unternehmen wollen mit Outsourcingprojekten Kapazitätsschwankungen auffangen und Zugang zu spezialisierten Ressourcen erlangen.

Transformationales Outsourcing

Die Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren verlief vom taktischen und kostenorientierten zum strategischen, auf Best Practices orientierten Outsourcing. Derzeit scheint als dritte Phase das so genannte transformationale Outsourcing anzubrechen. Bei diesem Geschäftsmodell wird die gesamte Wertschöpfungskette neu organisiert, um die Kompetenzen der besten externen Anbieter zur Lösung von Kundenproblemen optimal zu kombinieren. Das Unternehmen 3M praktiziert diese Fokussierung von Kompetenzen bereits seit Jahrzehnten mit Erfolg. Nun folgen andere Unternehmen.

Für diese Entwicklung sind im Wesentlichen zwei Trends verantwortlich: die Beschleunigung des Innovationstempos und wachsende Erfahrung mit dem Projektmanagement. Hinzu kommt das explosionsartig wachsende internationale Informationsangebot. Es ist heute - überspitzt formuliert - eine Angelegenheit von wenigen Klicks, um weltweit geeignete Anbieter spezieller Problemlösungen zu finden.

Ursprünglich wurde Projektmanagement in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Investitionen eingesetzt. Heute gehört es in Unternehmen wie Unilever, Aventis, HP, SAP oder IBM auch in anderen unternehmerischen Funktionen zum Standard. Es ist naheliegend, dieses Know-how auf die gesamte Wertschöpfungskette anzuwenden. Dadurch entsteht ein neues Geschäftsmodell, in dem ein internationales Netzwerk von Kompetenzen zur Problemlösung aufgebaut wird. Ansatzweise ist dies in der Automobilindustrie und in der chemischen und pharmazeutischen Industrie bereits verwirklicht.

Auftrieb bekommt transformationales Outsourcing durch negative Erfahrungen von Unternehmen mit Veränderungsprozessen (Change Management). Denn eingefahrene Routinen sind schwieriger zu verändern, als vielfach angenommen. Daher suchen Entscheider nach effizienteren Methoden, notwendige Veränderungen in Unternehmen durchzusetzen. Unterstützt wird diese Entwicklung durch die Erfahrungen von Firmen wie Cisco, Dell oder Amazon. Ohne die Kompetenzen externer Partner wären sie nicht so schnell gewachsen.

Motive

Andrew und Nada Kakabadse von der Cranfield School of Management haben im European Management Journal 20/2002 eine Entscheiderbefragung zu Outsourcing veröffentlicht. Welche Geschäftsprozesse und Funktionen sind am besten für eine Ausgliederung geeignet? Nach welchen Kriterien entscheiden sich Unternehmen für einen bestimmten Partner, den so genannten Outsourcing Provider? Wie ist die Zufriedenheit mit der Ausgliederung?

Befragt wurden 750 Unternehmen in Europa und in den USA. Ein Ranking der Outsourcinggründe finden Sie in der Grafik. Best Practices und Kostendisziplin stehen an erster Stelle. Bei den bevorzugt ausgegliederten Arbeitsgebieten stehen die grundlegenden Dienstleistungen an erster Stelle.

Das weite Spektrum der ausgegliederten Bereiche zeigt, dass in der Praxis fast alle Unternehmensfunktionen Gegenstand eines Outsourcings sind. Das erklärt die zunehmende Popularität von Business Process Outsourcing (BPO). Dabei geht es um die Einbindung des jeweils besten Anbieters in allen Bereichen des Unternehmens. Mit anderen Worten: Die Unterscheidung in nicht ausgliederungsfähige Kernbereiche und ausgliederungsfähige Randbereiche scheint in den Hintergrund gerückt zu sein. Die Fähigkeit, eine Vielzahl von Partnern sinnvoll und effizient zu handhaben, entwickelt sich zur neuen Kernkompetenz, und diese heißt BPO.

Bei der Partnersuche achten die Unternehmen vor allem auf Erfahrungen und Branchenkenntnisse. Outsourcer wollen vom kumulierten Know-how des Outsourcingproviders profitieren. Das zweitwichtigste Kriterium sind Referenzen, gefolgt von der Spezialisierung auf bestimmte Nischen. Manche Unternehmen streben einen Mix von Outsourcingprovidern an. Das hat den Vorteil einer größeren Unabhängigkeit und eines weiteren Spezialisierungsfelds.

Überwiegend zufrieden

In der Wirtschaftspresse dominieren negative Meldungen über Outsourcingerfahrungen. Häufige Beschwerden sind: Vertragliche Vereinbarungen werden nicht eingehalten. Vorstellungen über Qualität und Kontrolle liegen weit auseinander. Unterschiedliche Unternehmenskulturen stören die persönlichen Beziehungen. Der Einfluss auf den Outsourcingprovider ist nach Vertragsabschluss gering. Die "tatsächlichen" Kosten sind höher, die Vorteile geringer als erwartet. Der Outsourcingprovider ist unflexibel.

Trotz dieser Probleme überwog nach der Cranfield-Studie die Zufriedenheit. Knapp 60 Prozent der befragten Unternehmen waren mit den Outsourcingprojekten "überwiegend zufrieden". Knapp 40 Prozent hatten "gemischte Ergebnisse" erzielt. Überwiegend unzufrieden waren lediglich 5 Prozent. Weiche Faktoren sind entscheidend für den Erfolg: Die "Chemie" muss stimmen. Entscheidungsträger sollten in der Verhandlungsund Umsetzungsphase auf den menschlichen Faktor achten: Vertrauen, Einfühlungsvermögen und authentisches Verhalten sind zu stärken.

Outsourcingentscheidung

Am Anfang steht die Analyse der Wertschöpfungskette im Unternehmen, in Funktionen und in einzelnen Prozessen. Die Analyse von Wertschöpfungsketten haben Dell, IKEA, Swatch und Ford/Mazda weltweit bekannt gemacht. So hat Ingvar Kamprad, Gründer von IKEA, die Teilprozesse "Möbelfertigung" und "Auslieferung durch eigene Möbelwagen" als größte Kostenblöcke an seine Kunden ausgegliedert und dadurch große Produktivitätsvorteile erzielt.

Erfahrungsgemäß kommen verschiedene Mitglieder der Geschäftsleitung zu unterschiedlichen Ergebnissen, wenn sie die nachhaltigen kritischen Erfolgsfaktoren nennen sollen. Schlüsselkunden oder wichtige Wettbewerber kommen zu wieder anderen Ergebnissen. Die Geschäftsleitung muss einen objektivierbaren Konsens herstellen und ihn gegebenenfalls von der Marktforschung prüfen lassen.

Der zweite Schritt umfasst die Analyse der (Teil-)Prozesse, die zu den kritischen Erfolgsfaktoren führen. Anschließend kommt die Suche nach Bewertung und Auswahl der "besten" Alternativen. Entscheidungsgrundlage der Entscheidungsfindung sind Produktivitäts- und Rentabilitätskennzahlen. Der tabellarische Fragebogen dient als Beispiel für branchenübergreifende Kennzahlen zur Bewertung von Geschäftsprozessen.

Dabei sind folgende kritische Erfolgsfaktoren unterstellt: Gewinnung von Neukunden (PR, Telemarketing, Kundenkontakte, Events und Werbung sind Kandidaten für das Outsourcing), Bindung von Stammkunden (Kundenbindungs- und Loyalitätsprogramme, Kundenbetreuung, Abwicklung von Reklamationen, Kundeninformation und Kundenzeitschrift kommen für eine Ausgliederung in Frage), Fertigung bzw. Leistungserstellung bei Dienstleistern sowie Logistik (komplette Fremdvergabe ist jeweils üblich).

In der zweiten Tabellenspalte sind Messgrössen aufgelistet, die zeigen, wie leistungsfähig die Organisation bei den Erfolgsfaktoren ist. Welches Niveau erreichen die Kennzahlen bei Eigenleistung? Zum Vergleich ist das Leistungsniveau bei Fremdvergabe zu bestimmen. Informationen dazu liefern Benchmarking oder Expertenteams. Eine weitere Möglichkeit ist die Auswertung von Angeboten potenzieller Outsourcingprovider.

Ein Hinweis zur praktischen Umsetzung: Bei der Durchführung von Projekten - von der Bestimmung der kritischen Erfolgsfaktoren über die Definition der Teilprozesse bis zur Ermittlung der Kennzahlen - haben sich interdisziplinär besetzte Teams von Experten als effizient erwiesen, die in moderierten Workshops zusammenarbeiten.

Der Auszug aus diesem Artikel wurde dem Managementkompass "Dienstleistungsfabrik" der Mummert Consulting AG und des F.A.Z.-Instituts entnommen. Der Managementkompass beleuchtet branchenübergreifend das Thema Dienstleistungsfabriken und Outsourcing von Geschäftsprozessen. Er ist unter www.mummert-consulting.de für 75 Euro zzgl. MwSt. erhältlich.