Diskussion um Technik-Kompetenz

Vom Sinn und Unsinn eines Projekt-Managers

11.03.2008 von Christiane Pütter
Wer heutzutage Projekt-Manager ist, hat üblicherweise keine Ahnung von Technik. Und wenn er dann ein IT-Projekt verantwortet, stiftet er bei Beteiligten wie Endnutzern bloß Verwirrung. So lauten die Thesen von IT-Berater Dean Meyer. Widerspruch erhält der streitbare Experte von Thomas Eberhard, Projekt-Manager bei Capgemini, und Bernhard Holtschke, Geschäftsführer im Bereich Technology Consulting bei Accenture.
Dean Meyer von der Analysten-Firma NDMA will Projekt-Manager vom Thron stoßen.

Meyers Vorzeige-Beispiel ist das Implementieren einer neuen Anwendung. Jede Menge Daten muss integriert werden, es braucht ein Web-Frontend, eine neue Plattform für das Management der Datenbanken, Dedicated Server, Mitarbeiterschulungen und so weiter. Ein komplexes Projekt also.

Typischerweise wird jetzt ein Projekt-Manager eingesetzt, der die Fäden in der Hand halten soll. Einige Unternehmen haben bereits ein Projekt-Management-Office eingerichtet, aus dem sich die IT in solchen Fällen bedienen soll. Wozu, ist Dean Meyer allerdings schleierhaft.

Meyer, selbst als IT-Berater tätig, geht mit der Kaste der Projekt-Manager hart ins Gericht. Seiner Meinung nach sorgen sie für Verwirrung statt für Ordnung. Die Belegschaft könne nicht mehr einschätzen, wer denn nun für die Anwendungen zuständig ist. Die Anwendungs-Entwicklung oder der Projekt-Manager? Oder hängt das vom Einzelfall ab? Wer ist für was verantwortlich?

Auch der beste Projekt-Management-Guru hat keine Ahnung von Anwendungs-Technik, so der streitbare Experte weiter. Daher sei er auch nicht qualifiziert, in technischen Fragen Entscheidungen zu treffen. Dass der Leiter einer Anwendungs-Entwicklung einem übergeordneten Projekt-Manager - gelinde gesagt - mit Skepsis begegnet, findet Dean Meyer nur logisch.

Die Konsequenz liegt für den Berater auf der Hand: Die Verantwortung muss da hin, wo sie hingehört - in diesem Fall in die Anwendungsentwicklung.

Dean Meyer vergleicht ein IT-Projekt mit der Fertigung eines Autos. In einem solchen Prozess gäbe es ja auch niemanden, der von Anfang bis Ende den Hut aufhat. Vielmehr wird der komplexe Vorgang in so viele Einzelabschnitte gegliedert wie nötig und hat jeweils einen eigenen Projekt Manager.

Drei einfache Regeln für das Gelingen von Projekten

So sollte es auch bei IT-Projekten gemacht werden, fordert der Berater. Aus seiner Sicht gibt es nur drei Regeln:

1. Jeder ist für seinen Bereich verantwortlich und mischt sich nirgendwo ein, wo er sich nicht auskennt.

2. Jeder Verantwortliche sucht so viele Zulieferer oder Unterauftragnehmer, wie er braucht.

3. Jeder steht für seine Produkte oder Services ein, egal, auf welcher Hierarchie-Ebene er sich befindet.

Für Dean Meyer geht es um zwei Prinzipien: Niemand trifft eine Vereinbarung für andere - und niemand trifft eine Vereinbarung, die er nicht einhalten kann.

Meyers Ansichten stoßen erwartungsgemäß auf Widerstand. Bernhard Holtschke, Geschäftsführer im Bereich Technology Consulting bei Accenture, sieht das ganz nüchtern: "Wer zum Beispiel beim Bau eines neuen Kraftwerks fordern würde, es solle keinen übergeordneten Projektverantwortlichen geben, der die unterschiedlichen Gewerke koordiniert und steuert, würde Lacher produzieren." IT-Projekte seien heute ähnlich komplex. "Manager großer IT-Projekte wären gut beraten, sich Projekt-Management-Fertigkeiten aus dem Anlagebau wie etwa die Earned-Value-Methode anzueignen und auf die IT anzuwenden", so Holtschke weiter.

Präzise Rollenbeschreibung verhindert Konflikte

Auch Thomas Eberhard, Projekt-Manager bei Capgemini, schüttelt über Dean Meyers Thesen den Kopf. Er stimmt Bernhard Holtschkes Argument von der Vielschichtigkeit zu: "Projekte aller Art sind mittlerweile so komplex geworden und müssen so zügig erledigt werden, dass es ohne einen übergeordneten Verantwortlichen schlicht nicht mehr geht."

Für Eberhard sind die Konflikte, die Dean Meyer anspricht, nicht in Stein gemeißelt. So etwas lasse sich verhindern, indem eine präzise Rollenbeschreibung über die Verantwortung und die Kompetenz ausgegeben wird, sagt er. "Dabei ermittelt der Projekt-Manager mit seinem Team die Beteiligten und Betroffenen und legt zum Beispiel fest, wer wann, wie oft und worüber zu informieren ist."

Immerhin: Dean Meyer will dem Projekt-Management-Office die Tür gar nicht ganz vor der Nase zuknallen. Denn dass das Zusammenspiel zwischen all den Teil-Verantwortlichen und Bereichsleitern nicht immer einfach ist, weiß er auch. Nur: Für den Berater sollten Projekt-Manager eben auch bloß ein Teil in der Kette sein und beitragen, was sie können - etwa Rat und Unterstützung für eine bessere Zusammenarbeit. Aber eben nicht den Hauptverantwortlichen für das Gesamt-Projekt spielen.

Jedes Orchester braucht einen Dirigenten

Capgemini-Projekt-Manager Thomas Eberhard ist damit nicht einverstanden - und bringt ein anschauliches Beispiel aus einer anderen Branche: "Ein guter Dirigent ist nicht unbedingt der beste Musiker. Das ist ja auch nicht sein Job. Vielmehr muss er dafür sorgen, dass die Abstimmung, die Einsätze und das Zusammenspiel stimmen."

Dean Meyer arbeitet seit rund 35 Jahren in der IT-Branche und ist als Coach und Berater tätig. Seine Firma NDMA führt außerdem Analysen durch oder bietet Schulungen an.