Kosten pro Funkchip sind noch zu hoch

Vom Strichcode zur Funklösung

23.03.2006 von Thomas Mach/CW.at
Nachdem lange Zeit über das Thema Radio Frequency Identification (RFID) hauptsächlich diskutiert wurde, dürfte es in diesem Jahr endlich zu dem lange erwarteten Durchbruch der Technologie kommen. Erst vor wenigen Tagen – im Rahmen der IT-Fachmesse CeBIT – zeigte etwa das Logistikunternehmen DHL gemeinsam mit IBM ein Pilotprojekt für die Nutzung von RFID. Dabei handelt es sich um das erste Ergebnis der DHL Innovation Initiative, an der neben IBM auch Intel, Philips und SAP beteiligt sind.

Ziel des in den USA unternommenen Piloten ist es, Warensendungen schneller erfassbar und über die gesamte Transportkette verfolgbar zu machen, so die Sprecher der Unternehmen DHL und IBM.

Im Rahmen des Vorhabens stattet DHL Retourenpakete mit Funk-Chips aus. An den neuralgischen Punkten der Transportkette, beispielsweise dort, wo die Pakete abgeholt und umgeladen werden, sowie am Ort der Kundenzustellung sind RFID-Lesegeräte platziert, die Ein- und Ausgang der Sendung verzeichnen. IBM verantwortet das Projekt-Management und die Integration der Systeme.

Wie die beiden Partner versichern, verringert die neue Technik die für einen Erfassungsvorgang notwendige Zeit um 90 Prozent. Fred Beljaars, Executive Vice-President Operations bei DHL Americas, betrachtet RFID als "eine der wichtigsten technologischen Neuerungen für die Zukunft des Supply Chain-Management". Die Technik habe das Potenzial, die globale Logistikkette zu revolutionieren.

Weichenstellung in Richtung RFID

Überhaupt konnten auf der Cebit die Zeichen der Weichenstellung in Richtung RFID-Jahr erkannt werden. Neben zahllosen Ausstellern, die ihre RFID-Lösungen präsentierten, setzte auch die Messe selbst ein Zeichen - und spendierte dem Thema einen eigenen Schwerpunkt.

Dabei präsentierte etwa das Handelsunternehmen Metro Group seine Variante der RFID-Technologie. "Wir wollen die Funktionsweise dieser Technologie veranschaulichen und zukunftsweisende Anwendungen gleichermaßen unterhaltsam wie informativ präsentieren", erläutert Geschäftsführer Gerd Wolfram. Mögliche Einsatzgebiete gebe es in stattlicher Anzahl. "Mit RFID-Chips gekennzeichnete Waren können auf kurze Entfernung kontaktlos per Funk identifiziert werden. Beliebtes Beispiel ist der Supermarkt, in dem der Kunde statt an der Kasse zu bezahlen einfach beim Verlassen seinen Warenkorb automatisch scannen und den entsprechenden Rechnungsbetrag abbuchen lässt", erklärt Wolfram. Jedoch sei der Handel noch weit davon entfernt, einzelne Artikel mit RFID-Chips zu versehen.

Der Handelsriese hatte bereits frühzeitig auf die neue Technik gesetzt und startete Ende 2004 ein Innovation-Center, um die konkrete Nutzung der Technik im alltäglichen Warengeschäft voranzutreiben. In seinem Future Store erprobt das Unternehmen indes neue Technologien im Supermarkt.

Auch Metro-Konkurrent Wal Mart setzt auf RFID. Und treibt den Einsatz der Technologie mit aller Macht voran. Bis zum Januar 2007 erwartet das Unternehmen, dass etwa 600 seiner Lieferanten ihre Ware mit RFID-Tags kennzeichnen und rund tausend Ladengeschäfte in der Lage sind, die auf den integrierten Chips abgelegten Informationen zu verarbeiten, erklärt Carolyn Walton, bei Wal Mart für Informationssysteme verantwortliche Vize-Präsidentin.

Akzeptanzprobleme sind überwunden

Die ersten Schritte auf dem RFID-Terrain machte Wal Mart vor etwa einem Jahr. Im Januar 2005 wurde die erste Pilotinstallation in einem Verteilzentrum in Dallas scharf geschaltet. Laut Walton rüsteten damals hundert Lieferanten ihre für das Distributionslager bestimmten Produkte mit RFID-Chips aus. Nach Presseberichten taten sich einige damit zunächst sehr schwer. Doch heute scheinen die Akzeptanzprobleme weitgehend überwunden zu sein. Mittlerweile seien rund 300 Zulieferer und fünf Distributionszentren beteiligt, und die so gekennzeichneten Paletten würden an etwa 500 Wal Mart-Niederlassungen ausgeliefert, sagt die IT-Chefin.

Laut Walton haben sich die bisherigen RFID-Investitionen für Wal Mart ausgezahlt - sogar ohne eine fundamentale Änderung der Prozesse. Die Technik habe konkrete Vorteile mit sich gebracht: Beispielsweise werde ein über Funk identifizierbarer Artikel im Fall, dass er einmal nicht mehr im Regal vorhanden sei, dreimal so schnell nachgefüllt wie ein anderer. Die Menge der Produkte, die von Hand ersetzt werden müssen, habe sich um zehn Prozent verringert.

Anwendungsbereiche gesucht und gefunden

Zudem versuche Wal Mart, die RFID-Technik auf neue Anwendungsbereiche zu übertragen. In der Proof of concept-Phase befände sich beispielsweise ein Projekt, in dem verderbliche Ware mit Sensor-Etiketten ausgestattet wird. Mit Hilfe dieser speziellen Tags kann Wal Mart beispielsweise nach verfolgen, wie lange eine Ladung Bananen unterwegs war. So ließe sich sicherstellen, dass die Früchte verkauft werden, solange sie gelb sind, denn überreife Bananen akzeptiert der Kunde - wenn überhaupt - nur gegen Preisnachlass.

Auf der Todo-Liste stehe in diesem Jahr auch ein Projekt, mit dem das Entladen von LKW effizienter gestaltet werden soll. Jedes Wal Markt-Fahrzeug befördert rund 7.000 Kisten. Sie auszupacken ist eine zeitraubende Aufgabe - und eine komplizierte, weil einige zeitkritische Artikel direkt in die Ladenregale geräumt werden müssen. "Hier könnte den Angestellten die Arbeit durch tragbare Devices erleichtert werden, die per RFID aus der Warenmasse die Produkte herausfischen, die besonders schnell in den Verkaufsraum gebracht werden müssen", sagt Carolyn Walton.

Um solche Szenarien erfolgreich umsetzen zu können, sei eine enge Zusammenarbeit mit den Handelspartnern notwendig. Wie Walton ergänzt, gelte das vor allem, wenn zeitkritische Artikel mit einer eigenen Promotions-Kampagne beworben werden. Die Tatsache, dass mit Hilfe der RFID-Technik die Verkäufe jedes Produkts und jedes Geschäfts ermittelbar seien, fordere Wal Mart geradezu heraus, sich mit den Partnern zusammenzusetzen und gemeinsam zu überlegen, wie die Ware am schnellsten an den Käufer gebracht werden könne.

RFID statt Satellit

Eine Lösung für Verkehrsbetriebe präsentiert indes Siemens Business Services (SBS). Das System nutzt zur Fahrzeugortung RFID-Chips statt der üblichen Satellitenfunktechnik. Haltestellen werden dafür mit Funk-Chips, Busse und Bahnen mit Lesegeräten ausgestattet. Fährt ein Fahrzeug in den Haltestellenbereich ein, liest es die Identifikationsnummer auf dem RFID-Chip berührungslos aus und gibt diese zusammen mit der Fahrtnummer, der Linie und der genauen Uhrzeit an die Betriebsleitzentrale weiter. Die Disponenten können von dort aus Fahrplan Änderungen ermitteln und diese sofort an die Fahrgäste, das Fahrpersonal oder an die elektronische Fahrplanauskunft weitergeben.

Das Angebot richtet sich laut SBS vor allem an kleinere Verkehrsverbünde, die sich die aufwändige Ortung via Satellit nicht leisten wollen. Der IT-Dienstleister betreibt bei Bedarf Machbarkeitsstudien für das System, analysiert die Wirtschaftlichkeit und übernimmt die Integration der einzelnen RFID-Komponenten sowie das Projekt-Management.

RFID in Logistik und Einzelhandel

Einen Boom an RFID-Lösungen prognostiziert auch SAP. Der Software-Konzern hegt eigenen Angaben zufolge keinen Zweifel daran, dass sich RFID in der Logistik und im Einzelhandel durchsetzen wird. "Wenn es darum geht, den Transport von Paletten durch einen Chip über die Lieferkette hinweg zu verfolgen, wird schon in fünf Jahren ein Großteil des Geschäfts mit Hilfe von RFID abgewickelt", sagt SAP-Vorstand Claus Heinrich. Das Unternehmen experimentiere seit Mitte der neunziger Jahre mit der als Nachfolger des Strichcodes gehandelten Technologie. Seit einigen Jahren biete SAP auch entsprechende Lösungen an. Die meisten Prozesse in der Unternehmens-Software mySAP ERP seien beispielsweise schon RFID-tauglich. "Wir haben eine Infrastruktur gebildet, bei der RFID-Lesegeräte genauso behandelt werden wie andere mobile Eingabegeräte". Allerdings brauchten Kunden in der Regel eine Komplettlösung.

"Wir liefern eigentlich Geschäftsmodelle für RFID. Viele Dinge reisen einmal um die ganze Welt, bevor sie beim Endverbraucher ankommen", erklärt Heinrich. "Wenn wir Standards bekommen wie in der Computertechnologie, wo jeder Computer eine eindeutige Adresse im weltweiten Datennetz hat, können wir mit Hilfe von RFID auch eindeutige Transaktionen durchführen. Rein konzeptionell ist es schon soweit."

Probleme mit den Chips

Mit EPC Global gebe es bereits einen weltweiten Standard. Probleme bereiteten noch die erforderlichen Richtlinien für Bandbreite und Sendefrequenzen. Zudem seien die Chips noch immer anfällig, etwa wenn sie mit Wasser in Berührung kommen. "Strichcode ist für mich RFID für Anfänger. Viele Produkte kosten weniger als einen Euro. Da muss man sich wirklich fragen, ob die Chips überall mit drauf sein sollen oder nur auf der Palette", sagt Heinrich.

Ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz von RFID sei der Fahrradhersteller Pacific Cycle. "Der gleiche Chip, der in China am Rahmen angebracht und zur Fertigungssteuerung benutzt wird, kann später dem Besitzer bei Diebstahl als eindeutiger Eigentumsbeweis dienen", erklärt der SAP-Vorstand. "RFID bringt großen Nutzwert in den Bereichen Sicherheit und Komfort. Stellen Sie sich nur einmal eine Waschmaschine mit RFID-Reader vor. Wenn die Kleidungsstücke mit Tags ausgezeichnet sind, wählt sie automatisch das richtige Programm."