Was ist Agilität?

14.09.2023 von Christiane Pütter
Der Begriff Agilität beschreibt sowohl ein methodisches Vorgehen als auch die Gestaltung der Firmenkultur. Ein Überblick.
Was ist Agilität? Unternehmen nutzen agile Methoden häufig, um schneller auf sich verändernde interne und externe Anforderungen reagieren zu können.
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Agilität gehört zu den meistzitierten Schlagworten in Zusammenhang mit Digitalisierung. Der Begriff umreißt die Fähigkeit, schnell auf volatile Märkte reagieren zu können und damit wettbewerbsfähiger und kundenorientierter zu werden. Mittlerweile ist eine Infrastruktur von agilen Methoden über Ratgeber bis hin zum agilen Coach entstanden. Agilität fällt oft im Zusammenhang mit Begriffen wie "Change", "iterativ" und "disruptiv".

Unternehmen können mit einzelnen agilen Projekten starten, ihre Erfahrungen bewerten und den Einsatz agiler Methoden dann skalieren. Wegen der Auswirkungen agilen Arbeitens auf die gesamte Firmenkultur wird auch von agiler Transformation gesprochen. Rollen, Prozesse und Funktionen ändern sich. Deren Notwendigkeit wird häufig mit dem Kürzel VUKA beschrieben: Unternehmen müssen in einer Welt bestehen, die durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz geprägt ist.

Agilität - Definition

Das Schlagwort Agilität bezeichnet zum einen die Fähigkeit eines Unternehmens (oder einer Organisation), schnell auf Veränderungen am Markt zu reagieren. Agile Unternehmen verhalten sich nicht reaktiv, sondern antizipieren Veränderungen und antworten aktiv darauf. Zum anderen umschreibt Agilität eine Arbeitsweise und Firmenkultur. Bekannte agile Methoden sind unter anderem Scrum, Kanban oder Design Thinking.

Agiles Arbeiten vermeidet starre Hierarchien und zielt auf schnelle Ergebnisse ab, die durch enge Abstimmung mit den (internen oder externen) Kunden kurzfristig und häufig verbessert werden. So bezeichnet das agile Framework Scrum beispielsweise nur drei Rollen:

Agilität - Herkunft

Früh etablierte sich Agilität in der Softwareentwicklung ("agile Development"). Neue Anwendungen sollen schneller als bisher einsatzbereit sein. Deshalb wird die Entwurfsphase möglichst kurz gehalten. Häufige Rücksprachen mit den Fachabteilungen sollen sicherstellen, dass bedarfsgenaue Lösungen entstehen. Mittlerweile arbeiten auch Non-IT-Abteilungen nach Methoden des agilen Projektmanagements. Das Wort Scrum, das auf Deutsch Gedränge heißt, kommt aus dem Rugby. Kanban stammt aus dem Japanischen und bedeutet ursprünglich Signalkarte.

Agilität - Vorgehen

Beispiel Scrum: Jeden Morgen trifft sich das Team zu einer Besprechung ("Daily Scrum"). Diese sollte nicht länger als eine Viertelstunde dauern. Die Arbeit wird in sogenannte Sprints von zwei bis vier Wochen Dauer aufgeteilt. Die Sprints umfassen Planning, Review und Retrospektive. Die Anforderungen an das Produkt, das entwickelt werden soll, sind in einem "Product Backlog" festgehalten. Dieses Backlog kann jederzeit weiterentwickelt werden.

Agilität - Verwechslungsgefahr

Weil Agilität darauf abzielt, die Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens zu steigern, besteht Verwechslungsgefahr mit dem Begriff Flexibilität. Darüber geht Agilität aber hinaus: während Flexibilität die grundsätzliche Fähigkeit zur Reaktion auf Veränderungen meint, will Agilität Veränderungen schon im Vorfeld wahrnehmen und sich aktiv darauf einstellen. Damit stellt Agilität auch mehr dar als nur eine höhere Geschwindigkeit.

Agilität - typische Fehler

Agile Methoden scheitern vor allem am "Faktor Mensch". Agilität verlangt allen Mitarbeitern Neues ab. Das mittlere Management muss Macht und Kontrolle abgeben. Sachbearbeiter können sich nicht mehr verstecken - ihr Ergebnis wird jeden Tag besprochen. Herrscht eine schlechte Fehlerkultur, kann agiles Arbeiten Ängste auslösen. Grundsätzlich gilt: Selbstorganisation fällt umso schwerer, je starrer und hierarchischer das Unternehmen bisher organisiert ist.

Warum agile Organisationen und Methoden effizienter sind
9 Gründe, weshalb agile Unternehmen ihr Business und Krisen besser meistern
Agile Methoden haben in vielen Unternehmen zwar schon Einzug gehalten, meist aber nur in Einzelbereichen wie zum Beispiel der IT. Eine Studie der Technologieberatung BearingPoint zeigt jedoch, dass Unternehmen mit einer durchgängig agilen Organisation sowie in der Unternehmenskultur verankertem agilen Mindset den Alltag und Krisen schneller und besser meistern. Gute Gründe für mehr Agilität.
Vereinfachte Prozesse
Agile Organisationen zeichnen sich durch hohe End-to-End-Prozessverantwortung, schlanke Prozesse, hohe Prozessautomatisierung und -standardisierung aus. Je leichtgewichtiger und standardisierter Prozesse sind, umso kosteneffizienter können Organisationen agieren.
Vereinfachte Steuerungslogik
Organisationen, die in Abhängigkeit von Prioritätsänderungen flexibler steuern können, sind in Krisenzeiten besser in der Lage, schnell auf geänderte Parameter zu reagieren.
Vereinfachte Organisationsstruktur
Agile Organisationen zeichnen sich dadurch aus, dass anhand der Wertschöpfungskette durchgängig verantwortliche, autonome und cross-funktionale Teams aufgebaut und Abteilungsgrenzen aufgelöst werden. In Krisenzeiten profitieren agile Organisationen durch bessere Zusammenarbeit über Teams, Abteilungen oder Business Units hinweg.
Höherer Innovationsgrad
Interdisziplinäre Teams wirken als Brutkasten für innovative Ideen und Ansätze. Außerdem verfügen agile Organisationen öfter über offene Ökosysteme und profitieren in Krisenzeiten von diesem Netzwerk.
Schnelle Reaktionsfähigkeit
Es gilt, die Krise als Chance zu sehen und Änderungen willkommen zu heißen. Strukturen und Prozesse wie agiles Portfolio Management oder Objektive and Key Results helfen kontinuierlich neu zu bewerten. Agile Organisationen arbeiten iterativ mit vielen Feedback-Schleifen und das ständige Hinterfragen und Reagieren auf Änderung ist Teil ihrer DNA.
Kundennähe und Kundenzentriertheit
Gerade in Krisenzeiten muss den Kundenbedürfnissen entsprechend noch zielgerichteter agiert werden. Schnelles Feedback ist hier extrem wertvoll. Als Organisation muss bewusst auch mit Teilprodukten auf den Markt zu gegangen werden, um etwaige Kundenwünsche oder Adaptionen früh genug berücksichtigen zu können.
Hohe Selbstorganisation und Teamwork
Teams, die es gewohnt sind, auch selbst Entscheidungen zu treffen, sind in Krisenzeiten flexibler und besser vorbereitet. Organisationen, deren Management sehr stark auf Selbstorganisation setzt und Entscheidungsbefugnisse weitgehend an die agilen Teams delegiert haben, sind schneller, was auch in Krisenzeiten ein immenser Vorteil ist.
Neuer Leadership-Stil
Führungskräfte sind in Krisenzeiten besonders gefordert und profitieren von Skills, die für agile Organisationen typisch sind. Eine starke und offene Kommunikation kann Sorgen und Unsicherheiten ausräumen und psychologische Sicherheit vermitteln. Führungskräfte, denen es gelingt, eine nachhaltige Fehlerkultur zu etablieren, fördern nicht nur das kontinuierliche Lernen, sondern sorgen auch dafür, dass Mitarbeiter bereit sind, Entscheidungen und Risiken zu treffen.
Technologie-Führerschaft
Agile Organisationen zeichnen sich durch eine Technologieführerschaft und den Einsatz moderner State-of-the-Art-Technologien aus. Organisationen, die bereits vor der Krise begonnen haben, ihre Kernsysteme auf eine Micro-Service-Architektur mit losen gekoppelten Services umzubauen und den Einsatz von Continuous-Integration-Systemen forciert haben, sind in der Lage, schneller und unabhängiger zu produzieren und kontinuierlich Releases zu veröffentlichen.

Agile Projekte brauchen eine Vision, die richtige Ausstattung, und die Rückendeckung von der Führungsriege. So ist es beispielsweise schwierig, agile Teams remote arbeiten zu lassen - die Idee hinter den Daily Scrums ist das persönliche Erscheinen. Agilität bedeutet einen entschiedenen Kulturwandel. Begrifflichkeiten wie "agiler Wasserfall" lassen aufhorchen: hier dürfte das Scheitern programmiert sein. Das Interesse an Ausbildungen zum agilen Coach mag ein Indiz dafür sein, dass das Problem erkannt ist und Entscheider Support beanspruchen.

Agilität - Beispiel Barmer

Ein gelungenes Beispiel für das Einbinden eines agilen Projekts liefert die Krankenkasse Barmer. Salopp formuliert: sie bietet ihren Versicherten "digitales Krankengeld".

Ausgangspunkt war das Wissen der Kasse um die psychische Belastung ihrer Kunden, wenn es um Fragen wie Krankengeld oder etwa auch Rehabilitationsmaßnahmen geht. Die Barmer schuf also einen Prozess, der den Kunden ermöglicht, Krankmeldungen in einer App hochzuladen und alle Schritte bis hin zur Auszahlung des Geldes digital nachzuverfolgen. Das Vorhaben gilt intern als Leuchtturm-Projekt für die weitere Digitalisierung. Die Leitung übernahm eine Stabsstelle namens Barmer.i. Deren Ziel: alle Mitarbeitenden weiterzubilden und agile Arbeitsmethoden in das Unternehmen zu integrieren.