Anreize und Benefits

Was lockt uns zurück ins Büro?

17.02.2023
Wie locken Unternehmen ihre Mitarbeiter zurück aus dem Homeoffice? Helfen Benefits wie Tickets für Bus und Bahn? Experten sagen: Für mehr Lust aufs Büro braucht es andere Anreize.
Kaffeepause mit Kollegen: Allein dafür lohnt es sich oft schon ins Büro zu fahren.
Foto: fizkes - shutterstock.com

Von vielen Bürobeschäftigten wird nach den Corona-Jahren erwartet, wieder in den Betrieb zu kommen. "Arbeitgeber wollen im Schnitt stärker zurück in die Präsenz als die Beschäftigten", sagt Bernd Fitzenberger, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, der dpa. "Führungskräfte müssen intensiv überlegen, wie sie die Arbeit im Büro attraktiv gestalten können." Denn: Bei den Beschäftigten bestehe weiterhin ein sehr großer Wunsch nach dem Arbeiten in den eigenen vier Wänden. "Viele Bewerberinnen und Bewerber machen Homeoffice sogar zu einem wichtigen Kriterium bei der Jobsuche", so Fitzenberger.

Ein Grund gegen das Büro: Im Schnitt sparen Beschäftigte in Deutschland über eine Stunde, wenn sie ihren Laptop zu Hause aufklappen und nicht in die Arbeit fahren. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie, die im Januar beim US-Wissenschaftsnetzwerk NBER veröffentlicht wurde. In Deutschland gaben für die Befragung mehr als 2.000 Beschäftigte in den Corona-Jahren 2021 und 2022 an, wie viele Minuten ihr Fahrtweg ins Büro dauern würde. Dann schlüsselten sie auf, wie sie die gewonnene Zeit stattdessen verbrachten.

Fahrtzeit löst sich in Lebenszeit auf

Die Studie wurde unter anderem unterstützt von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sowie dem Ifo-Institut in München. Gespart werden den Ergebnissen zufolge im Homeoffice pro Tag 65 Minuten. 20 Minuten der gewonnenen Zeit gehen demnach für zusätzliche Arbeit drauf, 10 Minuten für den Haushalt und 5 Minuten für Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen. Die meiste Zeit, rund 30 Minuten, nutzen die Deutschen für ihre Freizeit, etwa zum Lesen, Fernsehen oder für Sport im Freien.

Was braucht es also, damit Beschäftigte auf dieses Freizeitplus wieder verzichteten - und man wieder Lust aufs Büro bekommt? Gute Koordination, erklärt IAB-Direktor Fitzenberger. Chefs und Chefinnen müssten organisieren, wer eigentlich wann in den Betrieb kommt. "Wenn man im Büro doch nur wieder alleine ist und virtuelle Meetings mit Kollegen im Homeoffice hat, könnte das ernüchternd sein", sagt Fitzenberger. Einen festen Präsenztag in der Woche könnten Führungskräfte etwa mit sozialen Angeboten verbinden. "Das kann das gemeinsame Mittagessen sein oder ein aufgelockertes Team-Meeting." Nur so erreiche man eine "Präsenzrendite".

Mobiles Arbeiten hat sich bewährt

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) betont, dass das Arbeitsleben vieler Bürobeschäftigter zukünftig aus einer Kombination von Homeoffice und Büroarbeit bestehen wird. "86 Prozent aller Unternehmen, bei denen mobiles Arbeiten grundsätzlich möglich ist, wollen dies fortführen oder sogar noch ausbauen", teilte die BDA mit. Das trage zu persönlicher Jobzufriedenheit, aber auch zu Arbeitgeberattraktivität und Fachkräftegewinnung bei. "Dennoch bleibt der Betrieb oder das Büro ein zentraler Ort für persönlichen Austausch und kollaboratives Arbeiten."

Effizient Arbeiten im Home Office
Wie wird Arbeiten im Home Office effizient?
Unify gibt einige praktische Tipps, mit denen Mitarbeiter auch ihr Home Office möglichst produktiv gestalten können.
Grenzen setzen - auch zu Hause
Im eigenen Heim lauern zahlreiche Ablenkungen: Nicht abgespültes Geschirr, der Kühlschrank, Radio oder Fernseher üben ungeahnte Anziehungskräfte aus und stören die produktive Arbeit.
Ein festgelegter Arbeitsbereich, ...
... der vom übrigen Wohnraum abgetrennt ist, verhilft auch zu klaren Grenzen im Kopf. Die Gefahr der Ablenkung wird geringer.
Einen Fensterplatz buchen
Stress bremst die Produktivität. Ein Blick aus dem Fenster bietet Abwechslung, noch mehr wenn er direkt ins Grüne geht. Außerdem ist es für Bildschirmarbeiter sinnvoll, regelmäßig in die Ferne zu sehen, zumindest einige Meter hinter den Monitor.
Ein Fensterplatz ...
... verringert die Belastung der Augen und damit auch den Arbeitsstress. Tipp für alle, die keinen Platz am Fenster haben: Auch Zimmerpflanzen oder ein Zimmerbrunnen sorgen für entspannte Atmosphäre.
Mit Farben spielen
Farbe ist ein wichtiger Faktor für jeden Büroraum, egal ob in der Firma oder zu Hause. Farben beeinflussen die Stimmung wesentlich.
Neutrale Farben wirken beruhigend, ...
... während manche Orange- und Gelbtöne sogar das Hungergefühl fördern. Besonders zu empfehlen für eine produktive Arbeitsumgebung sind Zitronentöne, Pastellblau oder Cremefarben.
Auf einen ergonomischen Arbeitsplatz achten
Mitarbeiter können nur produktiv sein, wenn sie gesund sind und einen komfortablen Arbeitsplatz haben.
Das Büro zuhause ...
... soll auch nach ergonomischen Vorgaben eingerichtet werden, um gesund und leistungsfähig zu bleiben. Hier sind ebenfalls die Arbeitgeber gefragt: Sie sollten unbedingt dafür sorgen, dass alle ihre Mitarbeiter die nötigen Informationen zur Ergonomie am Arbeitsplatz bekommen.
Für Flexibilität sorgen
Auch wenn das Home Office seinen festen Platz in der Wohnung haben sollte: Stuhl und Schreibtisch festzuschrauben, hilft auch nicht weiter.
Dagegen fördert es die Kreativität ...
... gelegentlich die Position und damit den Blickwinkel auf die aktuelle Arbeit zu wechseln. Es ist ebenfalls hilfreich, Dinge neu sortieren zu können oder die Arbeit anders anzuordnen - dafür sollte auch im Home Office Platz sein.

Auch die Gewerkschaft Verdi plädiert dafür, das Büro wieder zu einem "sozialen Ort" zu machen. Dafür brauche es etwa neue Raumkonzepte, erklärt Verdi-Referent Christian Wille vom Fachbereich Innovation und Gute Arbeit. "Viele Beschäftigte sind aus den Büros geflohen, weil die Arbeitsbedingungen dort - etwa die Lautstärke, die Ausstattung, zu viele Aufgaben gleichzeitig - als negativ wahrgenommen wurden." Zu Hause habe man dann oft ungestörter arbeiten können. "Ohne die Arbeitsbedingungen in den Büros anzugehen, wird sich das Problem eher noch verschärfen, wenn die Leute wieder zurückkommen sollen", mahnt Wille. Neben Gruppenbüros und Meetingräumen müssten auch Einzelbüros, ruhige Rückzugsorte oder Telefonboxen angeboten werden.

Fertiges Abendessen für zu Hause mitnehmen

Neben modernen Büro-Umgebungen bemühen sich viele Unternehmen um weitere Benefits - etwa in der IT-Branche, in der besonders viele Menschen ins Homeoffice gewechselt sind. SAP bietet neben Büro-Events laut einer Unternehmenssprecherin etwa Kinderbetreuung und Sportmöglichkeiten an. Der IT-Dienstleister Bechtle stellt unter anderem einen Wäscheservice zur Verfügung. Und in der Kantine können Mitarbeiter ein fertiges Abendessen für zu Hause mitnehmen, so eine Sprecherin. Das soll "eine Zeitersparnis ermöglichen und somit Berufliches und Privates in Einklang bringen".

"Ich höre immer mal wieder die Forderung "Da muss der Arbeitgeber mir aber was bieten, dass ich wieder bereit bin, ins Büro zu kommen"", erzählt Susanne Böhlich, Professorin für Internationales Management an der IU Internationalen Hochschule in Bad Honnef. Sie glaube jedoch nicht, dass bestimmte Benefits ausreichen, um die Mitarbeitenden wieder ins Büro zu bekommen. "In unserer Euphorie für Homeoffice unterschätzen wir komplett, dass die Präsenz einen unglaublichen Wert hat."

Stattdessen plädiert Böhlich für Transparenz und Ehrlichkeit der Führungskräfte. "Den Mitarbeitern sollte verständlich sein, warum sie ins Büro kommen sollen, und den Prozess als fair empfinden", sagt die Professorin. Dafür müssten Führungskräfte aber klare und konsistente Regeln schaffen. "Und die Betroffenen sollten bei der Entscheidungsfindung mitreden dürfen", fordert Böhlich. "Nur dann bekommt man auch die Akzeptanz für die Rückkehr ins Büro." (dpa/rs)

Digitale Nähe bis ins Home Office
Digitale Nähe bis ins Home Office
Da beim verteilten Arbeiten die reale Distanz wächst und die digitale Nähe zunimmt, sind Vertrauen, Disziplin und die Pflege der Beziehungsebene unverzichtbare Pfeiler, um ortsungebundene Arbeit erfolgreich umzusetzen.
Dimensionen der Veränderung
Flexibles Arbeiten braucht neue Prozesse und Technologien. Dabei ist die kulturelle Dimension der Veränderungen, zu denen auch die Führungsprinzipien gehören, etwas in den Hintergrund getreten.
Was verändert sich konkret?
Verteiltes Arbeiten lässt sich nicht mit einem Wiki und Notebooks einführen – die notwendigen Veränderungen bilden eine große Herausforderung für Unternehmen.
Anja Wittenberger, Communardo:
"Die Pflege der Beziehungsebene spielt eine besonders wichtige Rolle, weil man sich beim verteilten Arbeiten nicht in die Augen schauen, die Hand schütteln und mal kurz Kaffee zusammen trinken kann."
Josephine Hofmann, Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation:
"Unternehmen müssen sich in Ballungszentren stärker um Mitarbeiter bemühen."