Kuschelkurs vorbei?

US-Konzerne schießen gegen Trumps Einreiseverbot

31.01.2017
Seit seinem Wahlsieg hat Donald Trump "Corporate America" mit scharfer und schriller Kritik vor sich hergetrieben. Die Konzerne hielten sich zurück, und es schien sogar, als ob sie vor dem Präsidenten kuschten. Doch nun gibt es erstmals richtig Gegenwind.
Hat Donald Trump den Bogen überspannt?
Hat Donald Trump den Bogen überspannt?
Foto: Joseph Sohm - shutterstock.com

Trotz der Kampfansagen gegen den Freihandel und heftiger Attacken gegen einzelne Konzerne gab es bei US-Unternehmen bisher kaum offenen Widerstand gegen den neuen Präsidenten. Das hat sich mit dem Einreiseverbot für Staatsangehörige aus sieben überwiegend muslimischen Ländern schlagartig geändert. Plötzlich hagelt es Kritik aus verschiedenen Richtungen. Ist Trumps Schonfrist abgelaufen?

"Das ist keine Politik, die wir unterstützen", versicherte Lloyd Blankfein, der Chef der mächtigen US-Investmentbank Goldman Sachs, den Mitarbeitern in der Nacht zum Montag. Die hausinterne Botschaft folgte auf ein Wochenende, das wegen Trumps umstrittenem Einreisebann im Zeichen von Chaos und Turbulenzen stand. Nicht nur an US-Flughäfen sorgte das Dekret für Ausnahmezustand, auch bei vielen ausländischen Angestellten von US-Unternehmen ist die Verunsicherung groß.

Er erkenne in Trumps Erlass ein potenzielles Risiko für die Firma, "insbesondere für einige unserer Leute und ihre Familien", sagte Blankfein. Wie andere große US-Geldhäuser hat Goldman Sachs eine bedeutende geschäftliche Basis im Mittleren Osten. Der Chef der Bank versprach betroffenen Mitarbeitern Unterstützung und konnte sich auch einen Seitenhieb gegen die Trump-Administration nicht verkneifen. "Verschieden zu sein, ist nicht optional", zitierte Blankfein aus den Prinzipien von Goldman Sachs. "Nun ist der richtige Zeitpunkt, sich auf diese Worte zu besinnen."

Zahlreiche weitere Top-Manager gingen auf Distanz zu Trumps Entscheidung - darunter Mark Zuckerberg von Facebook, Elon Musk von Tesla, Muhtar Kent von Coca-Cola, Jeff Immelt von General Electric, Jack Dorsey von Twitter, Sundar Pichai von Google, Reed Hastings von Netflix, Mike Parker von Nike, Howard Schultz von Starbucks, Brad Smith von Microsoft, Larry Fink von Blackrock, Tim Cook von Apple und etliche andere. Kein Wunder: Die US-Konzerne sind auf internationale Mitarbeiter angewiesen, Trumps Kurs ist schlecht für ihre Geschäfte.

Markieren die teilweise starken Reaktionen einen Wendepunkt im Verhältnis zwischen "Corporate America" und dem neuen Präsidenten? "Die Flitterwochen sind vorbei", kommentierte Alan Murray, der Chefredakteur des US-Wirtschaftsblatts "Fortune". In der Tat ist es das erste Mal, dass Trump richtig der Wind aus der heimischen Unternehmenswelt ins Gesicht bläst. Dass sogar Goldman Sachs sich in die Reihe der Kritiker stellt, spricht Bände. Trump hat vier ehemalige Banker der Finanzfirma, deren Aktienkurs nach seinem Wahlsieg zeitweise um 30 Prozent gestiegen war, in seiner Regierung.

Trotz mitunter heftiger Angriffe und Provokationen hatten sich US-Manager bislang nicht aus der Defensive getraut. Zur Erinnerung: Trump attackierte die größten US-Autobauer General Motors und Ford wegen ihrer Fabriken im benachbarten Niedriglohnland Mexiko ("Baut in den USA oder zahlt hohe Grenzsteuern!"). Den Rüstungsriesen Boeing und Lockheed Martin warf er Wucherpreise bei Regierungsaufträgen vor ("Kosten außer Kontrolle"). Die Konzerne reagierten diplomatisch. Teilweise so diplomatisch, dass es Kritik gab, sie würden kuschen.

Auch wenn sich viele US-Firmen weiterhin bedeckt halten, nimmt die Kritik zu. Selbst bei Ford, wo man Trumps Angriffe zuvor monatelang mehr oder weniger über sich ergehen lassen hatte, wurden am Montag andere Töne angeschlagen. "Respekt gegenüber allen Menschen ist ein Grundwert der Ford Motor Company, und wir sind stolz auf die Vielfalt unseres Unternehmens", schrieben die Konzernchefs Mark Fields und Bill Ford an die Belegschaft. "Darum unterstützen wir diese Politik und jede andere, die gegen unsere Unternehmenswerte geht, nicht."

Auch die Auswahl der vom Einreiseverbot betroffenen Länder sorgt für Unverständnis. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, aus denen die meisten der am Attentat auf die New Yorker Twin Tower am 11. September 2001 beteiligten Terroristen stammten, sind nicht auf der Liste. Länder, in denen Trump Geschäfte mache, blieben damit außen vor, stellten Kenner des Firmenreichs des US-Präsidenten rasch fest. "Das ist eine Verletzung der Verfassungsrechte. Wir sehen uns vor Gericht", twitterte Experte Norm Eisen von der Brookings Institution, der die Obama-Regierung in Ethikfragen beraten hatte. (dpa/rs)

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