Vergleich mit Management-Consultants

Darum sind IT-Berater billiger

16.09.2014 von Christiane Pütter
Klassische Management-Consultants engagieren sich zunehmend in der IT-Beratung. Warum ein IT-Consultant geringere Tagesätze verlangt und was er können muss, erläutert Lünendonk.

In seiner Studie "Managementberatung in Deutschland" erklärt der Berater Lünendonk aus Kaufbeuren, dass klassische Management-Consultants schon wegen der Digitalisierung zunehmend IT-Kompetenz brauchen. Was das in puncto neue Berufsfelder heißt, erklären Jonas Lünendonk, Geschäftsführender Gesellschafter von Lünendonk, und Mario Zillmann, Leiter Professional Services, im Gespräch mit cio.de.

Sie sagen, klassische Managementberater müssen sich IT-Kompetenz dazu holen. Sind genug Leute mit diesen Skills da? Was für Leute werden da gesucht - Wirtschaftsinformatiker? Oder doch lieber "reine" Informatiker mit Business-Verständnis?

Mario Zillmann: Da gibt es kein Schwarz oder Weiß. Der Bedarf hängt vom jeweiligen Unternehmen ab und davon, in welcher Branche es sich engagiert. Wer viele Kunden im Bereich Produktion oder Supply Chain berät, sucht vor allem Ingenieure und Wirtschaftswissenschaftler. Berater von Banken brauchen Mathematiker und Wirtschaftsmathematiker. Wobei wir allgemein beobachten, dass Mitarbeiter mit drei bis vier Jahren Berufserfahrung sehr viel begehrter sind als Juniors. In jedem Fall werden im Zuge der Digitalisierung von Mitarbeitern und Bewerbern viel stärker als bisher IT-Kenntnisse verlangt.

Jonas Lünendonk: Auf die Frage an Beratungsunternehmen, was ihr Geschäft derzeit am meisten behindert, fällt als Erstes die Antwort Fachkräftemangel. Aber das bezieht sich, wie gesagt, vor allem auf erfahrene Kräfte. "Juniors würden wir schon kriegen", diesen Satz hören wir oft.

Lünendonk über IT-Consultants und klassische Managementberater -
Die Beraterszene verändert sich
Wie die Consultants von Lünendonk, Kaufbeuren, feststellen, verändert sich die Beraterszene. Vormals klassische Managementberater engagieren sich zunehmend in der IT.
Jonas Lünendonk
Jonas Lünendonk ist Geschäftsführender Gesellschafter. Sein Rat an Informatiker, die sich eine Arbeit als Consultant vorstellen können: "Es ist etwas anderes, als Angestellter für ein Unternehmen Systeme zu entwickeln, oder als Berater beim Kunden zu arbeiten. Hier braucht man Soft Skills, vor allem gute kommunikative und analytische Fähigkeiten."
Mario Zillmann
Mario Zillmann ist Leiter Professional Services bei Lünendonk. Er sagt: "Die Fragen, die ein potenzieller IT-Berater beantworten können muss, lauten: Was bedeutet die Strategie meines Kunden für seine Geschäftsprozesse und wie bildet sich das in der IT ab? Welche Wechselwirkungen gibt es zwischen IT und Geschäftsprozessen?"
Unterschiedliche Tagessätze
Klassische Managementberater verlangen andere Tagessätze als IT-Berater. Meist sind die "Klassiker" teurer.
IT Sourcing
Mario Zillmann sieht Sourcing-Berater als wichtige externe Partner ihrer Kunden bei Sourcing-Entscheidungen – Tendenz steigend. "Insbesondere für technologisch komplexe IT-Services bis hin zum IT-Outsourcing werden ICT-Sourcing-Berater häufig in den Auswahlprozess sowie die Provider- und Projektsteuerung eingebunden", sagt er.

Universitäten und Fachhochschulen kommen diesem Marktbedürfnis also nach?

Jonas Lünendonk: Ich würde sagen, ja. Wichtig für Studierende ist es, unbedingt Praktika zu absolvieren, um erste Berufserfahrung zu sammeln und ins Ausland zu gehen.

Wo und wie rekrutieren die Beratungsfirmen dieses Personal?

Mario Zillmann: In erster Linie über Jobbörsen und Empfehlungen. Der Anteil von Social Media liegt bei der Rekrutierung dagegen bei weniger als fünf Prozent. Was nicht heißt, dass Social Media komplett verzichtbar wäre - im Sinne des Employer Branding sind Präsenzen bei Facebook und anderen sozialen Netzwerken durchaus empfehlenswert. Aber niemand bewirbt sich über Twitter.

Stichwort Berufserfahrung: Was können Sie jemandem raten, der beispielsweise seit 20 Jahren als Informatiker arbeitet und nun in die IT-Beratung wechseln möchte? Wie muss sich derjenige selbst "auf Herz und Nieren prüfen", um herauszufinden, ob das etwas für ihn ist?

Mario Zillmann: (lacht) Gut in sich hineinhören…

Jonas Lünendonk: Es ist etwas anderes, als Angestellter für ein Unternehmen Systeme zu entwickeln, oder als Berater beim Kunden zu arbeiten. Hier braucht man Soft Skills, vor allem gute kommunikative und analytische Fähigkeiten. Man muss dem Kunden erst einmal zuhören. Wer in einer Technikersprache redet und dem Kunden gleich mit einer fertigen Lösung kommt, wird wenig Erfolg haben.

IT-Profis brauchen Soft Skills -
Ohne Soft Skills geht gar nichts
Auch in der IT-Abteilung sind die so genannten "weichen" Eigenschaften heute wichtiger denn je. Welche Soft Skills IT-Profis neben ihrer fachlichen Qualifikation mitbringen sollten, haben wir neun CIOs gefragt.
Christian Ley, CIO von Brose:
"Für das erfolgreiche Umsetzen unserer immer komplexer werdenden IT-Projekte – gerade auch vor dem Hintergrund einer zunehmenden Internationalisierung – sind eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die Verfolgung gemeinsamer Ziele und eine offene Kommunikation das Maß aller Dinge ...
Kommunikationsfähigkeit
... Deshalb spielen Team- und Kommunikationsfähigkeit, strukturiertes Denken, ein hohes Qualitätsbewusstsein, Konfliktfähigkeit, soziale und teilweise auch interkulturelle Kompetenz eine große Rolle. Natürlich erwarte ich nicht von jedem meiner Mitarbeiter eine gleich starke Ausprägung dieser Soft Skills, das ist letztlich auch abhängig von der Aufgabe des Einzelnen ...
Kundenorientierung
... Von einem Mitarbeiter im ServiceDesk erwarte ich eher eine hohe Kundenorientierung, von einem Softwareentwickler strukturiertes Denken. Alle Mitglieder unserer Mannschaft sollten allerdings mit einem gesunden Maß an Pragmatismus ausgestattet sein."
Klaus Neumann, Bereichsleiter der KfW Bankengruppe:
"Welche Soft Skills IT-Profis heute brauchen – das kommt natürlich immer auch auf die Funktion, in der sie eingesetzt werden, an. An der Schnittstelle zum Kunden, also zum Anwender in unserem Fall, brauchen wir Leute, die offen und kommunikativ sind ...
Konfliktfähigkeit
... Wichtig sind für uns zudem Konfliktfähigkeit und eine lösungsorientierte Sicht. Kann jemand nicht mit Konflikten umgehen - und die gibt es immer - oder denkt einer nur in Problemen, dann ist er nicht der Richtige für die IT-Abteilung."
Für Christoph Böhm, bis 2015 CIO von Vodafone Deutschland, heute Senior Vice President bei SAP...
... ist ebenfalls die Kommunikationsfähigkeit wichtig: "Dies hilft den Mitarbeitern der IT einerseits dabei, die Anforderungen der Business Units als auch die Sprache der IT-Mitarbeiter zu verstehen und diese für die entsprechend andere Gruppe zu übersetzen. Dies ist eine Schlüsselkompetenz, da die Aufgaben einer modernen IT nicht nur darin bestehen, die Business Anforderungen in der IT abzubilden, sondern ebenfalls darin, mögliche Potenziale aus der IT an die Business Units zu kommunizieren, sodass sie nachvollziehen können, welche Auswirkungen und Chancen ein derartiger Schritt auf sie haben würde ...
Die Analytische Kompetenz ...
... ergänzt die Kommunikation, indem die Auswirkungen des Handelns transparent und nachvollziehbar werden ...
Teamfähigkeit
... Mitarbeiter in der IT arbeiten grundsätzlich in Teams, heute meist in gemischten internationalen Teams mit Beteiligung internationaler Partner oder Kollegen."
Günter Weinrauch, ehem. CIO des ADAC:
Zentrale Soft Skills sind für ihn neben Analyse- und Abstraktionsfähigkeiten sowie Kommunikations- und Überzeugungsfähigkeiten (weil auch die beste technische Lösung dem Anforderer "verkauft" werden muss) ...
... Engagement und Ownership:
... um perfekte Lösungen zu schaffen, muss man von seiner Arbeit begeistert sein. Reiner 'Dienst nach Vorschrift' ohne emotionales Engagement kann nie zu herausragenden Lösungen führen ...
Flexibilität
... weil Überraschungen doch immer wieder lauern, und Hindernisse am besten als Herausforderung gesehen werden sollten, nicht als Bremse."
Gilbert Riegel, Senior Project Manager M & A bei Siemens:
Für ihn ist die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel (Einfühlungsvermögen) besonders wichtig: "Das heißt die Fähigkeit, den Ansprechpartner an dem Punkt abzuholen, wo er vom Wissen (Prozesse / Technik) her steht, und ein Verständnis für die Rahmenbedingungen aber auch für die Handlungsperspektiven der Ansprechpartner zu entwickeln. Die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel reduziert Missverständnisse und potenzielle Widerstände ...
Vertrauen aufbauen
... Die Komplexität von IT-Projekten erfordert es, dass die unterschiedlichen Fachbereiche im Unternehmen Vertrauen in die Fähigkeiten der IT-Organisation und ihrer Mitarbeiter haben. Vertrauen entsteht nicht von alleine, sondern über persönliche Interaktion, das Einhalten von Zusagen und Terminen sowie durch die gemeinsame Durchführung erfolgreicher Projekte - also insgesamt positive Erfahrungen mit Personen und Prozessen ...
Selbstbewusstsein
... Die IT-Abteilung fühlt sich oftmals in der klassischen 'Underdog'-Rolle im Unternehmen wohl bzw. lässt sich dort hineindrängen. Um aber den Auftrag an eine moderne IT-Organisation erfüllen zu können, muss die IT aktiv und selbstbewusst mit den Business-Funktionen interagieren und darf sich nicht hinter Governance-Themen und technischer Komplexität verstecken. Das Bild der IT Organisation kann also nicht nur durch den IT Leiter / CIO und einige zentrale Führungskräfte vermittelt werden, sondern muss insbesondere durch die IT Mitarbeiter in Ihrer täglichen Arbeit transportiert werden ...
Analytische Fähigkeiten gepaart mit Neugierde
... Themen schnell erfassen und zu strukturieren ist eine wesentliche Fähigkeit, allerdings mit dem Fokus auf Lösungsorientierung statt Problemorientierung. Neugierde hilft neue Aspekte zu betrachten und so bei einem lösungsorientierten Vorgehen und damit auch Etabliertes zu hinterfragen."
Fähigkeit zur Selbstreflexion
Auch diese findet Riegel wichtig, "um aus dem Feedback anderer und den eigenen Erfahrungen Optimierungsmöglichkeiten für sich selbst und für die verantworteten Themen abzuleiten." Dadurch sei ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess möglich.
Dirk Müller, CIO von Franz Haniel & Cie. ...
findet die Bereitschaft, gelerntes Expertenwissen in Frage zu stellen und sich im Sinne von Innovation auf neue Themen einzulassen, wichtig. Sowie "Empathie und ...
Verhandlungsgeschick ...
... um mit Kunden und in zunehmenden Maße auch mit Lieferanten zielgerichtet, aber doch authentisch umgehen zu können. Beide Themen halte ich bei IT-Profis, die eher aus der Technikecke kommen, für die größte Herausforderung."
Christian Niederhagemann, CIO von KHS:
"Mehr und mehr entwickeln sich IT-Experten zum Sparringspartner für Fachabteilungen, für das Prozessmanagement und inzwischen vielfach auch für die Strategieabteilungen. Aus meiner Sicht sind es drei wesentliche Eigenschaften, die ein erfolgreicher Mitarbeiter in der IT hierzu insbesondere mitbringen muss: Moderationstalent, Empathie und die Bereitschaft, neue Wege gehen zu wollen."
Moderationstalent
Wenn beispielsweise zwischen Fachbereich, Prozessmanagement und den SAP-Profis eine intensive Diskussion entfacht, wie eine Businss-Anforderung elegant, schnell und ohne großen IT-Aufwand abgebildet werden kann, sind Moderatoren gefragt: "Mit Moderationstalent und dem Gespür für die Situation gelingt es in der Regel rasch, die Beteiligten wieder an den Tisch zurück zu holen und das Gespräch auf die Sache, nämlich das gemeinsame Unternehmensinteresse, zu lenken ...
Hochmut fehl am Platz
... In solchen Situationen ist kein Platz für Eitelkeiten und Eigeninteresse, es ist vielmehr Kreativität gefragt, auch einmal neue – eventuell sogar unkonventionelle – Wege zu gehen. Ich unterstütze meine Leute gezielt darin, im Rahmen definierter Leitplanken bewusst gegen den Strom zu denken. Wie häufig wurden nicht schon einfache und intelligente (IT-)Lösungen gefunden, sobald der Mut aufbracht wurde, die eingetretenen Pfade zu verlassen und gleichzeitig den Blickwinkel der beteiligten Parteien einzunehmen."
Hartmut Willebrand, CIO bei H. & J. Brueggen KG:
Er sagt, in der IT-Branche haben wer es überwiegend mit Persönlichkeitstypen zu tun, die in einer Welt der absoluten Abstraktion leben. "Daher neigen wir dazu, Wunschvorstellungen oder geradezu einen technischen Machbarkeitswahn zu haben, dass das, was wir theoretisch überlegt haben, auch genauso funktioniert. Oft fehlen die Anpassungsfähigkeit und das ausreichende Einkalkulieren der Realitäten. Denn das echte Leben ist und bleibt chaotisch, unvorhersehbar. Und die Menschen sowieso."
An Schwächen arbeiten
Willebrand plädiert dafür, die Fachkompetenzen um die "notwendigen humanen, sozialen Skills" zu vervollständigen. "Mit dem Mut, konstruktiv an unseren Schwächen zu arbeiten und unsere Stärken zu stärken, werden wir nachhaltig Erfolg haben."
Soft Skills im Gespräch abklopfen
Ob ein Bewerber die notwendigen Soft Skills mitbringt, erfährt man am besten im persönlichen Gespräch. Da sind sich die CIOs einig. Bewerbungsunterlagen wie Lebenslauf und Arbeitszeugnisse können zwar Hinweise liefern, aber reichen nicht aus.

Mario Zillmann: Zu einer Arbeit als Consultant gehören ja auch Akquise und Meetings mit Kunden. Man hat Vertriebsziele, hält Präsentationen und Work Shops. Das alles ist Informatikern nicht immer vertraut. Die Fragen, die ein potenzieller IT-Berater beantworten können muss, lauten: Was bedeutet die Strategie meines Kunden für seine Geschäftsprozesse und wie bildet sich das in der IT ab? Welche Wechselwirkungen gibt es zwischen IT und Geschäftsprozessen?

Jonas Lünendonk: Wer sich als Informatiker für eine beratende Tätigkeit interessiert, sollte sich fragen, ob er gerne gestaltet und managt. Wer lieber Unternehmensvorgaben ausführt, eignet sich weniger für die Beratung.

Warum verlangen klassische Managementberater einen höheren Tagessatz als IT-Consultants?

Jonas Lünendonk: Ich denke es kommt immer auf das konkrete Projekt und dessen Inhalt an. Bei eher umsetzungsnahen Tätigkeiten sind die Unterschiede geringer. Handelt es sich aber um die Entwicklung einer Strategie, sind höhere Tagessätze zu bezahlen. Auch der Architekt erhält mehr als der Baumeister.

Mario Zillmann: In der IT-Beratung können viele Bereiche einfach leichter nach Nearshore oder Offshore gegeben werden, weil sie mittlerweile standardisiert und industrialisiert sind. Das wird in der klassischen Managementberatung nie so sein.

Welche Themen stehen bei der Verschmelzung von klassischer Managementberatung und IT-Beratung im Vordergrund?

Mario Zillmann: Wir beobachten seit etwa drei bis vier Jahren eine sehr spannende Entwicklung. Wir sehen, wie sich beispielsweise KPMG und Ernst&Young verändert haben, heute sind das Wirtschaftsprüfungsunternehmen mit einem signifikanten Managementberatungsanteil. Dies ist ein aktuelles Beispiel, wie Beratungsgesellschaften sich wandeln und auf die Kundenanforderungen anpassen.

Was so neu nicht ist …

Mario Zillmann: Um die Jahrtausendwende haben sich einige wenige Dienstleistungskonzerne durch Fusionen und Übernahmen sowie durch den Aufbau von Kompetenzen geformt, die sowohl Geschäftsprozesse wie Supply Chain oder HR optimieren und durch Technologieeinsatz digitalisieren können als auch eine enorm hohe IT-Umsetzungskompetenz aufweisen. Lünendonk nennt diese Dienstleistungsgruppe Business Innovation/Transformation Partner. Beratungsgesellschaften wie Accenture, Capgemini, NTT Data oder Steria Mummert gehören zu diesem Typus. Treiber ist heute und künftig die Digitalisierung. Da wird sich in den kommenden fünf Jahren noch einiges tun.

Ihrer Beobachtung nach gilt das insbesondere für den Bereich IT-Sourcing?

Mario Zillmann: Sourcing-Berater sind seit Jahren wichtige externe Partner ihrer Kunden bei Sourcing-Entscheidungen - Tendenz steigend. Insbesondere für technologisch komplexe IT-Services bis hin zum IT-Outsourcing werden ICT-Sourcing-Berater häufig in den Auswahlprozess sowie die Provider- und Projektsteuerung eingebunden.

Jonas Lünendonk: Noch gibt es allerdings wenig valide Informationen über dieses Marktsegment. Wir erstellen daher in diesem Jahr erstmals eine Studie zum Thema ICT-Sourcing-Beratung. Die Analyse wird in Kürze vorliegen.