Digitalstrategie von Zeppelin Baumaschinen

Das Amazon der Bauindustrie

25.03.2019 von Rolf Röwekamp
Drei große Projekte sollen den Baumaschinenhändler Zeppelin in die digitale Zukunft führen: eine offene Vermietplattform, eine halboffene Kundenplattform und die „Digitale Baustelle“. Das Z Lab in Berlin führt Themen und Projekte konzernübergreifend zusammen.
  • Die Baubranche steht noch am Anfang der Digitalisierung, aber sie öffnet sich Schritt für Schritt.
  • Das Berliner Z Lab arbeitet konzernübergreifend an digitalen Geschäftsmodellen
  • Auf einer halboffenen Plattform will Zeppelin seinen Kunden künftig sämtliche Produkte und Services anbieten.
  • Auf der Digitalen Baustelle halten neue Technologien wie IoT und Blockchain Einzug.
Peter Gerstmann, CEO Zeppelin: "Man unterschätzt, wie enorm der Generationswechsel die Digitalisierung beschleunigt."
Foto: Zeppelin GmbH

Freitagabend, Jupp ruft noch spät an und möchte in der kommenden Woche einen Kettenbagger mieten. Kein Problem, das ist nichts Ungewöhnliches für den Münchner Baumaschinenhändler Zeppelin. Doch solche Anrufe wird es nicht mehr oft geben. Jupps 28-jähriger Sohn will nicht mehr telefonieren. Er will den Bagger einfach über eine App ordern. "Man unterschätzt, wie enorm der Generationswechsel die Digitalisierung beschleunigt", sagt Peter Gerstmann, CEO von Zeppelin.

Die Technik ermöglicht solche Veränderungen inzwischen, man muss sich aber darauf einlassen. Vor fünf Jahren hatte Gerstmann die Cloud noch aus Sicherheitsgründen kategorisch ausgeschlossen und stattdessen das eigene Rechenzentrum ausgebaut. Im vergangenen Jahr setzte sich dann aber die Einsicht durch, dass ein eigenes Rechenzentrum auf Dauer nicht mehr zu halten ist und der Weg in eine ­Hybrid Cloud führt. Der Wechsel der SAP-Plattform beschleunigte den Prozess: "HANA führt uns in die Cloud, mit der neuen Datenbanktechnik kann man nicht mehr in den Kategorien einer traditionellen IT denken", meint Gerstmann, der auch die Ressorts IT und Digital Business Management verantwortet.

Das Z Lab soll konzernübergreifend neue digitale Geschäftsmodelle entwickeln

Die Baubranche verhält sich in Sachen Digitalisierung eher konservativ. Doch sie öffnet sich langsam, aber sicher. Zeppelin hat bereits vor einigen Jahren ­begonnen zu modernisieren. Das betrifft alle fünf ­Geschäftseinheiten des Konzerns gleichermaßen: die ­beiden größten Bereiche Baumaschinen EU und Baumaschinen CIS (Osteuropa) sowie Rental (Vermietung und Services), Power Systems (Energie- und Antriebssysteme) und Anlagenbau. Zeppelin stellt selbst keine Baumaschinen her, sondern vertreibt hauptsächlich Modelle von Caterpillar.

Foto: Zeppelin GmbH

2016 kam endgültig Bewegung in den digitalen Aufbruch, als die sechste Geschäftseinheit Z Lab gegründet wurde. Sie soll konzernübergreifend neue digitale Geschäftsmodelle entwickeln. Der Entschluss, alle Digitalisierungsinitiativen im Konzern in einer strategischen Geschäftseinheit zu bündeln, entsprang der Erkenntnis, dass ein einfaches Innovation Lab, das wie ein Startup agiert, nicht ausreichen würde.

Vermietplattform Klickrent.de

Auf einem Strategietag im Jahr 2013 hatte sich Zeppelin in einem "Nightmare Competitor Scenario" gefragt: Was könnte das Geschäftsfeld Vermietung so gefährden und die Spielregeln am Markt so verändern, dass Zeppelin Rental aus dem Wettbewerb katapultiert würde? Rasch wurde klar, dass ein Wettbewerber oder Startup ganz schnell eine Vermietplattform für Baumaschinen hochziehen und den Markt ähnlich umkrempeln könnte, wie es Booking.com oder HRS.de mit der Hotelbranche gelang.

Wolfgang Hahnenberg, CEO Z Lab: "Man muss die Mitarbeiter beim Change-Management auf allen Ebenen mitnehmen – und zwar sofort."
Foto: Z Lab

Zeppelin Rental erhielt daraufhin die Aufgabe, ein digitales Sharing-Modell zu bauen, das das bisherige klassische Rental-Geschäft maximal disruptiv herausfordern könnte. Daraus ging Ende 2014 die Online-Plattform "Klickrent" für Baumaschinen hervor, die als unabhängiges Startup von Berlin aus ihren Betrieb aufnahm. Auf diesem Portal können auch andere Unternehmen und Wettbewerber ihre Maschinen zur Vermietung anbieten.

Das neue Z Lab in Berlin

Im Zuge der Entwicklung dieser Plattform ergaben sich jedoch immer mehr und weitergehende Themen rund um die Digitalisierung, so dass Zeppelin 2015 entschied, mehr zu unternehmen als nur dieses eine Start­up zu betreiben. Hinzu kam die Erkenntnis, dass die Anstrengungen zentral zusammengeführt werden mussten, wollte das Unternehmen Erfolg haben. Gerstmann berichtet: "Erst haben wir die digitale Transformation der bestehenden Geschäfte in den Unternehmensbereichen gelassen. Dann stellten wir aber fest, dass in vielen überlappenden Fragestellungen aneinander vorbei entwickelt wurde."

Daraus resultierte 2016 die Entscheidung, die Zeppelin Lab GmbH, kurz Z Lab, in Berlin zu gründen und Klickrent mit seinen agilen Teams zum Kern des Digitalunternehmens zu machen. Heute gliedert sich Z Lab in drei Bereiche: In "Free Venturing" arbeiten Teams an neuen Themen und kämpfen wie Startups um die nächste Finanzierungsrunde. "Strategic Venturing" fördert interne Startups mit vielversprechenden, gerne auch disruptiven Geschäftsmodellen. Und eine dritte Unit, "Digital Transformation", kümmert sich um die Digitalisierung des bestehenden Geschäfts.

Klassiche IT-Denke ablegen

Von Anfang an stand fest, dass das Z Lab eine unabhängige Einheit sein sollte. "Mit einem Lab als interner Abteilung wird man die klassische IT-Denke nicht los", fürchtet Gerstmann. In der Digitalisierung seien Mitarbeiter gefragt, die es gewohnt sind, mit Trial and Error, Sprints und einer Fehlerkultur umzugehen. Zudem manage ein externes Lab übergreifende Projekte besser und sorge als neutrale Instanz dafür, dass die gefundenen Lösungen für alle betroffenen Geschäftseinheiten akzeptabel sind.

Die Unternehmens- und IT-Fakten der Zeppelin GmbH.
Foto: cio.de

Mit der Gründung von Z Lab entschied sich Zeppelin für eine IT der zwei Geschwindigkeiten: Den digitalen Umbau verantwortet seitdem Wolfgang Hahnenberg, Vorsitzender der Geschäftsführung des Z Lab. Er arbeitet schon seit 16 Jahren für Zeppelin und kennt das Unternehmen somit gut von innen. Hahnenberg hat den Auftrag, den Wissenstransfer in den Konzern sicherzustellen. "Es ist spannend zu sehen, wie die Methodenkompetenz aus dem Lab jetzt immer stärker in die klassische IT einzieht", sagt der Z-Lab-Chef.

Auf Dauer soll die bimodale IT-Struktur aber wieder aufgehoben werden. Dann soll es einen CIO geben, der die Digitalisierung und einen leistungsstarken IT-Betrieb gleichermaßen verantworten wird. "Wir arbeiten gerade an einem Konzept, wie wir das langfristig umsetzen können", sagt CEO Gerstmann.

Neben dem Portal Klickrent arbeitet Z Lab aktuell an einer zentralen Plattform, auf der den Kunden sämtliche Produkte und Services aller Geschäftseinheiten zur Verfügung stehen sollen. Zeppelin spricht damit vor allem große Unternehmen an, zu denen vielfältige Geschäftsbeziehungen bestehen. So nutzen manche Kunden Baumaschinen von Zeppelin, betreiben Anlagen des Konzerns und beziehen Dienstleistungen im Logistikbereich.

Sie möchten nicht mit verschiedenen Ansprechpartnern zu tun haben, sondern sich auf einer zentralen Plattform orientieren und Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Mit einer neu entworfenen Website Zeppelin.com will der Konzern diese Anforderungen erfüllen. "Die digitale Welt unterscheidet nicht mehr nach Geschäftseinheiten", sagt Gerstmann.

Die zentrale Plattform schafft zudem Synergien und sorgt damit für mehr Effizienz. Zentrale Lösungen für Verkauf und Konfiguration stehen nun einmal bereit, das Rad muss nicht von den Geschäftsbereichen jedes Mal neu erfunden werden. Zudem greifen die Einheiten oft auf dieselben Kundendaten und Entwicklungsmodule zurück. Z Lab stellt nach und nach die Lösungen aus den Geschäftseinheiten auf die Plattform, passt sie an und macht sie allen zugänglich. Im Zuge dessen hatte Zeppelin auch beschlossen, alle Entwickler aus den Konzernbereichen ins Z Lab zu überführen und damit einer einheitlichen Führung zu unterstellen.

"Zeppelin.com soll das Amazon der Bauindustrie werden"

In Zukunft soll sich ein Kunde auf Zepplin.com einloggen und beispielsweise einen Radlader nach seinen Wünschen konfigurieren können. Daraufhin erhält er den Hinweis, dass es diese oder eine ähnliche Maschine auch gebraucht gebe und was sie zur Miete kosten würde. Je nachdem, wofür sich der Kunde entscheidet, lassen sich noch weiterführende Services anbieten. Das alles funktioniert, weil Zeppelin seine Kunden kennt und die entsprechenden Informationen auswerten kann.

Im Gegensatz zur völlig offenen Mietplattform Klickrent soll Zeppelin.com nur eine teiloffene Plattform werden mit ausgesuchten Partnern für komplementäre Produkte und Services. Wann sie online gehen soll, steht noch nicht fest, die Ambitionen sind aber groß: "Zeppelin.com soll das Amazon der Bauindustrie werden", formuliert Gerstmann seinen Anspruch.

Die Digitale Baustelle kommt

Nicht weniger sportlich mutet das dritte große Vorhaben an: Zeppelin will künftig mit Digitalisierungslösungen eine wichtigere Rolle auf den Baustellen spielen. Das fängt an mit dem Tracking von Maschinen und Kleingeräten. Gerade Letztere gehen auf großen Baustellen oft verloren. Versieht man etwa alle Bohrhämmer mit einem Tag, lässt sich schnell herausfinden, wo wie viele Bohrhämmer im Einsatz sind. Verlorenes Werkzeug lässt sich lokalisieren. Letztlich handelt es sich bei der Lösung um eine Art Asset-Management mit zugehörigen Software-Services.

Auch das Internet of Things (IoT) spielt auf Baustellen eine immer bedeutendere Rolle. Weil viele Geräte schon mit Sensoren ausgestattet sind, können Maschinendaten ausgelesen werden. So erhalten Bauarbeiter automatisiert Empfehlungen wie: Für deine aktuelle Arbeit kannst du die Maschine auch auf einer niedrigeren Stufe fahren und Kraftstoff sparen. Die Zugangskontrolle auf Baustellen funktioniert ebenfalls mit einer IoT-Lösung. Ein RFID-Tag identifiziert den Bauarbeiter und prüft, ob er eine Sozialversicherung besitzt. Anschließend zeigt das digitale Etikett an, ob sich die Person in ihrem Zielbereich aufhält und berechtigt ist, bestimmte Maschinen und Geräte zu benutzen.

Blockchain auf dem Bau

Sogar die Blockchain hat Einzug auf Baustellen gehalten. Die kommunizierenden Geräte und Maschinen kommen von verschiedenen Anbietern, die nicht unbedingt einverstanden sind, wenn Zeppelin in seinem Baustellen-Management-System alle Daten einsehen und auswerten kann. "Dafür haben wir das 'Elektronische Schloss' entwickelt, das alle Daten in eine Blockchain schreibt, wodurch sie anonymisiert werden", erläutert Hahnenberg.

Mit diesem E-Schlüssel können Zugänge zu Container-Anlagen und Schutzräumen gewährt, Zugangsrechte für bestimmte Zeitspannen vergeben und automatisiert Abrechnungen erstellt werden. "Das hätte auch eine andere Software gekonnt, aber Blockchain garantiert hier die Neutralität und Anonymität der Nutzer", so Hahnenberg. Einmal mehr zeige sich der Vorteil des Labs als externe Organisation, weil es die unterschiedlichen Einzelinteressen auf der Baustelle als neutrale Institution verwalte.

Foto: Zeppelin GmbH

Das Z Lab hat zwar einen neutralen, übergreifenden Blick über den Konzern, soll aber auch andere Unternehmenseinheiten davon überzeugen, bei Projekten wie Klickrent, Zeppelin.com und digitaler Baustelle mitzumachen. Alle im Unternehmen sollen Prozesse übergreifend und End-to-End denken und neue Arbeitsmethoden übernehmen.

"Disruptive Ansätze bedeuten immer einen Konflikt"

Wenn mit Klickrent eine herstellerunabhängige Vermietplattform aufgebaut wird, dann wehrt sich die bislang zuständige eigene Fachabteilung natürlich erst einmal. "Disruptive Ansätze bedeuten immer einen Konflikt", sagt Gerstmann illusionslos. "Deswegen muss das Lab besonders versiert beim Change-Management sein." Hahnenberg ergänzt: "Man muss die Mitarbeiter beim Change-Management auf allen Ebenen mitnehmen - und zwar sofort."

Wie aufgeschlossen die Kollegen gegenüber disruptiven Veränderungen sein würden, erkundete Zeppelin mit einem Digital Readiness Check. Die Ergebnisse seien ermutigend gewesen, berichtet Gerstmann. Er hatte mit größeren Widerständen gerechnet. Außerdem ließen sich mit der Umfrage Kritiker und mögliche Probleme gut identifizieren. Einmal identifizierte Ängste und Sorgen treiben meist auch andere Mitarbeiter um: Braucht man mich noch? Funktioniert das überhaupt? Warum machen wir das, es läuft doch auch so gut? Das sind doch alles nur Spielereien.

Berührungsängste gegenüber Digitalisierung abgebaut

Zeppelin wusste nun im Detail, welche Berührungsängste gegenüber der Digitalisierung, aber auch gegenüber anderen Einheiten und Kollegen es abzubauen galt. Also schuf der Konzern eine Social-Collaboration-Plattform, die nun intern für Transparenz sorgt und auch den internationalen Austausch stärkt. Außerdem informieren sich Mitarbeiter jetzt gegenseitig in Learning Communities darüber, was beispielsweise Scrum, Design Thinking oder Agile genau bedeutet.

Ebenso wurde ein digitales Ideen-Management aufgebaut, so dass nun jeder einen neuen Vorschlag sofort sehen und darauf reagieren kann. Vielfältige Fortbildungen für die Mitarbeiter begleiten die digitale Transformation. "Wir versuchen, möglichst viele von unseren fast 9000 Mitarbeitern zu erreichen. Bei allen wird es uns nicht gelingen", fürchtet Gerstmann. Aber er weiß auch, wenn Zeppelin den Weg der Digitalisierung nicht geht, dann werden andere den Konzern überholen.