CIO Christa Koenen

Deutsche Bahn-IT schafft Führungskräfte ab

27.06.2019 von Wolfgang Herrmann
Die Deutsche Bahn will schneller und agiler werden. CIO Christa Koenen bricht hierarchische Strukturen auf und positioniert den konzerneigenen IT-Dienstleister DB Systel als Sparringspartner für die Digitalisierung.
Christa Koenen, CIO der Deutsche Bahn: "Wir sollten nicht ständig erklären, was die IT tut, sondern was sie bewirkt."
Foto: Deutsche Bahn

"Wir schaffen die klassischen Führungskräfte ab", sagt Christa Koenen. Die Herausforderungen der Digitalisierung seien mit hergebrachten hierarchischen Strukturen nicht zu meistern. Das klingt nach einer Kampfansage, die nur dadurch relativiert wird, dass die Managerin damit zunächst "nur" die IT-Tochter der Deutschen Bahn AG, die DB Systel mit ihren rund 4500 Mitarbeitern, meint. Im April 2018 wurde Koenen CIO der Deutschen Bahn, die DB Systel führt sie seit knapp fünf Jahren. Die Digitalisierung, so betont die diplomierte Volkswirtin, laufe jedoch nicht isoliert ab, sondern ziehe sich durch das gesamte Unternehmen.

Kerngeschäft reicht nicht mehr

Um das Ausmaß der Veränderungen zu verstehen, hilft ein Blick auf die strategischen Ziele der Bahn. Das traditionelle Kerngeschäft rund um den Betrieb von Zügen, Bahnhöfen und Schienennetz reiche in Zeiten des digitalen Wandels nicht mehr aus, erläutert Koenen. Die Deutsche Bahn wolle sich zum "Broker für vernetzte Mobilitätsangebote" und zu einem "datenbasierten Service-Provider" für die Mobilitätsbranche entwickeln. Dafür müsse die IT die Voraussetzungen schaffen. Auch um die Qualität und Kapazität bei der Eisenbahn zu steigern, führe kein Weg an der IT vorbei.

Die Top-CIOs der Transportbranche
Bernd Rattey
Als Nachfolger von Christa Koenen übernahm Bernd Rattey Mitte November 2021 die Position des Konzern-CIO der Deutschen Bahn.
Christa Koenen
Seit 1. September 2021 ist die ehemalige Bahn-CIO Christa Koenen Digitalvorständin von DB Schenker. Sie ist Nachfolgerin von CIDO Markus Sontheimer.
Thomas Rückert
Seit Anfang 2021 ist Thomas Rückert für die IT Lufthansa Group verantwortlich. Er soll unter anderem die Airlines des Konzerns dabei unterstützen, kundenzentriert zu werden.
Dominik Fürste
Dominik Fürste (35) ist seit August 2017 CIO beim Europäischen Eisenbahnlogistikunternehmen TX Logistik AG. Als Mitglied der Vorstandssitzung verantwortet er die Transformation der TX zu einer digitalen Güterbahn. Dabei setzt er auf die gleichzeitige Betrachtung von Geschäftsprozessen und modernen IT Lösungen. Für die ganzheitliche Umsetzung der Transformation hat er ein agiles Portfolio- und Deliverymanagement auf Basis des Scaled Agile Framework etabliert. Fürste kam von der DB Cargo AG, wo er unter anderem die Sanierung der französischen Tochtergesellschaft begleitete und ein IT-Projekt des DB Konzerns zur Einführung eines Kapazitätsmanagementsystems für das Transportnetzwerk verantwortete.
Sabina Kusmin-Tyburski
Zum 1. Februar 2024 übernimmt Sabina Kusmin-Tyburski den CIO-Posten bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG).
Markus Sandbrink
Ende 2022 hat Markus Sandbrink, seit 2020 Leiter der Corporate IT der Rhenus-Gruppe, zusätzlich den CIO-Posten und damit die gruppenweite IT-Leitung des Logistikkonzerns übernommen.
Ralf Morawietz
Das Logistikspezialist Dachser hat mit Ralf Morawietz seit dem 1. Januar 2023 einen neuen IT-Leiter an Bord. Er folgt auf Stefan Selbach, der in Altersteilzeit ging.
Wolfgang Standhaft
Wolfgang Standhaft ist seit Januar 2019 CIO beim Flughafenbetreiber Fraport in Frankfurt/Main. Von 2006 bis Ende 2017 hat er für den Baustoffkonzern HeidelbergCement AG als CIO und Group Director Information Technology gearbeitet. Von 1998 bis 2005 war Standhaft Leiter Betriebswirtschaftliche Systeme Europa der Rewe KGaA, von 1995 bis 1998 arbeitete er als Berater bei der SAP AG.
Jasmin Kaiser
Seit Anfang Mai 2023 leitet Jasmin Kaiser die IT der Lufthansa Cargo. Sie kommt von der Lufthansa Group.
Isabelle Droll
Isabelle Droll ist CIO der TUI Airline. Seit Oktober 2021 ist sie zudem Group IT Director TUI Musement, Corporate und Sustainability.
Hugo Pluess
Hugo Pluess ist seit August 2019 CIO der Spedition Imperial Logistics International. Pluess ist damit für die gesamte IT-Landschaft aller Aktivitäten von Imperial Logistics International verantwortlich. Er war zuletzt Executive Vice President Global IT Infrastructure bei CEVA Logistics in der Schweiz.
Werner Toennessen
Als Geschäftsbereichsleiter IT ist Werner Toennessen der Chef über die Systemwelten der DER Touristik. Toennessen verantwortete als Bereichsleiter bereits seit 2010 die IT der DER Touristik Köln mit ihren Pauschalreiseveranstaltern ITS, Jahn Reisen und Tjaereborg. Er gilt als profunder Kenner der IT der touristischen Unternehmen des zweitgrößten deutschen Reiseveranstalters. Toennessen startete seine IT-Laufbahn 1987 in der EDV bei Meier’s Weltreisen.
Ralf Gernhold
Seit Oktober 2018 ist der Ex-Miles & More-CIO Ralf Gernhold technischer Programmleiter Vendo bei der DB Vertrieb GmbH. Vendo beschäftigt sich mit der Digitalisierung des Vertriebs und gehört zu den strategischen Projekten des Personenverkehrs der Deutschen Bahn.
Donya-Florence Amer
Donya-Florence Amer ist CIO und CHRO und die erste Frau im Vorstand von Hapag-Lloyd. Sie übernahm den Posten zum 1. Februar 2022. Amer folgte auf Martin Gnass.
Dirk Tietz
Die DER Touristik hat ihr Führungsteam um die neue Funktion des Chief Transformation Officer (CTO) erweitert. Dirk Tietz (40) ist seit Juli 2015 auch Mitglied des Executive Boards. Er trägt damit die Gesamtverantwortung für die Digitalisierung und für die Verzahnung der Einzelunternehmen.
Petra Clemens
Seit Februar 2022 ist Petra Clemens für die IT-Transformation beim Eisenbahn-Logistiker VTG zuständig. Sie bringt fundierte Expertise auch in Sachen Change Management mit.
Oliver Wittmaier
Oliver Wittmaier folgt auf Claudia Plattner, die bei der EZB eingestiegen ist. Er konzentriert sich auf skalierende Plattformen und Datenverfügbarkeit.
Arlene Bühler
DB Cargo hat mit Arlene Bühler eine neue Digitalisierungschefin. Anfang November 2021 übernahm Bühler die Funktion mit dem Titel IT and Digitalization, CIO/CDO. Der Logistik-Konzern hat diese Position neu geschaffen, um mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten.
Dorothea Brons
Seit Januar 2022 leitet Dorothea Brons als CIO die IT-Geschicke am Hamburg Airport. Sie ist zugleich Geschäftsführerin der IT-Tochter AIRSYS.
Frank Winkenwerder
Frank Winkenwerder ist seit Mitte Dezember 2014 Leiter des Zentralbereichs Informationssysteme der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Er war davor Leiter der Containerinformationssysteme bei HHCT, verantwortlich für die strategische Gestaltung der IT-Landschaft für das Segment Container. Von 1987 bis 2006 arbeitete Winkenwerder bei einem System- und Softwarehaus, seit 1999 als verantwortlicher Projektbereichsleiter für die Logistikbranche.
Michael Lütjann
Die Nagel-Group ernannte zum 1. Oktober 2019 Michael Lütjann zum Chief Information Officer (CIO). Er berichtet an den CEO der Nagel-Group Carsten Taucke. Zuletzt war Lütjann vier Jahre lang CIO bei Imperial Logistics International. Davor hat der 50-jährige fünf Jahre als Senior Vice President IT Management Logistics bei Schenker die globale IT Organisation verantwortet. Im Lauf seiner Karriere hat er zudem mehr als zwölf Jahre lang die IT der Fiege Gruppe in diversen Verantwortungsbereichen geprägt, zuletzt als CIO.
Bernhard Götze
Bernhard Götze ist seit Februar 2022 Vice President IT beim Kreuzfahrtanbieter AIDA Cruises in Rostock, der deutschen Niederlassung von Costa Crociere S.p.A.
Martin Kolbe
Martin Kolbe übernahm im November 2005 die CIO-Position beim Schweizer Logistikkonzern Kühne + Nagel. Zuvor arbeitete Kolbe bei der Deutschen Post World Net, wo er Bereichsvorstand und CIO der DHL Express Deutschland war.
Pieter Jordaan
Nach dem Ausscheiden von IT-Vorstand Frank Rosenberger hat der Touristikkonzern TUI die CIO-Position zum 1. Januar 2023 mit Pieter Jordaan besetzt.
Hans Fabian
Hans Fabian ist seit Januar 2017 als CIO für das Hotelvergleichsportal HRS in Köln tätig. Zuvor war Fabian CIO bei der Wirtschaftsauskunftei Schufa Holding AG in Wiesbaden. Über zehn Jahre hat Fabian davor im Bereich IT-Management bei Deutsche Post DHL in Bonn gearbeitet, zuletzt als Vice President.
Hanna Huber
Hanna Huber hat die Branche gewechselt. Die Ex-CIDO des Modehändlers Calida stieg im April 2024 beim Reiseunternehmen Flix ein.
Björn Richter
Björn Richter ist CIO von DPD Deutschland. Er kam vom Paketdienst GLS. Sein Vorgänger Dirk Tiemann bleibt als Director IT bei DPD.
Hanno Boekhoff
Hanno Boekhoff ist seit Oktober 2017 neuer IT-Leiter bei der Reederei Hamburg Süd. Sein genauer Titel: Global Head of Information Technology & Services (ITS). Vor seiner Tätigkeit für die Hamburg Süd war Boekhoff in verschiedenen Bereichen der IT als Berater und als Manager tätig.
Ralf Morawietz
CIO beim Logistikdienstleister Panalpina mit Sitz in Basel ist ab Juli 2015 Ralf Morawietz. Er startete seine Karriere als IT-Experte 1998. Im Jahr 2002 kam Morawietz zu Deutschen Post, wo er verschiedende Management-Aufgaben wahrnahm. Im Januar 2010 wechselte Morawietz als Mitglied des nationalen IT Managementeams des Logistikers Kühne + Nagel. Zuletzt war er dort Senior Vice President Global IT Products.
Carsten Bernhard
Carsten Bernhard ist seit September 2016 Group CIO/CTO beim E-Commerce-Anbieter eDreams Odigeo mit Sitz in Barcelona. Er kommt von der TUI Deutschland, wo er seit August 2013 IT-Chef war. Zu eDreams Odigeo gehören die Marken eDreams, Opodo, Travellink, Go Voyages und Liligo.
Bernd Gemein
Seit 1. September 2018 ist Bernd Gemein neuer CIO für den Unternehmensbereich Post, E-Commerce, Parcel (PeP) bei der Deutschen Post DHL. In seiner neuen Funktion ist Gemein Mitglied des Executive Committee PeP. Er berichtet an PeP-COO Tobias Meyer. Gemein hatte seit 2003 bei der Deutsche Post DHL diverse Funktionen in den Bereichen IT Development und IT Customer Integration inne. Seit 2013 war er Geschäftsbereichsleiter IT Service Management PeP.
Alexander Brandmeier
Seit Juni 2019 ist Alexander Brandmeier neuer Leiter Informationstechnologie/CIO bei der DB Energie GmbH, dem Energieversorger der Deutschen Bahn AG in Frankfurt am Main. Zuvor war Brandmeier Leiter Architekturmanagement und Unternehmensarchitekt im Unternehmensbereich der Deutsche Bahn Fernverkehr AG.
Andreas Hamprecht
Seit August 2018 ist Andreas Hamprecht Leiter IT und CIO bei DB Regio und in Personalunion weiter Leiter Geschäftsentwicklung Schiene. Hamprecht ist seit März 2017 Leiter Geschäftsentwicklung Schiene bei der DB Regio AG, von 2010 bis 2017 war er Leiter Geschäftsentwicklung bei der DB Station & Service AG. Im DB-Konzern ist er bereits seit 2001 beschäftigt, mit bisherigen Funktionen in der Konzernstrategie, im internationalen Fernverkehr sowie beim Bahnhofsbetreiber DB Station & Service.
Falko Hagebölling
Falko Hagebölling ist seit Januar 2019 Senior Director Product Development & IT bei der Lufthansa-Tochter Miles & More GmbH in Frankfurt am Main. Der promovierte Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik war bei Miles & More zuletzt seit Mai 2016 als Director Product Delivery für Projekt-, Portfolio- und Prozessmanagement verantwortlich. Im Juli 2018 übernahm er zusätzlich interimsweise die Funktion als Director IT.
Sami Awad-Hartmann
Sami Awad-Hartmann hat im März 2019 die Position des CIOs bei der Spedition Hellmann übernommen. Er war bereits von 2008 bis 2016 in verschiedenen führenden Positionen in der IT bei Hellmann tätig. Zuletzt war er stellvertretender Leiter IT global. Im Oktober 2016 hatte Awad-Hartmann die Spedition verlassen und war in das familiäre Geschäft im Fleischhandel bei Global Meat in Münster mit eingestiegen.
Horst Ulrich Mooshandl
Horst Ulrich Mooshandl ist seit April 2019 neuer CIO der Österreichischen Post. Sein genauer Titel lautet: Leitung Konzern-IT & Konzern-Einkauf. Zuvor schon hatte Mooshandl die Konzern-Einkauf geleitet sowie den Konzern-Fuhrpark gemanagt.

Das Thema Daten-Management spielt deshalb eine besondere Rolle. "Es geht darum, Daten zu harmonisieren, die Datenqualität sicherzustellen und Verantwortlichkeiten zu klären", so die Managerin. Aufgabe der IT sei es, Daten intern verfügbar und flexibel nutzbar zu machen und dafür Strukturen zu schaffen. So ist die Bahn dabei, Daten aus lokalen Datenbanken in eine konzernweite "Data-Lake-Landschaft" zu überführen. Erst moderne Datenarchitekturen mit Data Lakes und gestiegene Rechenkapazitäten ermöglichten die Entwicklung neuer Anwendungen auf Basis von Big Data Analytics und anspruchsvoller KI-Verfahren.

Cloud-first wird Strategie

Als Enabling-Technik für weitere Schritte Richtung Digitalisierung gilt in der Berliner Konzernzentrale auch Cloud Computing. Schon seit 2016 verfolgt die Bahn eine konsequente Cloud-first-Strategie. Bis Juni 2020 sollen alle IT-Anwendungen in die Public Cloud migriert sein, berichtet Koenen, ein Großteil sei bereits geschafft. Für die entstehende "DB Enterprise Cloud" setzt der Konzern auf die großen Cloud-Provider Amazon Web Services (AWS) und Microsoft mit Azure. Die Inte­gration von innovativen Applikationen und Modulen in die Systeme und Prozesse der Bahn will DB Systel allerdings in der eigenen Hand behalten. Das gilt auch für den operativen Betrieb und das Management der rund 650 IT-Anwendungen.

Der Betrieb einer eigenen IT-Infrastruktur gehöre nicht mehr zu den Kernaufgaben, begründet das Management den radikalen Schritt. Auch das konzerneigene Rechenzentrum wurde verkauft. "Die Technik ändert sich ebenso rasant wie die Anforderungen unserer Kunden", ergänzt die IT-Chefin. Mit einem Cloud-Ansatz könne die Bahn darauf am besten reagieren und damit verbundene Vorteile nutzen: mehr Flexibilität, Performance und State-of-the-Art-Technik.

Die Cloud-Strategie führt bei DB Systel zu tiefgreifenden Veränderungen. "Das betrifft im Grunde jeden, der mit IT zu tun hat", so Koenen. Den rund 700 IT-In­frastrukturexperten etwa bietet die Bahn ein umfangreiches Weiterbildungsprogramm an. Sie sollen sich für andere Positionen qualifizieren, die beispielsweise im Cloud-Umfeld oder im schnell wachsenden IoT-Bereich (Internet of Things) entstehen.

Selbstorganisierte Teams

Doch das ist nur ein Aspekt. Koenen: "Grundsätzlich müssen wir uns die Frage stellen, welche Arbeitsweisen künftig notwendig sind." Agile Methoden etwa brauche man nicht nur in der IT, sondern auch in anderen Business-Bereichen. DB Systel jedenfalls sei auf diesem Weg schon ein gutes Stück vorangekommen. "Wir brechen die klassische disziplinarische Führungsstruktur auf und bauen ein adaptives Netzwerk aus selbstorganisierten Teams", gibt sie die Marschrichtung vor. "Die Verantwortung geht dahin, wo sie hingehört: in die Teams." Das betrifft alle Bereiche von DB Systel, nicht nur die IT- und Softwareentwicklung, sondern beispielsweise auch Finance und HR.

Rund die Hälfte aller Mitarbeiter sind bei DB Systel bereits auf dem Weg in die neue Arbeitswelt, in der nach agilen Prinzipien gearbeitet wird. Die heutigen Teams, die interdisziplinär zusammengesetzt sind, hätten eine Ende-zu-Ende-Verantwortung, so Koenen. Die Führung sei dabei auf drei Rollen verteilt: ein Product Owner für das "Was", ein Agility Master für das "Wie" und das Umsetzungsteam, das die anfallenden Auf­gaben weitgehend selbstorganisiert erledigt. In der "End­ausbaustufe" wird es bei DB Systel voraussichtlich 500 Teams geben. In der Regel besteht ein Team aus etwa sieben bis neun Mitarbeitern.

Die Unternehmens- und IT-Fakten der Deutschen Bahn AG.
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Beim Formen der Teams orientiere man sich daran, welchen Beitrag zur Wertschöpfung sie beisteuern könnten, erläutert die IT-Chefin. Nur wenige der neuen Einheiten entsprächen den bisherigen Abteilungen. Bislang seien die Teamstrukturen vor allem ein DB-Systel-Thema. Aber auch in anderen Teilen des Konzerns interessiere man sich zunehmend dafür. Immer mehr Teams und Abteilungen arbeiteten dort agil und selbstorganisiert. Gut möglich also, dass die Deutsche Bahn nicht nur im IT-Bereich klassische Führungsstrukturen aufbricht.

Einer kompletten Transformation der Organisation bedürfe es jedoch nicht immer, so Koenen. Der größte Nutzen ergebe sich in Bereichen, in denen permanent eine schnelle Anpassung nötig sei. Sie sieht die IT-Tochter dabei auch als "Sparringspartner für die Digitalisierung im Konzern", der auch in Sachen technische Innovationen einen gewissen Ansteckungseffekt mitbringe.

IT-Management im Deutsche-Bahn-Konzern

Zwar sind die IT-Verantwortlichkeiten im Bahn-Konzern durchaus noch traditionell organisiert. So besitzt jedes der Geschäftsfelder wie DB Fernverkehr, DB Regio oder DB Netz einen eigenen CIO. Die Zusammenarbeit mit der Konzern-CIO läuft über das CIO Board, das regelmäßig tagt. Daneben gibt es aber weitere Gremien für spezielle Themen, die als "offenere Management-Plattformen" organisiert sind.

Dazu gehört etwa das Data Board, das von Koenen und CDO Stefan Stroh geleitet wird. Hier will die Bahn nicht nur Geschäftsprozesse verbessern, sondern auch neue Geschäftsmodelle entwickeln. Zu den Mitgliedern des Data Board gehören auch CIOs der Konzerngeschäftsfelder sowie der Chief Technology Officer der Deutschen Bahn.

Innovationen von innen und außen

Innovationen entständen bei der Bahn mittlerweile in nahezu allen Geschäftsfeldern, berichtet Koenen. Erfolgsentscheidend sei, den Mitarbeitern die nötigen Freiheitsgrade zu geben. DB Systel etwa habe mit dem "Skydeck" eine Ideenschmiede eingerichtet, in der sich alles um innovative IT-Lösungen für das Kerngeschäft Eisenbahn drehe. Hier wurde beispielsweise der KI-gestützte Roboterkopf "SEMMI" entwickelt, der seit Juni in einem ersten Test das Servicepersonal am Berliner Hauptbahnhof unterstützt.

Die Bahn setze aber auch auf Impulse von außen. So agiert etwa die DB mindbox in Berlin als Ideenschmiede und Anlaufpunkt für die Startup-Förderung. Über die Deutsche Bahn Digital Ventures GmbH beteiligt sich der Konzern zudem an vielversprechenden Start­ups.

Blockchain auf dem Radar

Zu den Technologien im "Trendradar" von DB Systel gehört auch die Blockchain. Seit gut einem Jahr beschäftigt der IT-Dienstleister ein rund 30-köpfiges Blockchain-Team, das sich aus Entwicklern, Softwarearchitekten und Projekt-Managern zusammensetzt. Koenen: "Wir arbeiten derzeit an rund 20 Anwendungsfällen für die Blockchain-Technologie." Das Spektrum reiche von Logistiklieferketten über verkehrsträgerübergreifendes Ticketing bis hin zum Bahnbetrieb.

Der KI-gestützte Roboterkopf SEMMI unterstützt künftig das Servicepersonal der Deutschen Bahn.
Foto: Deutschen Bahn

Zu den ersten Pilotprojekten gehört die konzerninterne Verrechnung von Leistungen mit Hilfe von Smart Contracts. Ein weiterer Anwendungsfall dreht sich um die Einnahmeaufteilung im Nahverkehr, die mit der Blockchain transparenter werden soll. Dahinter steckt ein typisches Problem im Bahnbetrieb: Für Verkehrsverbünde, die Ticketerlöse regelmäßig auf die Verkehrsunternehmen im Tarifverbund aufteilen, ist es eine komplexe Aufgabe, eindeutig zu ermitteln, welche Einnahmen auf welchen Anbieter entfallen. Nahtlose Reiseketten, die künftig immer mehr Anbieter integrieren, erschweren die Zuordnung von Umsätzen zusätzlich.

Machine Learning und IoT bei der Deutschen Bahn

Auf dem Radar hat Koenen auch die Themen Data Analytics und künstliche Intelligenz (KI). Bei der DB Systel entstand beispielsweise die KI-basierte Lösung AIM ("Acoustic Infrastructure Monitoring"). Sie erkennt über Luftschallmikrofone und Körperschallsensoren akustische Unregelmäßigkeiten an mechanischen Anlagen und meldet diese, noch bevor eine Störung eintritt. Die Bahn testet das System etwa an Rolltreppen im Düsseldorfer Hauptbahnhof und in Hamburg.

Auch für IoT-Konzepte gibt es im Konzern vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Neben Predictive-Maintenance-Systemen für das "rollende Material" stattet die Bahn beispielsweise auch Weichen mit Sensoren aus, die drohende Defekte frühzeitig erkennen sollen.

Bimodal ist der falsche Begriff

Dass das Konzept der bimodalen IT im digitalen Umbau helfen kann, glaubt Koenen nicht: "Ich benutze den Begriff ungern, weil er einen Teil der IT abwertet." In der Praxis zeige sich, dass eine Zweiteilung der IT kaum funktioniere. Wie viele Großunternehmen müsse auch die Bahn mit einem historisch gewachsenen IT-Ökosystem umgehen und dieses sukzessive modernisieren und modularisieren. Teile der IT entwickelten sich in diesem Prozess zur "Commodity". Das aber sei keine Frage von schnell oder langsam: "Entscheidend ist das Tempo, mit dem die Bahn insgesamt auf Veränderungen reagieren kann."

Die IT hat ein Image-Problem

Mit der Außenwahrnehmung der IT ist Koenen trotz aller Digitalisierungsinitiativen noch nicht zufrieden: "Obwohl sie ein wichtiger Produktionsfaktor ist, hat die IT in Summe ein Imageproblem." Allzu oft werde sie noch als Kostenfaktor und zu wenig als Treiber und zentraler Erfolgsfaktor der Digitalisierung gesehen. "Wir müssen die IT entmystifizieren", fordert Koenen. Statt sich in technischen Details zu verlieren gelte es, die Komplexität zu verbergen und den Wertbeitrag herauszustellen. Der kleine, aber feine Unterschied aus ihrer Sicht: "Wir sollten nicht ständig erklären, was die IT tut, sondern was sie bewirkt."