Projekte mit geringem, aber steigendem Volumen

Einblicke in Chinas Offshore-Industrie

07.10.2005 von Ingo Butters
Das Reich der Mitte ist auf dem besten Weg der, neben Indien, zweitwichtigste Standort für IT-Offshoring zu werden. Die Unternehmensberatung China-Consulting hat deshalb chinesische IT-Dienstleister in einer Studie detailliert untersucht. Demnach handelt es sich beim Gros der Offshore-Anbieter aus China um mittelständische Unternehmen, die sich vor allem mit eher kleineren Aufträgen zur Anwendungsentwicklung über Wasser halten.

Die Wirtschaftsdaten aus China klingen immer ziemlich beeindruckend. So wächst der Software-Markt im Reich der Mitte seit fast zehn Jahren um jährlich 25 Prozent und mehr. Der genaue Blick auf die Akteure fällt allerdings weniger imposant aus. So haben 60 Prozent aller chinesischen Software-Firmen weniger als 50 Mitarbeiter. Auch bei den Offshore-Anbietern aus China handelt es sich meist um kleine und mittelständische Firmen, wie die Studie von China Consulting zeigt.

Projekte mit moderatem Volumen

So beschäftigen drei Viertel der befragten Anbieter weniger als 500 Mitarbeiter, ein Drittel weniger als 100. Immerhin ein Fünftel rechnen die Analysten zu Großunternehmen: Sie haben 500 und mehr Angestellte. Diese Software- Unternehmen sind hauptsächlich im stark nachfragenden chinesischen Binnenmarkt tätig und können nur einen geringen Offshore-Outsourcing Anteil vorweisen.

Die Volumina der einzelnen Projekte fallen generell derzeit noch recht übersichtlich aus: 75 Prozent der abgewickelten Projekte brachten den Offshore-Anbietern weniger als eine Million Euro ein. Bei der Hälfte lag das Volumen sogar unter 150.000 Euro. Diese eher moderaten Zahlen werden natürlich auch durch die äußerst niedrigen Lohnkosten beeinflusst: Ein Berater bei einem chinesischen Offshore-Anbieter kommt im Schnitt auf einen Stundenlohn von 25 Euro. Entwickler liegen bei rund 15 Euro und unterbieten damit sogar die Kollegen aus Indien, die durchschnittlich mit 20 Euro pro Stunde entlohnt werden.

Allerdings handelt es sich bei den meisten Offshore-Anbietern um sehr junge Unternehmen. Mehr als die Hälfte der untersuchten Firmen wurde 1996 und später gegründet, die meisten im Zeitraum zwischen 2000 und 2003. Entsprechend sind auch die Erfahrungen mit dem Offshoring-Geschäft noch relativ frisch: Mehr als zwei Drittel der untersuchten Anbieter sind sechs Jahre und weniger im Offshore-Bereich tätig.

Die intensivsten Beziehungen pflegen die Offshore-Anbieter derzeit mit US-Unternehmen sowie mit Kunden aus Japan. Immerhin ein Drittel der Anbieter hat Büros in den Vereinigten Staaten beziehungsweise in Japan.

Deutschland einer der wichtigsten Zukunftsmärkte

Europa spielt derzeit noch eine untergeordnete Rolle: Nur eine Handvoll der befragten Anbieter konnte hier Referenzprojekte nennen. Gefragt nach den wichtigsten Zukunftsmärkten, platzierten die Anbieter allerdings Deutschland, Großbritannien und Frankreich auf die ersten drei Plätze.

Bei den Branchenschwerpunkten zeigt sich, dass sich die chinesischen Dienstleister derzeit vor allem auf Software-Unternehmen konzentrieren. Zwei Drittel zählen diesen Wirtschaftszweig zu ihren drei wichtigsten Kundenbranchen. Jeweils die Hälfte der Befragten fokussiert sich auch auf den Finanzsektor und die E-Business-Branche.

Wie die Offshore-Anbieter aus Ländern wie Indien, haben auch die chinesischen Dienstleister ihr Portfolio auf das Thema Applikationen ausgerichtet: Mehr als 90 Prozent bieten ihren Kunden Anwendungs- und Software-Entwicklung an. Hier konnten die Dienstleister mit Abstand die meisten Referenzen nennen.

Ebenfalls rund 90 Prozent der Anbieter übernehmen im Rahmen eines Outsourcing-Vertrags auch die sprach- und länderspezifische Anpassung von Software. Offensichtlich, so die Einschätzung der Analysten von China Consulting, profitieren die chinesischen Dienstleister hier vom Bemühen großer Konzerne wie Microsoft, auf dem chinesischen Markt Fuß zu fassen.

ERP nicht die Stärke der Anbieter

Auffallend wenig Anbieter, der Anteil liegt unter 50 Prozent, bieten ihren Kunden die Wartung oder Optimierung von Standardanwendungen wie SAP an. Überhaupt stufen die Anbieter ihr Know-how in Sachen ERP recht zurückhaltend ein: Das Wissen um die ERP-Lösungen von Oracle und SAP ist demnach mittelmäßig, bei den Lösungen von JD Ewards und Navision herrscht offenbar nur geringer Kenntnisstand.

Besser sieht es dagegen bei Datenbanken aus. Hier sind die Offshore-Anbieter aus dem Reich der Mitte vor allem bei neueren Systemen wie Microsoft SQL Server, Oracle, Access oder MySQL fit. Weniger eindeutig fällt das Bild bei den Unternehmensanwendungen aus: Hier konnten die Analysten von China Consulting keine Schwerpunkte feststellen.

China Consulting hat die Studie gemeinsam mit der mittlerweile von Gartner aufgekauften Meta Group durchgeführt. Durch Recherchen bei chinesischen Behörden und Verbänden konnten die Berater insgesamt 250 Software- und Outsourcing-Anbieter identifizieren. Weniger als 100 davon boten überhaupt Outsourcing- Dienstleistungen ins Ausland an. In die Untersuchung flossen letztlich die Angaben von 35 Anbietern mit ein. Die meisten von ihnen sind in Shanghai ansässig.