"Senior" Manager als Adelsprädikat

Faltig und grau – aber schlau

24.04.2007 von Gudrun Weitzenbürger
Ältere CIOs haben einiges, was den jungen fehlt: Sie können besser analysieren, sind motivierter und verhalten sich sozial korrekt, so der Personalberater Kienbaum.

Die Ära der 35- bis 40-Jährigen auf dem Posten des CIO geht zu Ende. So verkündete es Peter Sany unlängst, und Kollegen, Berater sowie Analysten nicken dazu mit den Köpfen. Sany fährt fort: „Ein CIO braucht internationale Erfahrungen. Er muss etwas von Marketing und Fertigung verstehen. Außerdem braucht er Erfahrung im Stab, in der Linie und in der Funktion.“ Wenn er das alles in zwei, drei Jahrespakete schnüre, dann ist er Mitte 40.

Sany, Group CIO bei der Telekom, ist mit 48 Jahren noch nicht alt. Doch nach Angaben der Bundesamtes für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin fällt – rein biologisch betrachtet – die Leistungskurve nach dem 40. Lebensjahr steil ab. Schnelligkeit, Beweglichkeit, Ausdauer, Kraft und Koordination erreichen ihr Maximum im frühen Jugendlichenalter. Niemand wird bestreiten, dass ein 70-Jähriger gegen einen 19-Jährigen beim 100-Meter-Sprint das Nachsehen hätte. Umgekehrt würde man einem 19-Jährigen wohl kaum zutrauen, in einem hohen Staatsamt die richtigen Entscheidungen zu treffen, einem 70-Jährigen schon.

Demografische Not hilft Senioren

So alt muss man jedoch gar nicht werden, um im Berufsleben als „Senior Manager“ tituliert zu werden. Allerdings ist dies – wenn man Statistiken und demografischen Orakeln glauben darf – derzeit eher ein Adelsprädikat denn ein Makel: Die Stärken der Älteren werden, wenn auch aus der demografischen Not heraus, neu entdeckt. Besonders schätzt eine Studie des Institutes für Sozialökonomische Strukturanalysen (INIFES/SÖSTRA( an Senior Managern die Fähigkeit, sich psychischen Anforderungen anzupassen, außerdem das Erfahrungswissen, die Einstellung zur Qualität, die Zuverlässigkeit, Loyalität und die Fähigkeit, Mitarbeiter zu führen – all das, was Berufsanfängern fehlt.

Mit diesem „Marschgepäck“ gerüstet, hat Manfred Knols, 55, von der IKB Deutsche Industriebank „schon oft den Mut aufgebracht, auch mal gegen die Windrichtung zu kämpfen“. Knols arbeitet seit 16 Jahren bei der Industriebank aus Düsseldorf als CIO. Sein wichtigstes Fazit: Wenn Veränderungen im Unternehmen auftauchen, muss man wie ein „Elefant“ darauf reagieren. Gemeint ist damit das Einbringen des Erfahrungsschatzes gegen allzu schnelle Entscheidungen und Umbrüche. Darin hat CIO Knols die stoische Geduld eines „Dickhäuters“: Er hat fünf Vorstände gehabt, und „jeder hat mich getestet“. Eine gute Arbeitsgrundlage sei das Vertrauen zwischen dem Vorstand und der ITLeitung. „Die Chemie muss stimmen“, sagt IT-Manager Knols, der ein IT-Budget von mehr als 50 Millionen Euro betreut, „der Vorstand muss der Überzeugung sein, dass der das packt.“

Das erreicht man nicht von heute auf morgen. Der Weg dahin führt an den üblichen IT-Stationen vorbei: Anwendung, Organisation, Geschäftsprozesse. Auch Peter Hinzmann, 61, CIO von Henkel, hat zunächst gelernt, Projekte zu optimieren, einige zu verwerfen, andere zu empfehlen und diese mit einem knappen Budget auszuführen. „Geschäftsmodelle muss man begreifen können“, sagt Hinzmann, „zudem mit viel Umsicht und Diplomatie Konfliktsituationen zwischen Geschäftsführung und IT-Management meistern.“ Das alles könne man von einem Uni-Abgänger nicht erwarten.

Tatsächlich planen die Personalabteilungen einer Studie der Unternehmensberatung Kienbaum zufolge eine „intensive Begleitung von Change-Prozessen“. „Personalplaner wollen künftig mehr in die Qualifizierung des eigenen Führungsstabs investieren“, so Walter Jochmann, Vorsitzender Geschäftsführer bei Kienbaum. Damit sind jüngere und vielleicht besser ausgebildete Nachwuchs-Manager immer seltener die bessere Wahl. Wichtige Aufgaben seien das High Performance Management mit 45 Prozent und eine Ausweitung des Demografie- und Nachfolge-Managements mit 43 Prozent, so die Studie.

Für den Telekom-CIO Sany ist die Zukunft schon Gegenwart. Er ist überzeugt, dass die verschiedenen Disziplinen auf der Management-Ebene künftig stärker verwoben werden. Die Rolle des CIO werde immer interdisziplinärer. Sany: „Wenn Sie einmal CIO waren, können Sie danach auch ins Marketing gehen oder ganz etwas anderes machen, bis hin zum Chief Operating Officer.“ Und Sany ist überzeugt: „Diese Vermischung der Disziplinen findet auch auf der Business-Seite statt. Auch ein Vertriebschef kommt heute nicht mehr ohne ein hohes Maß an IT-Wissen aus.“

So weit möchte Hinzmann von Henkel nicht gehen. Zwar „hat der Informatiker zu wenig, er muss abrunden, genauso wie ein BWL-ler abrunden muss.“ Und natürlich müsse man auch etwas von Verkaufsstrategien verstehen, „doch als CIO glaubt man nicht, ins Marketing gehen zu sollen“, ist Hinzmann überzeugt.

Motivation trotz Alter

Hinzmann hält sich an Schlagworte wie „kaskadisch herunterzubrechende Zielvereinbarungen“, die auf allen Hierarchiestufen ankommen und umgesetzt werden müssen. Banken-Manager Knols hingegen stützt sich auf die Business Line – mit welcher Software kann ich welche Infrastruktur unterstützen? Zudem müsse man die Hauptgeschäftsfelder des Unternehmens begreifen, so Knols, die Unternehmensentwicklung im Auge behalten und die Organisation auf laufende Prozesse einstellen.

Sind auch ältere CIOs noch motiviert im Arbeitsalltag? Für Knols war es die im vorigen Jahr eingeführte amerikanische Buchhaltung, der International Financial Reporting Standard IFRS, der leise Nervosität aufkommen ließ. „Eine große fortwährende Aufgabe ist auch die Reduzierung der Komplexität“, resümiert Knols. Weist die Jahresbilanz der IKB dann gute Zahlen auf und verspricht Wachstum, „dann ist man Teil der Geschäftsbilanz“, sagt Knols, der damit auf den Anteil der IT am Erfolg des Unternehmens anspielt.

Der „Manager im Sandwich“

Niemand nimmt einem IT-Chef Lebenserfahrungen. Auch nicht die, die beim Einstieg in den Beruf gesammelt wurden. Hinzmann, der als 30-Jähriger nach Italien gegangen ist, nicht nur IT-zentriert auch an Harvard-Cases gearbeitet hat, hat unlängst „mit Genuss“ ein Seminar über die Beherrschung von Chaos besucht. Hinzmann versteht sich als „Manager im Sandwich“, er sei von seiner Mannschaft umgeben, das Team müsse stimmen. Anleitungen und Motivation für ein stimmiges Miteinander holt er sich auf Workshops und Seminaren. Dort hat Hinzmann kürzlich gelernt, wie man methodisch und nicht inhaltlich in kürzester Zeit Synergien freisetzt, war von dem Konzept auf Anhieb überzeugt und möchte dies auch seinen Mitarbeitern weitergeben. „Nicht das Lebensalter, sondern Parameter wie Erfolg, Leistungsmotivation, Analysevermögen, erreichte Ziele und die körperliche Fitness sollten Personalentscheidungen beeinflussen“, so Personalberater Jochmann. „Eine erfolgreiche Personalplanung setzt eben auch voraus, dass man auf persönliche Kompetenzen vertrauen kann.“ Und die finden sich oft eher unter den älteren und erfahrenen Managern.

Das bedeutet, dass diese Senior Manager mit Flops ebenso gut umgehen können wie mit Spitzenleistungen. Knols weiß von Projekten zu berichten, die „aus dem Ruder gelaufen sind“: Sie konnten weder termingerecht noch budgetkonform abgeschlossen werden. „Natürlich gibt es das“, sagt der CIO gelassen mit der Gewissheit, dass die Waagschale deswegen nicht auf die falsche Seite kippt. Daraus gelernt habe er, „Risiken besser abzuwägen und das Projekt-Management zu verbessern“. Ein klares Votum für die Erfahrenen unter den IT-Verantwortlichen.

Hinzmann hingegen blickt auf ein fünf Jahre altes Projekt „in einer kleiner Region Europas“ zurück, das mit starken finanziellen Einbußen endete. „Die Projektsteuerung war schlecht“, gibt Hinzmann zu. Als junger CIO hatte er wenig Erfahrung, wie man die vielen kleinen Locations mit zehn, 20 Mitarbeitern steuern sollte. „Sowohl die im Projekt tätigen Kollegen als auch die Nutzer in den Fachabteilungen waren unterdurchschnittlich ausgebildet, es gab erheblichen Nachbesserungsbedarf, und zum Schluss hat es uns das Dreifache gekostet“, erzählt Hinzmann aus seinen Erfahrungen als IT-Verantwortlicher.

Nachfolger kennen das Geschäft

Die letzten Schritte werden dem CIO ähnlich schwer gefallen sein wie die ersten: Hinzmann räumt seinen Arbeitsplatz für den Nachfolger Peter Wroblowski, 45, und geht in den Ruhestand. Doch das Nachfolge-Management verläuft recht simpel. Tipps aus seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz bei Henkel hält Hinzmann nicht bereit: „Man kann nichts weitergeben“, sagt er, „die Nachfolger sind so professionell, dass sie in kürzester Zeit wissen, wie das Geschäft läuft.“ Er wolle sich seinem Nachfolger nicht in den Weg stellen.