CeBIT 2007

Fünf Gründe, doch noch hinzugehen

09.03.2007 von Hermann Gfaller
Die Messe verliert mehr und mehr Besucher. Auch CIOs lassen sich kaum noch blicken. Dennoch gibt es Trends, die auch für die obersten IT-Entscheider interessant sind.

Die CeBIT befindet sich in einer Krise. Renommierte Anbieter wie HP, Dell und Symantec demonstrieren durch ihre Abwesenheit, dass für sie die Messe keine Priorität mehr genießt. Hinzu kommen rückläufige Besucherzahlen. Um den Schaden zu begrenzen, verkünden Verantwortliche wie Messechef Ernst Raue schon vor der CeBIT 2007, den Trend umzukehren: „In zwei bis drei Jahren haben wir das wieder im Griff.“

Konzeptionell will die Messegesellschaft den bereits eingeschlagenen Kurs forcieren und Produktpräsentationen zunehmend durch Lösungen ersetzen. Dazu werden Formate wie Kongresse, Foren, Beispielfirmen, Rundgänge und Themen-Areas ausgebaut. Branchen wie Banken (Halle 17), Gesundheitswesen, Behörden und ab 2008 auch die Automobilindustrie sollen auf der CeBIT ihren Platz finden. Wie schon in den vergangenen Jahren umwirbt die Messe den Mittelstand.

Inhaltlich wird schon lange darüber gestritten, ob die CeBIT dem Druck vieler Aussteller nachgeben und Consumer-Elektronik zugunsten der Business-IT ausschließen soll. Raue bekennt sich zu einer Business-Messe – ohne auf Consumer-Elektronik verzichten zu wollen. Deren Anbieter, so Raue, sollen sich weniger an Endkunden als an Fachbesucher wie Händler richten. Den dazugehörigen Rummel will d ie Messe auf bestimmte Hallen begrenzen und auf das Wochenende konzentrieren, mit dem die CeBIT ab 2008 enden soll.

Intel folgt diesem Konzept, indem in Halle 21 (Stand B45) der Fokus auf der Spiele-Community liegt. Andererseits stellt der Chip-Spezialist für das Gesundheitswesen den Prototypen eines Medical Clinical Assistent (MCA) vor. Der MCA ist eine Art Tablet PC für die Visite, mit dem sich Ärzte drahtlos Patientendaten inklusive Röntgenbilder auf den Bildschirm holen können.

SOA

Für die IT-Business-Welt heißt das Kürzel der CeBIT SOA, sprich Service-orientierte Architekturen. Von SOA angelockt, hat die lange Jahre abwesende Software AG (Halle 4 , A 12) zurück zur CeBIT gefunden und gehört zu den Hauptsponsoren des SOA Kongress Forums (Halle 4, B12). SOA steht auch bei IBM (Halle 1, F41/F51) im Mittelpunkt. Unter der Bezeichnung SOA Foundation präsentiert der IT-Konzern ein komplettes Angebot. An einem Modellunternehmen wird zudem die Vision eines durchgängig Service-orientierten Unternehmens visualisiert.

Auch die Groupware Lotus Notes ist in der Version 8 für SOA-Umgebungen aufgepeppt worden. Auf Basis des offenen Eclipse Frameworks wird Notes künftig sogenannte „ Composite Applications“ ermöglichen, sprich das Zusammenstellen von Informationsfenstern wie Portlets, Plug-Ins, Widgets oder Mashups.

Die Rolle von Websphere als Basis für SOA-Infrastrukturen wird an Beispielen wie der Schadensfallbearbeitung bei Autoversicherungen demonstriert. In den Szenarien kommen neben Transaktionssystemen (CICS) und Datenbanken (DB2) auch die IBM-Systeme von den Intel- oder AMD-basierten Blade-Systemen über die Power-Server der p-Linie bis hin zu den z-Series- Großrechnern zum Einsatz.

Zu weiteren Ausstellern mit starkem SOA-Fokus zählen Microsoft (Halle 4, A38), Konkurrent und Seebeyond-Eigner Sun Microsystems (Halle 1, A90), seit der JBoss-Übernahme auch Linux-Spezialist Red Hat (Halle 5, G 47/1), die Prozessspezialisten IDS Scheer (Halle 4, F04) und Inubit (Halle 4, D54), BI-Anbieter Arcplan (auf dem Software AG-Stand Halle 4, A12) sowie der auf Java-Basis arbeitende Integrator Innovations Softwaretechnologie (SOA World Halle 4, B12). BEA Systems fehlt mit seinem Aqualogic-Service-Bus ebenso wie EAI-Anbieter Tibco.

Virtualisierung

Doch mit SOA allein sind dynamische Unternehmen nicht zu realisieren. Ein wichtiger Baustein sind hier Virtualisierungskonzepte, Server- und Speicherpools, die in ein automatisches Rechenzentrum münden sollen. Diesem Ziel haben sich alle großen IT-Hersteller verpflichtet. So läuft der Messeauftritt von Sun Microsystems (Halle 1, A90) unter dem Motto „Virtually Unlimited“. Besucher erfahren dort, wie sich Virtualisierung mit Logical Domains unter Solaris 10 beziehungsweise mit VMware auf AMD Opteron Systemen und Datenvirtualisierung im Storage-Bereich realisieren lässt. Außerdem erhalten sie einen Ausblick auf „Niagara II“, den für Herbst 2007 geplanten Nachfolger des Ultrasparc-T1-Prozessors, der 64 Threads gleichzeitig abarbeiten kann.

Im gläsernen Rechenzentrum führt Sun im Live-Betrieb die Bandbreite seines Hardwareangebots von den Internet-Servern Sun Fire T1000 und Sun Fire T2000 über die AMD-Opteron-basierten Multiplattformserver der X-Serie bis hin zu den klassischen Hochleistungsservern mit UltraSPARC-Architektur vor.

IBM (Halle 1, F41/F51) hält nicht nur mit seinen bewährten Virtualisierungskonzepten aus der Mainframe-Welt dagegen, sondern auch mit Micro-Partitioning Virtual I/O und dem Partition Load Manager für Unix-Rechner der p-Serie unter AIX 5L. Mit Beispielen etwa aus der Lagerhaltung führt IBM zudem vor, wie PC-Anwendungen oder gesamte Desktops in zentralen Serverfarmen zur Verfügung gestellt werden können. Bei Storage heißen die Pflichtthemen: Information Lifecycle Management (ILM), Archivierung (Compliance) und hierarchisches Speicher-Management (HSM).

Lokalmatador Fujitsu-Siemens (Halle 1, G51) hält sich in diesem Jahr mit Rechenzentrums- und BS2000-Lösungen zurück und konzentriert sich mit mobilen Geräten und Business Continuity auf mittelständische Kunden. Zu erwähnen ist hier die Hochverfügbarkeitslösung „x10sure“ für unter 10 000 Euro, bei dem sich mehrere produktive Server ein Ersatzsystem teilen.

Auch Storage-Spezialist Hitachi Data Systems (Halle 1, D45) zielt mit seinen Lösungen für Datenschutz, Speicherkonsolidierung und Disaster Recovery auf den Mittelstand. Für die Virtualisierung hat HDS eine Palette von „TagmaStore“-Systeme im Angebot.

Dafür zieht EMC (Halle 1, F71) alle Register: von der Virtualisierung über ILM bis zur Automatisierung des RZ-Betriebs. Auf kleineren Rechnern punktet auch die Konzerntochter VMware (ebenfalls Halle1, F71), deren Software nun auch Apple-Rechner unterstützt. Darüber hinaus konkurriert EMC mit seiner Tochter Dokumentum im Zukunftsmarkt Enterprise Content Management (ECM) mit IBMs Tochter Filenet. ECMPropagandist Opentext fehlt auf der CeBIT.

Sicherheit, BI und Datenintegration

Auch der Security-Bereich in den Hallen 6 und 7 zeigt, wie sich lange getrennte IT-Disziplinen zunehmend verschränken. Unternehmensweite Sicherheitskonzepte zeigen Kaspersky (Halle 7, A06) mit „Open Space Security“ oder Ciphertrust-Käufer Secure Computing (Halle 7, A30) mit kombinierten Lösungen für Angriffe auf alle Unternehmens-Gateways. Trend Micro (Halle 7, B06) konzentriert sich dagegen eher auf Mittelständler.

Schmerzlich vermisst werden in Hannover Anbieter wie Computer Associates oder Symantec. Auffällig ist in diesem Jahr, wie sehr sich Anbieter um Datenintegration und -qualität sorgen. Gerade große Unternehmen haben inzwischen verstanden, dass nur korrekte Informationen zu nachvollziehbaren Entscheidungen führen. Diesem Thema haben sich daher Business Objects (H3, C45), IBM (Halle 1, F41/ F51), Informatica (Halle 3, D41), SAS Institute (Halle 3, C45), Teradata (Halle 1, K41) und Fuzzy (Halle 3, C45) verschrieben. Wenn Datenintegration derzeit Furore macht, hängt das auch damit zusammen, dass Big Blue Ende 2006 seinen Information Server vorgestellt hat.

SAS hat wie auch Arcplan (Halle 3, C45) Reporting auf dem Plan. Applix (Halle 3, C45) profiliert sich mit dem modischen Business Performance Management (BPM), während die Erzrivalen Cognos (Halle 3, D51) und Hyperion (Halle 3, C45) beweisen wollen, dass das jeweils eigene Planning-Tool zuverlässiger in die Zukunft schauen kann.

ERP

Für ERP-Software gilt die CeBIT seit Jahren als beste Adresse: von Marktführer SAP (Halle 4, D12) und Microsoft (Halle 4, A 38) bis hin zu globalen Aufkäufern von ERP-Anbietern wie Infor ( Halle 5 , C 24). Selbst Oracle, obwohl schon lange CeBIT-abstinent, ist über den Stand der Deutschen Oracle Anwender Gruppe (DOAG, Halle 5, E04 – D2) gut vertreten. Dort finden Interessenten vor allem Dienstleister und Lieferanten für die vom Datenbankspezialisten aufgekaufte betriebswirtschaftliche Software von J.D. Edwards (inOne, msg Systems), Peoplesoft (tup Consulting) und Siebel (ocb). Neugierige werden sicherlich sehen wollen, wie SoftM (Halle 5, C04) seine hochmoderne Greenax-ERP zum eben gekauften Semiramis-Produkt positioniert.

Jenseits der ERP-Produkte können die Besucher aktuellen Trends wie Business Process Management oder Business Application Monitoring nachgehen. Zu den ersten Adressen in diesem Geschäft zählt der Prozessspezialist IDS Scheer (Halle 4, F04) mit seinen Aris-Lösungen. Weitere Aussteller sind hier Applix (Halle 3, C45), Inubit (Halle 4, D54) und Inosoft (Halle 4, A26).

Mobil- und Festnetz-Konvergenz

Das große Thema bei Telekommunikation heißt weiter Konvergenz. Alle großen Netzbetreiber haben inzwischen ihr IP-basiertes New Generation Network aufgebaut nd hoffen auf satte Gewinne durch Datendienste wie Musik- und Video-Downloads, Internet-TV und Triple-Play. Technische Voraussetzung für die Integration von Mobil- und Festnetzdiensten ist die als IP Multimedia Subsystems ( IMS) bekannte Plattform, über die inzwischen alle größeren TK-Anbieter verfügen. IBM (Halle 1, F41/F51) bietet sich hier als Dienstleister an, hat der Konzern doch geholfen, die „IMS based NG Factory“ für die Deutsche Telekom zu entwickeln.

Konkurrent British Telecom (Nord-LB-Forum bei Halle 17) zeigt die Mobil-Festnetz-Integration anhand von „BT Corporate Fusion“. Dabei greift ein Dualmode-Gerät sowohl auf GSM- als auch auf WLAN-Netze zu. Anwender sollen dabei von Komfort und Funktionalität eines Handys zu Preisen und mit der Verbindungsqualität eines Festnetzanschlusses profitieren.

Besonders Business-like klingt das einschlägige Highpath-Angebot von Siemens Enterprise Communications (Halle 13, Stand D37). Neben der Verknüpfung von Fest- und Mobilfunknetzen (inklusive WLAN) in Unternehmen zeigt der Siemens-Ableger auch noch IP-Telefonie auf Basis des SIP-Protokolls und hilft dabei, traditionelle Telefonie hin zur standardbasierten IP-Kommunikation zu migrieren.

Arcor (Pavillon P32) bietet Unternehmen auf Basis seines NGN IP-Anlagen-Anschluss mit einer Leitung für die Sprach- und Datenübertragung sowie die komplette Auslagerung der Telefonanlage ins Arcor-Netz. Für Unternehmen mit vielen Nebenstellen wird bei der neuen Lösung „Managed Phone“ die TK-Anlage in das Arcor-Rechenzentrum ausgelagert. Konzernmutter Vodafone (Halle 9, B76) hat sich zur Aufgabe gemacht (mit Hilf e der Tochter Arcor), das Festnetz durch ein einziges Gerät zu ersetzen, das neben Sprachdiensten auch Push-E-Mail und Navigation beherrscht. Außerdem möchte der Mobilfunker sein HDSPA-Netz mit 3,6 Mbit/s bis zum Sommer dieses Jahres ausbauen, auf der CeBIT aber schon 7,2 Mbit/s vorführen.

Der TK-Konzern Ericsson (Halle 13, C76) vermarktet seine IMS-Variante unter dem „One Phone“-Slogan, einer Verbindung von Handy-, Schnurlostelefon und Festnetzgerät. In der Business-Variante kann man dabei das Firmentelefonbuch, Push-E-Mail und Navigationsdienste mit dem Smart-Office-Home mit sichherumtragen.

Ein ähnliches Konzept steckt auch hinter den Geräten von 4G Systems (Halle 13, B86), die aber in Zusammenarbeit mit T-Mobile und Siemens auch die schnellere HDSPA-Verbindung einbeziehen. Allerdings bieten die Hamburger keine Handgeräte an, sondern Boxen, die man an analoge (Telefone, Faxe) oder digitale Geräte (Rechner, Smartphones) anbinden kann, ohne sich über die Art der Verbindung (WLAN, HDSPA, GPRS, GSM oder Festnetz) Gedanken machen zu müssen. Auf der CeBIT zeigt 4G den „XSBox-R4v“-Router, der im iPod-Format daherkommt und UMTS, HDSPA, GPRS sowie EDGE unterstützt. Möglich wäre auch noch das hierzulande verpönte Wimax. Bei HDSPA ist das Unternehmen auf dem Sprung zu einer Datenrate von 7,2 Mbit pro Sekunde. Bei T-Mobile gibt es das Gerät bislang allerdings nur bis 1,8 Mbit.

Den TK-Unternehmen mag es bei der Umstellung auf IP-Netze vor allem um lukrative Geschäftsmodelle für den Datentransfer gehen. Die Unternehmen können sich jedoch im Sinne der eingangs erwähnten Dynamic IT über die Virtualisierung nicht nur von Rechen-, sondern auch von Kommunikationsinfrastruktur freuen. Bis es jedoch so weit ist, wird es noch einige Jahre dauern.