IT-Manager wetten

Im Jahr 2021 steht Deutschland glänzend da

17.08.2011 von Frank Riemensperger
Frank Riemensperger, Vorsitzender der Geschäftsführung der Accenture Deutschland, wettet, dass im Jahr 2021 ... Wetten Sie mit!
Frank Riemensperger ist Vorsitzender der Geschäftsführung von Accenture Deutschland.
Foto: Accenture

"Ich wette , unsere Unternehmen und unsere Volkswirtschaft stehen in zehn Jahren glänzend da: Deutschland ist führender Global Player für intelligente vernetzte Systeme und Produkte und hat damit die Marktanteile seiner klassischen Exportbranchen ausgebaut."

Staus auf der A1, A3 und anderen Autobahnen gehören im Jahr 2021 der Vergangenheit an. Die Elektronik meines mobilen Arbeitsplatzes und rollenden Kinos (früher: Auto) bringt mich auf intelligenten Straßen pünktlich ans Ziel. Dort angekommen, brauche ich weder Parkplatz, Münzen noch Kreditkarte für einen Parkautomaten. Die Umgebung erkennt meine digitale Identität, und mein Auto parkt sich selbst. Die monatliche Mobilitätsabrechnung wurde gerade erhöht - die Kommunen müssen Einnahmeausfälle kompensieren, da Radarfallen und Strafzettel überflüssig geworden sind.

In zehn Jahren bewegen wir uns in einer durch und durch intelligent vernetzten Welt. Sie greifen im Supermarkt nach einem exotischen Gewürz? Womöglich erhalten Sie eine Warnung, dass es zu Unverträglichkeiten mit Ihren Medikamenten führt. Sie gehen an einer Arztpraxis vorbei? Vielleicht schickt man Ihnen gleich eine Erinnerung für Ihre Tropen-Schutzimpfung - Sie reisen doch in sechs Wochen nach Guatemala.

Wo wir auch sind - im Jahr 2021 begleitet uns ein digitaler Doppelgänger im Netz, überall und jederzeit. Wir brauchen keine Schlüssel, Chipkarten und Nummerncodes mehr. Unsere Umgebung "weiß", wer wir sind, und gewährt berechtigten Personen Zutritt. Jede Türklinke, jeder Fahrstuhl und jedes Produkt im Supermarkt besitzt Eigenintelligenz, dank Embedded IT. Jeder Gegenstand des Alltags ist ans Internet angeschlossen. Die Zahl der so verbundenen Gegenstände wird die Weltbevölkerung um den Faktor 100 übersteigen. Sie alle produzieren permanent Echtzeit-Content und speisen ihn ins Internet ein. Wie wir selbst hat so gut wie jedes Ding der physischen Welt ein digitales Abbild im künftigen Internet.

IPv6 vernetzt alles mit jedem

Für das Internet der Dinge ist das alte Internet zu klein. In Asien sind IP-Adressen schon heute Mangelware. Höchste Zeit also, die Umstellung auf das neue Internetprotokoll IPv6 mit Hochdruck voranzutreiben. Mit IPv6 vervielfacht sich der Adressraum auf 2128 beziehungsweise 340 Sextillionen - eine unvorstellbar große Zahl mit 38 Stellen vor dem Komma. Mehr als genug jedenfalls, um buchstäblich jeden Gegenstand auf der Erde, jede Stecknadel, jeden Lichtschalter und erst recht jedes Elektrogerät mit einer eigenen Internetadresse auszustatten.

Die Komplexität, die mit dem allgegenwärtigen Netz der Dinge auf uns zukommt, ist kaum vorstellbar. Milliarden menschlicher Digital-Identitäten sind mit Abermilliarden digitaler Abbilder von Gegenständen in Echtzeit verknüpfbar. Jede der Sphären für sich ist bereits hochkomplex. Die Verknüpfung der beiden Sphären ist Komplexität zum Quadrat.

Aus eben dieser Komplexität - davon bin ich fest überzeugt - ergeben sich einzigartige Wachstumschancen für Deutschlands Unternehmen.

Die industrielle DNA

Schon heute entwickeln unsere Ingenieure IT-unterstützte Industriesysteme und intelligente Produkte, die zum Ausgefeiltesten und Schlauesten zählen, was der Weltmarkt zu bieten hat. Tüftlergeist und Köpfchen haben bei uns Tradition, sie stecken in unseren Autos, medizinischen Geräten, Industriemaschinen. In diesen Branchen sind wir weltweit führend. Das, worauf es morgen ankommt, prägt unsere industrielle DNA.

Doch können wir uns deshalb zurücklehnen? Auf keinen Fall. Uns bleibt keine Wahl als diese Chance der neuen IT-Welt offensiv zu nutzen. Nur so können wir den Wohlstand unseres Landes auch über das nächste Jahrzehnt hinaus sichern.

Was uns zum Handeln zwingt, sind tektonische Verschiebungen im geoökonomischen Kraftfeld. Verantwortlich dafür: globale Megatrends, die gleichzeitig bestimmende Wachstumstreiber der kommenden Jahre sein werden. Die Industrienationen altern bei steigender Lebenserwartung - und "Silver Ager" setzen enorme Wachstumspotenziale frei. Die weltwirtschaftliche Balance verlagert sich von der Triade Nordamerika-Westeuropa-Japan hin zu Wachstumsinseln wie Indien und China - was neue Absatzmärkte eröffnet, jedoch den Wettbewerb um Rohstoffe verschärft. Ressourcenknappheit erfordert ein Umdenken in der Energiepolitik und -wirtschaft - dadurch entstehen völlig neue Technologie- und damit Innovationsfelder. Nicht zuletzt erleben wir eine rasante Evolution der IT, die für unseren Standort und unsere Unternehmen von geradezu überlebenswichtiger Bedeutung ist.

Vier Megatrends dominieren die Welt

Die Accenture-Untersuchung "New Waves of Growth: Unlocking Opportunity in the Multi-Polar World" macht vier dominierende geoökonomische Wachstumstreiber aus:

Demografische Verschiebung. Die Industrienationen altern. Steigende Lebenserwartung und die rasante Zunahme der "Silver Generation" bergen enorme Wachstumschancen, zum Beispiel in Gesundheit, Bildung und Tourismus. Zudem sind Menschen heute länger aktiv und leistungsfähig als früher. Sie werden zu einer wichtigen Produktivitätsreserve der Wirtschaft.

Neue Wirtschaftspole. In den aufstrebenden Schwellenländern entstehen neue Absatzmärkte. Gleichzeitig verschärfen sich Rohstoffknappheit und globaler Wettbewerb.

Energiewende. Energieeffizienz und ökologisches Produktdesign werden wichtiger. Deutschland steht vor einer Energiewende - aus diesem energiepolitischen Impuls werden wahre Innovationswellen hervorgehen. Es entstehen völlig neue Technologiefelder, die künftig überall in der Welt nachgefragt werden.

IT-Revolution. IT verwandelt die gesamte Lebens- und Arbeitswelt: Cloud Computing, Embedded Systems und das Internet der Dinge krempeln nicht nur die Unternehmens-IT um. Sie verändern auch massiv das Verhältnis zwischen Anbieter und Konsumenten - und zwischen Produkt und zugehörigem Service.

Um Deutschlands IT-Chancen auszumachen, hilft ein Blick auf die vergangenen zehn Jahre. Vor einer guten Dekade war die Dotcom-Blase gerade geplatzt. Katerstimmung allerorts, die "New Economy" war zu einem Schimpfwort verkommen. Kaum ein Analyst, der nicht zur Rückbesinnung auf vermeintlich solide Tugenden der "Old Economy" riet. Doch nicht alle folgten diesem Rat - und sie taten gut daran.

Im Schatten der Dotcom-Krise wurden Ideen zur Marktreife gebracht, die das Internet und die IT-Märkte von heute prägen. Eines der zurzeit wertvollsten Unternehmen weltweit ist: Google - Inbegriff für das Tor zum Web. Leistungsfähige Datennetze umspannen heute allumfassend unseren Globus.

Über Milliarden Smartphones, Netbooks, Tablet-PCs und Kameras wird heute jeder Lebens- und Arbeitsbereich ins Internet gestellt und ist überall auf der Welt jederzeit abrufbar. Auf dem Vormarsch dieses neuen Web hat Apple eines der innovativsten Geschäftsmodelle weltweit aufgebaut: Die nahtlose Integration von Endgeräten, User-Interfaces, Webshops, Partnerplattformen und Bezahldiensten erlaubt es dem Unternehmen, einen großen Teil der digitalen Wertschöpfung von Hundertausenden Drittanbietern als Gewinn nach Kalifornien umzulenken. Facebook - der Inbegriff für Social Networks - holte in nur fünf Jahren rund ein Zehntel der Weltbevölkerung ins Social Web und lässt damit die Zahl der persönlichen Identitäten im Netz explodiere.

Bei der Organisation von digitalen Identitäten ist der Zug abgefahren

Bei der Organisation von digitalen Identitäten im Internet sind deutsche Firmen außen vor - dieser Zug ist für uns abgefahren. Der Markt ist fest in den Händen der USA - aber ernst zu nehmende Konkurrenz lauert bereits in Fernost. Das chinesische Social Network Renren ist seit Mai 2011 an der New Yorker Börse gelistet, als erstes Social Network überhaupt. Es vereint zwei Schlüsselwörter, die Anlegerfantasien befeuern: "Soziales Netzwerk" und "China". Im bevölkerungsreichsten Land der Erde sind noch nicht einmal halb so viele Internetnutzer im Social Web wie in den USA. Hier schlummert ein ungeheures Potenzial für Renren und andere, zumal Facebook in der Volksrepublik bis heute noch keinen Fuß in die Tür bekommen hat. Ähnliches gilt für die ostasiatischen Konkurrenten von eBay, Amazon und Google.

Ist damit das Schicksal für IT aus Deutschland auf den Weltmärkten besiegelt? Genau das glaube ich nicht - im Gegenteil. Denn Facebook, Renren oder Google markieren erst den Anfang der "Connected Everything"-Ära. Auf Web 2.0 folgt "Thing X.0". Das neue Internet wächst vor allem auf der Seite der intelligenten Dinge - genauer gesagt: durch Embedded Systems, der eigentlichen Intelligenz in Gegenständen. Genau hier liegt unsere Chance.

Ähnlich wie sich im Web 2.0 Menschen zu Communities zusammenschließen, bilden bald hundert Milliarden Sensoren, Messfühler und Schalteinheiten weltweit vernetzte Communities, in denen diese Dinge selbstständig miteinander kommunizieren. Die Wertschöpfung aus der Organisation digitaler Identitäten der Konsumenten im Internet erfolgt in Amerika und Fernost. Die Wertschöpfung mit Milliarden von vernetzten Ding-Identitäten jedoch ist unbestelltes Terrain.

Die Lücke - Cyber Physical Systems

Das ist die Lücke, in die unsere Unternehmer und Ingenieure vorstoßen können: indem sie "Cyber Physical Systems" schaffen, die Verschmelzung von Cyberspace mit den intelligenten physischen Produkten und Systemen. Hier liegt unsere größte Chance auf künftige IT-Weltmarktführerschaft "Made in Germany".

Heute leben deutsche Unternehmen zu zwei Dritteln vom Export. Sie bauen die technologisch besten Maschinen, Bauteile und Komponenten der Welt - echte Exportschlager. Damit wir weiter Exportschlager herstellen können, müssen wir den Sprung schaffen, mit Embedded IT aus technischen Top-Produkten intelligente vernetzte Systeme zu formen. Dafür müssen wir bereits beim Design darauf achten, Produkte von Anfang an als integrative Einheit mit physischem und virtuellem Anteil zu konzipieren. Nur: Das allein wird nicht reichen. Es braucht darüber hinaus neue Geschäftsmodelle à la Apple, die Serviceplattformen schaffen, über die Informationen und Services aus den vernetzten intelligenten Produkten den Unternehmen, Konsumenten oder auch Patienten zur Verfügung gestellt und abgerechnet werden.

Wäre es so abwegig, dass etwa im Bereich E-Health ein Dienstleiter nach Apple-Manier weite Teile der Wertschöpfung besetzt? Der für Begleitung und Behandlung eines Patienten alle physischen Elemente wie Medikamente, Arztbesuche, Therapien vereint mit bruchlosem virtuellen Monitoring und Wenn-Dann-Szenarien? Indem er eine integrierte Plattform für den Patienten schafft, auf der Drittanbieter Zugang zum Patienten haben und auf der Leistungen koordiniert sowie abgerechnet werden?

Und in Sachen Sicherheitstechnologie - einer der tragenden Säulen für mehr Wachstum des Internets - ist Deutschland schon heute mit an der Weltspitze. Warum sollte der künftige Weltmarktführer für Security-Lösungen von intelligenten Produkten nicht ein deutsches Unternehmen sein?

Wo könnten wir im Wettbewerb um IT-Marktanteile besser damit starten als bei unseren traditionellen Stärken? Führend sind wir zum Beispiel im Maschinen- und Anlagenbau, in der Elektro- und Medizintechnik, bei Autos, Chemie, Gesundheitsdienstleistungen, in der Umwelttechnologie. Dort setzen wir mit unseren intelligenten vernetzten Systemen an, statt das Consumer-Web 2.0 neu zu erfinden. Nicht nur die intelligenten vernetzten Produkte selbst, sondern auch Services rund um deren Identität sind unbesetzte Märkte. Hier haben wir - dank deutscher Ingenieurskunst und unseres starken Prozessdenkens - die weit besseren Voraussetzungen, neue Märkte für IT zu schaffen, als Amerikaner, Chinesen und der Rest der Welt.

Maschinenbau zeigt die Hebelwirkung von Embedded IT

Der Maschinenbau zeigt, wie mit Embedded IT Hebelwirkung entstehen kann: Man stelle sich etwa Sensoren und Aktoren einer industriellen Anlage vor, die via Industrial Ethernet an das Internet angeschlossen sind und mit der zentralen Produktionssteuerung direkt kommunizieren. Feldbussysteme wären überflüssig, sodass auch das aufwendige Management dieser separat betriebenen Steuerstrukturen entfiele. Die Prozessintegration in Produktionshallen bekäme eine neue Dimension: Neben den horizontalen Bereich entlang der Supply Chain tritt die vertikale Integration, die bruchlos von den Steuereinheiten der physischen Anlage bis in das Produktionsplanungssystem und die Warenwirtschaft reicht.

Das hieße nichts Geringeres als einen Paradigmenwechsel in der Fertigungsindustrie: Ausgestattet mit intelligenten Funkchips werden Produktrohlinge gleichermaßen zum Akteur wie zum Beobachter des eigenen Herstellungsprozesses. Der Rohling fordert selbstständig die nächsten Bearbeitungsschritte an, überwacht Umgebungsparameter und löst gegebenenfalls Störungsbeseitigungsroutinen aus.

Ein bislang nicht erreichter Automatisierungsgrad verschafft solchen Anlagen ein zusätzliches Alleinstellungsmerkmal - das ist die Hebelwirkung, die von der IT ausgeht. Umgekehrt findet die eingebettete Software ihren Weg auf den internationalen Markt, dank des hohen Renommees deutscher Maschinen. Mehr noch: Wartung und Upgrades dieser - auf abertausend Sensor- und Steuerchips verteilten - Software könnte via Internet zentral erfolgen, zum Beispiel aus einer Cloud deutscher Industriekonzerne. Produkt und nachgelagerte Services verschmelzen zu einer vollkommenen Einheit. Intelligente, an das Internet angebundene Produkte und servicebasierte Geschäftsmodelle ermöglichen es, das Wertschöpfungspotenzial eines Produkts umfassend auszuschöpfen, inklusive aller Folgegeschäftsoptionen.

Um unsere Exportfähigkeit zukünftig zu erhalten, müssen wir uns auf Innovationen mit Chance zur Weltmarktführerschaft konzentrieren. Der Wertschöpfungsanteil aus dem reinen Produktverkauf geht zurück und steigt bei Wartung und Betrieb. Es kommt darauf an, auf die richtigen Lösungen zu setzen. Die Megatrends geben die Richtung vor: Connected Health, Connected Car, Connected Living und intelligente Nutzung der Energie bieten aussichtsreiche Perspektiven.

Dazu müssen wir unser Innovationstempo auf Touren bringen. Die Integration unterschiedlichster Technologien und intelligenter Produkte macht eine unternehmensübergreifende Zusammenarbeitskultur der breiten Partizipation und Teilhabe nötig. Schon heute stammen die Innovationsanstöße längst nicht mehr nur aus der hauseigenen F&E-Abteilung. Immer öfter kommen sie von außen und folgen dem Konzept der "Open Innovation": Führende Unternehmen und öffentliche Verwaltungen beziehen Kunden, Bürger und Partner in den Innovationsprozess mit ein - ob bei der Entwicklung besserer Software, neuer Lego-Baukästen oder bei der kommunalen Mitbestimmung.

Social-Media-Kollaboration ist dafür ein probates Mittel. Social Media vernetzt das individuelle Wissen vieler zu einer in vielen Fällen höherwertigen Form von kollektiver Intelligenz. Soziale Kundenplattformen etwa sind ideale Kescher, um Innovationsideen einzufangen, die außerhalb eines Unternehmens entstehen. Aber die Technik ist nicht alles. Hinzu kommen muss ein strategisches Innovationsmanagement. Unsere Unternehmen brauchen geeignete Strukturen und Prozesse - angefangen bei der systematischen Ideenakquise bis hin zur Selektion aussichtsreicher Ideen und zur Evaluierung des jeweiligen Marktpotenzials.

Durch den Einsatz neuer Technologien stärken wir zusätzlich die Innovationskraft von Unternehmen. Beispiel Cloud Computing: Ein Cloud-Provider stellt Server und Applikationen um ein Vielfaches schneller bereit als die eigene IT-Abteilung, innerhalb von Tagen und Stunden statt in Wochen und Monaten. Hoch qualifizierte IT-Kräfte brauchen ihre Zeit dann nicht länger mit Störungssuche und Patches zu vergeuden. Sie können sich mit Lösungen beschäftigen, die das Unternehmen substanziell voranbringen.High-Performance-Unternehmen liegen auch deshalb ganz vorne, weil sie neue Technologien früher als andere nutzen.

Metamorphose: Der CIO im Jahr 2021

Und wie steht es um den CIO in zehn Jahren? Seine Rolle im Unternehmen wird sich fundamental verändert haben. Er ist kein Informatikspezialist mehr, der die hauseigene IT-Landschaft hegt und pflegt wie den eigenen Vorgarten. Allein schon deshalb, weil eine hauseigene IT in der heutigen Form ein Auslaufmodell ist. Der CIO wird zum Sachwalter für die virtuellen Anteile von Cyber-Physical-System-Produkten - und braucht daher auch ein tieferes Verständnis für die physisch-realen Produktanteile. Der CIO von morgen wird die IT in weit stärkerem Maß als heute aus der reinen Business-Perspektive sehen. IT im Unternehmen wird nicht mehr hauptsächlich Dienstleister sein, sondern wichtigster Impulsgeber für die Geschäftstätigkeit. In zehn Jahren ist der CIO eine der wichtigsten Personen im Vorstand - insbesondere in den Exportbranchen, in denen wir IT-Weltmarktführer sein werden.

Ob intelligente Autos oder intelligent vernetzte Systeme im Care Management: Was die Verzahnung von Dingen der physischen Wirklichkeit, ihrer digitalen Abbildungen und ihrer virtuellen Synapsen im Internet der Dinge benötigt, sind Standards und Software-Architekturen. Diese Standards und Architekturen sollten aus Deutschland kommen. Das ist eine echte Herausforderung, die unsere Industrieunternehmen alleine nicht bewältigen werden.

Hier kann eine gezielte Technologieförderung des Staates helfen, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Denker und Tüftler haben wir im Land - an den Universitäten, in den Software-Clustern, den Fraunhofer-Instituten, den großen Industriekonzernen und bei Tausenden innovativer Mittelständler. Aber nicht jeder kann alles. Hilfreich sind hier Leuchtturmprojekte mit internationaler Strahlkraft, wie in der Hightech-Strategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung definiert. Unsere nationale IT-Strategie sollte aus meiner Sicht auf wenige große Ziele fokussieren.

Alle Wetten finden Sie im CIO-Jubiläumsbuch. Die Redaktion stellt das Buch am 29. September anlässlich der 10-Jahres-Feier des Magazins im Bonner Kameha Grand Hotel vor.
Foto: IDG Business Media GmbH

Gute Ansätze wären Standards und Architekturen für Embedded Systems, die Abbildung und Verknüpfung intelligenter Produkte unterschiedlichster Hersteller im Internet, gepaart mit Leuchtturmprojekten und der Modernisierung der öffentlichen Verwaltung. Viele untergeordnete Teilziele werden im Windschatten der großen Ziele quasi automatisch mit erreicht.

Deutschland braucht Start-ups, Talent und Wagniskapital

Will ein Standort Weltmarktführer in einer Industrie hervorbringen, muss auch dafür gesorgt werden, dass genügend Start-up-Unternehmen ins Rennen gehen können. Dazu braucht es Talent und Wagniskapital. Erfolgreiche IT-Ideen gibt es in Deutschland genug. Doch diese Ideen zu großen, weltweit agierenden kapitalmarktfähigen Unternehmen zu führen - daran hapert es bei uns am Standort. In Deutschland sind bislang nur SAP und die Software AG zu Software-Unternehmen mit mehr als einer Milliarde Umsatz herangereift.

Deshalb gilt: Innovative Ideen müssen schneller und breiter als bisher aus den Instituten und Forschungslaboren in privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen überführt werden. Innovative Start-ups benötigen kräftige finanzielle Förderung und keine zaudernden Kapitalgeber. Deshalb brauchen wir ein innovationsfreundliches Investitionsklima. Und der politische Wille muss her, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen: vordringlich die steuerliche Förderung von Forschung & Entwicklung. Das zieht Investoren und Wagniskapitalgeber an.

Deutschland, das Land der Dichter und Denker, ist vor allem ein Land der Ingenieure. Aber wie lange noch? Angesichts des Fachkräftemangels und demografischen Wandels gilt es, gezielt Talente zu fördern und mehr junge Menschen - insbesondere Kinder aus Familien ohne akademischen Hintergrund - für ein Studium in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) zu gewinnen. Und unser Standort muss wieder attraktiver werden für die besten jungen Köpfe aus dem Ausland. Wir sollten nicht zulassen, dass die besten Talente aus Asien Deutschland nur aus dem Überflug kennen, auf dem Weg zum Studium in die USA. Gerade der Austausch mit den Ländern Asiens wird künftig zum Wettbewerbsfaktor im Internet der Dinge. In Deutschland ausgebildete Informatiker und Ingenieure aus China und Indien werden in ihrer Heimat Botschafter deutscher Standards, Architekturen und intelligenter Produkte.

Ich weiß, wir können es schaffen: Wenn es uns gelingt, Geschäftsmodelle à la Apple auf die Entwicklung, den Verkauf und den Betrieb intelligent vernetzter Produkte zu übertragen, ist mir um die Zukunft der IT-Industrie aus Deutschland nicht bange. Worauf es dabei ankommt, bringen deutsche Unternehmen mit - ein Händchen für Komplexität, technologische Finesse, starke Positionen in etablierten Industrien, den Drang zu neuen Ufern. Nun braucht es den absoluten Willen zum Erfolg: kritische Masse an Talent und Visionen, die Erhöhung des Innovationstempos, mehr Wagniskapital und die notwendigen politischen Rahmenbedingungen. Große Räder, keine Frage - doch wer an die Weltspitze will, muss sie drehen.

Ich freue mich auf Ihre Gegenwette!

Weitere Wetten finden Sie auf unserer Seite Wetten auf die nächste Dekade.