RAAD Research und BARC sehen Nachholbedarf

Jeder zweite Mittelständler nutzt BI

07.05.2010 von Werner Kurzlechner
Auch das ist eine Folge der Krise: Der Mittelstand setzt stärker denn je auf Business Intelligence, um auf unliebsame Überraschungen flexibler reagieren zu können. Auch die großen Anbieter drängen in diesen Markt und Experten geben den Anwendern Tipps, wie sie BI-Projekte angehen sollten.

Die Schlacht um den Mittelstand ist längst entbrannt: Große Anbieter von Business Intelligence (BI) wie Oracle, SAP und SAS buhlen mit günstigen Spezial-Paketen um die Gunst der kleinen und mittleren Firmen. Es ist ein Kampf, in dem es eine Menge zu gewinnen gibt. Denn bislang greift nicht einmal jedes zweite mittelständische Unternehmen auf BI-Tools zur vorausschauenden Datenanalyse und Unternehmenssteuerung zurück. Die Analysten von RAAD Research und des Business Application Research Centers (BARC) beobachten allerdings, dass sich im Markt etwas tut. Nicht nur wegen der Vielfalt an bezahlbaren Angeboten, sondern auch, weil der Mittelstand den Bedarf nach BI-Unterstützung spätestens seit der Krise erkennt.

Dass Bewegung im Markt ist, belegt eine Umfrage von RAAD Research unter mehr als 1800 IT-Leitern von mittelständischen Unternehmen aus dem vergangenen Herbst. 44 Prozent verfügen demnach über produktive BI-Landschaften, acht Prozent planen deren Aufbau. Zu den Vorreitern zählen Branchen unter permanent hohem Preisdruck wie Handel und Konsumgüterindustrie, in denen mehr als die Hälfte BI-Tools nutzt. Und das nicht nur im Controlling als klassischem Anwendungsfeld, sondern auch im Mittelstand. So optimieren laut RAAD Research Handelsunternehmen auch ihre Lagerhaltung mit Hilfe von BI. Alles in allem konzentriert sich BI im Mittelstand auf den Bereich Reporting. Das Potenzial zur Entscheidungsoptimierung mit Hilfe intelligenter Tools bleibt unausgeschöpft, so das Fazit von RAAD Research.

Ungenutzte Möglichkeiten also allenthalben? Einerseits ja. „Excel regiert im Mittelstand immer noch, das sehe ich aus vielen Kundenkontakten und Diskussionen“, sagt Berater Wolfgang Martin. Vor einem Jahr hat er gemeinsam mit dem Stuttgarter Institut für Business Intelligence herausgefunden, dass 66 Prozent der Mittelständler ihre Daten mit Hilfe von Excel erfassen. Unter Fachleuten gilt die manuelle Datenerfassung über Anwendungen wie Excel sowohl als vermeidbar aufwendig als auch als steter Quell von Fehlern.

Andererseits dürfte dieses Problem in einem mittelständischen Umfeld weniger durchschlagen als in großen Unternehmen. Denn die IT-Systeme in kleinen und mittleren Unternehmen sind in der Regel nicht allzu heterogen: Gut ein Drittel arbeitet mit einer zentralen Datengrundlage, bei weiteren 53 Prozent beschränken sich die Datenquellen auf zwei oder drei Systeme. Das bedeutet, dass die Dringlichkeit für eine Datenbereinigung weniger stark ausgeprägt ist. Umso direkter ließe sich in die Datenanalyse einsteigen. Indes waren die Erwartungen an eine schnellere und bessere Performance durch BI im Mittelstand bislang bescheiden. Laut der ein Jahr alten Studie des Instituts für Business Intelligence hegte nur die Hälfte der Firmen in dieser Hinsicht größere Hoffnungen.

Das scheint sich inzwischen nachhaltig zu verändern. „Die Finanzkrise hat die Entwicklung in jedem Fall beschleunigt“, sagt Carsten Bange, Geschäftsführer des Business Application Research Centers (BARC). So habe sich gezeigt, dass Planungsszenarien quasi über Nacht obsolet sein können und eine immer schnellere Anpassung an ein sich rasch veränderndes Marktumfeld nötig ist. Auch der Mittelstand habe verstanden, dass man sich langwierige Daten-Validierung auf Excel-Basis und überhaupt chaotische Zustände bei der Datenqualität nicht länger leisten könne. Je dynamischer der Markt und je verteilter die Datenstrukturen – zum Beispiel durch Vertriebs- oder Produktionsstätten im Ausland – , umso akuter der Handlungsbedarf, so Bange.

Lösungen oft überfrachtet

BARC schätzt die Marktlage ähnlich ein wie RAAD Research: Ungefähr die Hälfte der Mittelständler habe bereits ein BI-System implementiert, der Rest beschäftige sich derzeit mit einer Einführung, sagt Bange: „Bald wird die Frage nicht mehr lauten, ob BI vorhanden ist, sondern wie vertieft das der Fall ist.“ Klassischerweise zählen die Finanzabteilung und Vertrieb zu den ersten Nutzern, aber mittlerweile stellt BARC eine wachsende Durchdringung auch in Bereichen wie Verkauf oder IT-Controlling fest.

BI und der Mittelstand benötigen in jedem Fall noch Zeit, um flächendeckend zueinander zu finden. Die Studie von RAAD Research zeigt, woran es unter anderem hakt. Die Anwender aus dem Mittelstand sehen in ihren bestehenden IT-Systemlandschaften klare Stärken: zwei Fünftel nennen hier Flexibilität, auch individuelle Anpassung und Zuverlässigkeit werden lobend hervorgehoben. In kritischen Bereichen wie Preis, Performance, Übersichtlichkeit, Benutzerfreundlichkeit und Support fällt das Urteil indes durchwachsen aus. Gerade mittelständische Firmen haben laut RAAD Research besondere Ansprüche an eine gute und enge Betreuung und eine einfache Handhabung der Tools, die bislang allzu oft unerfüllt bleiben. Diese Bewertung bezieht sich zwar nicht explizit auf den BI-Bereich alleine, dürfte aber auch den Kern des Problems in speziell diesem Segment treffen. Beispielsweise ist aus Anwenderkreisen häufig die Kritik vernehmbar, BI-Lösungen seien funktional überfrachtet.

Dennoch stellt Carsten Bange von BARC fest: „Das Angebot wird besser.“ Im vergangenen Jahr seien die Preise spürbar gefallen. Zur seit Jahren vorhandenen Fülle mittelständischer BI-Anbieter, die auf die Zielgruppe Mittelstand spezialisiert sind, kamen die Angebote der Branchenriesen. In der Regel handle es sich dabei um die gleichen Tools, die großen Unternehmen angeboten werden, so Bange. Allerdings würden sie entweder mit abgespeckter Zahl an Funktionalitäten oder mit eingeschränkter Nutzerzahl günstig vertrieben. Für die Anwender habe dies Vorteile und Nachteile, so Bange: Sie können zum einen BI-Lösungen erwerben, die sich im Konzernumfeld seit langem bewährt haben. Zum anderen sind die Tools für komplexe Szenarien entwickelt und können manchen kleineren Betrieb im Alltag überfordern. Welcher Aspekt überwiegt, sollte jedes Unternehmen für sich klären.

Auch wenn die Angebote der Hersteller immer attraktiver werden, sollte BI für Mittelständler kein Selbstzweck sein. Wichtigster Ansatzpunkt für ein Engagement in diesem Bereich ist deshalb laut RAAD Research ein klar ausformuliertes Ziel. „Wenn ein Unternehmen selbst nicht weiß, wohin es sich in Zukunft entwickeln will, wird es nie die richtige Software für sich finden und leicht zum Spielball cleverer Vertriebler“, heißt es in der Studie.

BARC argumentiert ähnlich. Zunächst sollten die Anwender die Fragen der Strategie und der Architektur für sich beantworten. Also definieren, welche Prozesse besser gesteuert werden sollen und wie dafür eine qualitativ hochwertige Datenbasis geschaffen werden kann. „Wer sich darüber im Klaren ist, findet auch die richtige Software“, so Bange. Um die Vorzüge von BI auszunutzen, richten größere Unternehmen mittlerweile oft so genannte BI Competence Center ein. „Die Grundidee lässt sich auch auf den Mittelstand übertragen“, sagt Bange. Im Kern gehe es dabei ja darum, fachliches und technologisches Know-how zu bündeln. In einem kleineren Unternehmen heißt das nicht viel mehr, als dass sich ein Controller, der die entscheidenden Kennzahlen kennt, und ein IT-Fachmann gemeinsam um das BI-Projekt kümmern. Meist genüge es, einmal im Monat die anderen betroffenen Abteilungen für eine kurze Abstimmung der folgenden Schritte in Boot zu holen, so Bange.

Entscheidungshilfe von Experton

Eine konkrete Entscheidungshilfe für Mittelständler, die mit einer Einführung oder Erneuerung von BI-Tools liebäugeln, geben die Berater der Experton Group. Sie haben einen Katalog von acht Fragen zusammengestellt, die Unternehmen vor einem Projektstart für sich klären sollten:

Suche nach der passenden Lösung

Wenn diese Fragen beantwortet sind, kann die Suche nach der passgenauen Lösung beginnen. Sie sollte nicht allzu lange dauern, denn der Markt ist mittlerweile vielfältig genug. Er bietet sogar immer mehr – und das immer öfter auch zu erschwinglichen Preisen.