Der Abstieg von Blackberry

Kommentar: Wohin steuert RIM?

07.07.2011 von Moritz Jäger
Quartalszahlen nach unten korrigiert, ein Tablet ohne E-Mail-Client, Entlassungen und nun der ominöse Brief eines angeblichen RIM-Managers. Ein Kommentar zum langen Abstieg eines der Top-Players im Mobilfunkbereich.
CIO.de-Kommentar von Moritz Jäger.
Foto: Moritz Jäger

Der Blackberry-Hersteller Research in Motion hat es nicht leicht: Der Business-Markt, ein ehemals lukrativer Bereich, schrumpft zusammen. Nutzer wollen sich nicht mehr dem Diktat der IT-Abteilung unterwerfen, Geräte mit Apples iOS oder Google Android finden ihren Weg in die Firmen.

Mit dem Playbook hat der Konzern zwar einen der wenigen Konkurrenten zum iPad vorgestellt, doch auch hier bleibt RIM hinter den Erwartungen zurück. Die Folge ist ein massiver Abbau von Personal, dessen Umfang noch nicht klar ist. Dazu kommen weitere Hiobsbotschaften: Das eigentlich für das Weihnachtsgeschäft geplante 10 Zoll große Playbook wurde Gerüchten zufolge auf die lange Bank geschoben - stattdessen soll es ein "Super Smartphone" mit QNX als Betriebssystem geben - ein Betriebssystem, das zwar stabil läuft, aber noch lange nicht so weit ist, wie Versionen des aktuellen Blackberry OS. Das sieht man beispielsweise an der geringen Anzahl von Apps.

Wie groß die Probleme wirklich sind, zeigt ein anonymer, offener Brief an die beiden RIM Co-CEOs Jim Balsillie und Mike Lazarides, der von der Newsseite Boy Genius Report veröffentlicht wurde.

In dem anonymen Schreiben wird beispielsweise angesprochen, dass es keinerlei Verantwortlichkeiten gibt, Projekte nicht ausreichend konsolidiert werden und deswegen ausufern oder es an einfachen und guten Tools für Entwickler fehlt.

RIM inzwischen reagiert und die Echtheit des Briefes angezweifelt, zahlreiche Mitarbeiter selbst scheinen aber grundsätzlich mit dem Schrieb übereinzustimmen.

Selbst wenn der Brief eine komplette Fälschung ist, er legt den Finger in zahlreiche Wunden, die sich RIM in den letzten Jahren zugezogen hat. Blackberrys gelten nur für die wenigsten Nutzer als "chic", und selbst die müssen einräumen, dass die Smartphones auf der App-Seite mit iPhone und Android nicht mithalten können (ein Problem, das übrigens auch HP/Palm oder Symbian hat).

Auf der anderen Seite haben Apple und Google gezeigt, dass man im mobilen Bereich innerhalb kürzester Zeit zu einer Marktmacht aufsteigen kann - wenn Produkt, Entwickler-Support und Dienstangebot stimmen.

Bold 9900
Blackberry Bold 9900
Der Bold 9900 - natürlich wird es auch ein QWERTZ-Keyboard geben.
Blackberry Bold 9900
Die Rückseite des Bold 9900.
Blackberry Bold 9900
Der Bold 9900.
Blackberry Bold 9900
Der Blackberry 9900 in der Frontansicht.
Blackberry Bold 9900
Vor allem am Design hat RIM kräftig gearbeitet.
Blackberry Bold 9900
Verglichen mit dem Bold 9700 gewinnt die Tastatur des Bold 9900 deutlich an Breite.
Blackberry Bold 9900
Der Bold 9900 im Vergleich mit dem Bold 9700.
Blackberry Bold 9900
Der Akku des Bold 9900, auf dem Deckel sind die Drähte für NFC verlegt.

Verirrt zwischen den Märkten

Am Playbook wird das eigentliche Problem des kanadischen Herstellers sichtbar: RIM ist in die Mühlen zwischen Consumer- und Business-Welt geraten. Für den Business-Bereich wäre das Tablet ideal gewesen - ein guter Browser, kombiniert mit der Blackberry Bridge. Allerdings wollten die Kanadier auch gleich die Consumer in einem Aufwasch mit abgreifen - und im Vergleich zum Platzhirschen iPad fehlen dem Playbook einfach Funktionen, Apps und Zubehör. Dafür wurde die Business-Seite vernachlässigt, so gibt es beispielsweise immer noch keinen Server zur zentralen Verwaltung des Gerätes, ebenso wie ein eigener E-Mail-Client soll dies alles "im Sommer" kommen.

Das gleiche gilt für die Smartphones: Die Consumer-Funktionen wirken nachträglich angebaut, die Geräte sind irgendwie klobig und nicht "hipp". Das Touchgerät Blackberry Storm war eine mittlere Katastrophe, zumindest im direkten Vergleich mit dem iPhone.

RIM profitiert aktuell noch vom Blackberry Enterprise Server und von den Emerging Markets in Indien, Südamerika und Afrika. Doch auch hier werden die Nutzer nicht für immer zu Blackberrys greifen, iPhone, Nexus S und Co sind einfach zu verlockend.

Dabei ist das System für Unternehmen nicht schlecht: Wer mehrere hunderte Smartphones verwalten und eigene Programme aufspielen muss, der kann nicht jedes Gerät einsammeln, patchen, einrichten und wieder austeilen.

Der kanadische Konzern hat eine Restrukturierung dringend notwendig. Die Zeiten, in denen Push-E-Mail noch ein Verkaufsschlager war, sind bei mobilen Datenraten von mehr als 10 MBit/s längst vorbei. RIM täte gut daran, wenn sie ihre Plattformen für andere Systeme öffnen - mit dem Kauf von Ubitexx sieht es so aus, als würde der Kurs in diese Richtung gehen. Das Münchner Unternehmen bietet unter anderem eine Lösung, mit der sich iPhone, iPad, Symbian, Android oder Windows Mobile verwalten lassen.

Nicht umsonst lautet eins der ältesten Business-Mantras:

Get Big, Get Niche or Get Out

Und es ist nicht so, dass sich alle CIOs dem Jubel um der Privaten Geräte im Unternehmen anschließen. Das Gegenteil ist oft der Fall, wie unser Artikel zeigt.

Vielleicht ist RIM, der Hardware-Hersteller am sterben - aber RIM, der Software-Hersteller kann hier mit Verwaltungslösungen glänzen.