On Demand - IT-Ressourcen auf Abruf

Leistung flexibel gestalten

08.03.2004
Schneller, flexibler und billiger muss die IT werden, wenn sie das Unternehmen im schnell wechselnden Tagesgeschäft unterstützen will. Ob Anbieter mit On-Demand-Lösungen dies tatsächlich können, ist ungewiss.

"Was an unserer Lösung On Demand sein soll, weiß ich auch nicht. Für mich ist das normales Outsourcing", sagt ein CIO auf Nachfrage zu seinem neuen SAP-Outsurcing-Vertrag. Viele Anbieter preisen ihre Produkte unter dem Label "On Demand" an, auch wenn dahinter noch wenig steckt, was den Ausdruck verdient. Angesichts der Hype-Züge annehmenden Werbung warnt Analyst Frank Gens vom Marktforschungsunternehmen IDC vor einem gefährlichen Missverständnis zwischen dem, was CIOs erwarten, und dem, was Anbieter tatsächlich liefern können. Für Dieter Pfaff, CIO der Essener RAG Aktiengesellschaft, steht allerdings fest: "Der Grundgedanke ist richtig, er wird die IT künftig bestimmen."

Grundlegendes Ziel aller Bestrebungen: Externe Dienstleister, aber auch interne IT-Abteilungen sollen je nach aktuellem Geschäftsbedarf schnell und flexibel IT-Ressourcen zur Verfügung stellen, wobei nur nach dem tatsächlichen Ressourcenverbrauch abgerechnet wird. Wenn es nach den Anwendern geht, darf es unterm Strich gern weniger kosten als zuvor. Ob die Kostenersparnis tatsächlich eintritt, ist jedoch offen: Anbieter müssen ihre Infrastrukturen neu aufbauen und genügend Kunden finden, um ihre Rechenzentren wirtschaftlich auszulasten. "Dass On Demand billiger ist, steckt nicht selbstverständlich im Begriff drin. Ich zweifle daran, ob es prinzipiell billiger sein kann. In allen Märkten der Welt lassen sich Anbieter Flexibilität bezahlen", so Pfaff.

Technik hinkt noch hinterher

Zurzeit stecken hinter den meisten Konzepten mehr Ideen als fertige Angebote. Damit On-Demand-Modelle überhaupt funktionieren, müssen Anbieter zunächst Vorleistungen erbringen. "Die Hardware muss für alle möglichen Lastsituationen der verschiedenen Anwendungen frei skalierbar sein, und die Software muss diese On-Demand-Fähigkeit nutzen können", sagt Pfaff. Beim Speichern im Storage Area Network (SAN) seien diese Hürden hervorragend übersprungen. "Bei Prozessoren, also im Server-Bereich, und bei den Betriebssystemen existieren bislang aber nur Ansätze. Und offen ist auch, ob die Anwendungssoftware mit dieser Hardware zurechtkommt", sagt Pfaff und gibt zu bedenken: "Es ist noch völlig ungeklärt, wann diese Technologien zur Verfügung stehen."

Trotzdem hat sich Philips Semiconductors auf den Weg zu Utility Computing gemacht. Die Halbleitersparte hat vor zwei Jahren in Nijmegen damit angefangen, das Utility Data Center (UDC) von HP einzuführen. "Damit wollen wir eine stärker kundenzentrierte Infrastruktur aufbauen, mit der wir das Rechenzentrum konsolidieren sowie die Flexibilität und das Zahlen-nach-Nutzung verbessern können", sagt Wim Verkuijlen, Vice President Enterprise Computing Infrastructure von Philips. Aber mit der Vision des virtualisierten Rechenzentrums hat das für ihn noch wenig zu tun: "Das Utility-Konzept steckt noch in den Anfängen, aber wir verfolgen die Entwicklung sehr genau."

Bislang nur taktisches Element

Weil solche Konzepte technisch noch wenig ausgereift sind, werden heutige Angebote zwar als On Demand beworben, doch Dienstleister stellen sie meist noch "klassisch", ohne neue On-Demand-Techniken, bereit. So lässt beispielsweise der Münchener IT-Dienstleister Siemens Business Services (SBS) fünf SAP-Datenbanken auf einem Server laufen. "Shared-Datenbanken sind nur ein erster Schritt in Richtung On-Demand, dem weitere in Richtung Flexibilisierung der Ressourcen folgen müssen", sagt Christian Oecking, President Global Outsourcing. Nach seiner Vorstellung von On Demand sollten Dienstleister und Hardware-Anbieter die verbrauchsabhängigen Bereitstellungskosten gemeinsam übernehmen. "On Demand ist ein großes Risikoverlagerungsthema", so Oecking. Er sieht On Demand bislang als taktisches Element für Firmen an, weil dahinter nur eine andere Form stehe, wie Outsourcing-Leistungen geliefert werden. "Strategisch relevant wird es in ein bis zwei Jahren, wenn ganze IT-Service-Prozesse nicht mehr pauschal, sondern verbrauchsabhängig abgerechnet werden."

Der Hersteller von Sitzkomponenten Keiper Recaro bezahlt seit Januar 2003 seinen ausgelagerten SAP-Betrieb pro Anwenderarbeitsplatz. Outsourcing-Partner Triaton bezeichnet diese Form als On Demand, weil zusätzliche Kapazitäten auf Wunsch sofort hinzugeschaltet werden können. Für die zurzeit rund 1700 registrierten Anwender setzen sich die Gesamtkosten nun aus Grundlast, Arbeitsplatzpreis und Plattenkapazität zusammen. "Beim vorherigen Dienstleister gab es nur Festpreise, die für uns nicht transparent waren. Jetzt messen wir die monatlichen Schwankungen und zahlen pro Nutzer eine zuvor festgesetzte Summe mehr oder weniger", sagt Fred Höwener, Leiter Competence Center SAP/ERP.

ASP im neuen Gewand

Nach Nutzer zahlt seit Dezember 2003 auch die Paderborner Webwasher AG für ihre Kundenmanagementsoftware. Nachdem die hauseigene Entwicklung den komplexen Anforderungen des Vertriebs nicht mehr genügte, entschied sich der Anbieter von Web-Sicherheitslösungen für das seit November 2003 existierende CRM-On-Demand-Modell von Siebel Systems. Webwasher bezahlt jetzt Jahreslizenzen pro User im Jahr. Den Vorteil sieht er vor allem darin, dass er für den CRM-Betrieb keine eigenen Mitarbeiter und Ressourcen bereitstellen muss. Matzen gibt den Auftrag an den Anbieter, dieser stockt die Kapazitäten umgehend auf. Ob diese Lösung den Namen On Demand verdient, ist eher fraglich. "Im Grunde ist das eine Application-Service-Providing (ASP)-Lösung für CRM", sagt der CFO und IT-Verantwortliche Christian Matzen.

Lässt sich die Anzahl der Arbeitsplätze noch einfach mit standardisierten Preisen versehen, so kann man Prozesse und Services ungleich schwerer abrechnen. Vor dieser Schwierigkeit steht auch die Dresdner Bank, die ihre Finanzdatenbank an IBM verkauft hat. Auch hier verzichtete IBM nicht auf den Hinweis, dass es sich um eine On-Demand-Lösung handelt. Der Hauptgrund dieses Deals besteht jedoch darin, dass die Dresdner ihre selbst entwickelte Finanzdatenbank über IBM als neutralen Anbieter vermarkten will. In die Datenbank laufen alle nicht kundenbezogenen Finanzinformationen wie Aktienkurse, Währungen und Edelmetallpreise ein. "Das ist der erste Fall von Business-ProcessOutsourcing dieser Art", erzählt Georg Neuhold, Leiter Portfolio-Modelle und Marktdaten bei der Dresdner Bank. "Wir sparen dabei zwischen 20 und 25 Prozent der vorherigen Kosten ein."

On Demand lassen sich die Daten bislang allerdings kaum für potenzielle neue Nutzer abrufen, weil die Analysen bei jedem Finanzdienstleister individuell und sehr komplex sind. Erst wenn die Partner ihr Fernziel erreichen, kommt es dem Modell On Demand näher. "Wenn Sonderleistungen nach und nach zu Standardleistungen werden, können wir viele Leistungen in definierte Scheiben schneiden und auf Abruf anbieten", so Neuhold.

Trotz der ernüchternden Praxis warnt Metagroup-Berater Pascal Matzke: "On Demand ist zwar noch nicht das, was sich CIOs erhoffen. Es gibt aber Fortschritte, das darf man nicht kleinreden." Er weiß natürlich auch, dass so mancher als On Demand veröffentlichte Vertrag nicht wegen besonders flexibler Leistungen und Abrechnungsmodelle geschlossen wurde. Vielmehr gab einfach oft das beste Finanzierungsmodell eines Anbieters den Ausschlag.

Die Weichen schon jetzt stellen

Den Weg in die flexible Zukunft hält er aber für unumkehrbar, die Weichen müssten bereits jetzt gestellt werden. Dazu sollten CIOs ihre Geschäftsbereiche und ihre Anforderungen genau kennen und daraus die Strategie ableiten: In welchen Bereichen sollten die Kosten unbedingt sinken und können deswegen herausgegeben werden? Welche Bereiche sind innovativ und geschäftskritisch und damit strategisch wichtig für das Unternehmen? Am Schluss muss ein rigides Lieferantenmanagement mit klar definierten Service Level Agreements aufgebaut werden.

Was so simpel klingt, macht viel Arbeit. Denn CIOs müssen ihre IT komplett aufnehmen, Kosten einzelner Prozesse ermitteln und ihre IT kommerziell ausrichten. Matzke: "Das Business muss die IT ernst nehmen und die IT das Business." Laut Metagroup verfehlen 80 Prozent aller Unternehmen diese Aufgabe: Interne Politik, Angst vor Veränderungen und die Unternehmenskultur erschweren den Übergang. "Für IT-Abteilungen ist das eine kulturelle Veränderung, an der viele scheitern", sagt Matzke.