Analysten-Kolumne

Mittelstand findet wieder zur IT

02.08.2006 von Christian Glas
Der Mittelstand machte in Bezug auf IT-Investitionen in den letzten Jahren keine Schlagzeilen. Doch hier tritt langsam eine Wende ein, denn es herrscht großer Nachholbedarf an IT-Projekten bzw. neuer Software. Lange können Mittelständler ihre Investitionen nicht mehr aufschieben, ohne den Anschluss an den Wettbewerb zu verlieren.

In den nächsten Jahren, so rechnet PAC, wird der Umsatz von Software-Anbietern und IT-Dienstleistern im Mittelstand schrittweise, aber nachhaltig ansteigen, wobei sich das Marktwachstum im oberen einstelligen Prozentbereich bewegen wird. Die Betonung liegt auf langsam - einen raschen Umschwung wird es trotz des beträchtlichen Nachholbedarfs nicht geben. Denn der Mittelstand geht Investitionen eher vorsichtig konservativ an. An der Mentalität, sein Geld zusammenhalten zu wollen, ist auch grundsätzlich nichts falsch - kleinere Unternehmen müssen schließlich ganz anders rechnen als die großen. Wenn jedoch gerade an der IT gespart wird, geht der Schuss früher oder später nach hinten los.

Dessen sind sich Mittelständler auch zunehmend bewusst. Die Globalisierung macht vor ihnen nicht Halt. Um dem wachsenden globalen Wettbewerb und dem damit verbundenen Kostendruck Paroli zu bieten, verlagern kleine und mittelständische Unternehmen (SMBs) ihre Produktion, zum Teil auch ihre Entwicklung, immer häufiger ins Ausland. Gleichzeitig wollen sie natürlich die Früchte der Globalisierung ernten und sich neue Märkte erschließen, was nicht selten über Zukäufe ausländischer Firmen oder Partnerschaften geschieht. Beides gibt gerade dem IT-Projektgeschäft Auftrieb, da neue Standorte im Ausland oder neue Unternehmen in die bestehenden IT-Systeme integriert, bzw. unterschiedliche IT-Landschaften harmonisiert werden müssen. Hier ist ein deutlicher Trend zur Standardisierung zu beobachten.

Zudem definiert der Mittelstand die Rolle der IT allmählich neu. Die Bedeutung von IT für Innovationen wurde lange nicht gesehen, denn deren Hauptaufgabe lag in der Kostensenkung. Doch mit den immer kürzeren Produktlebenszyklen müssen mittelständische Unternehmen selbst schneller und flexibler werden, sodass IT einen neuen Stellenwert als Innovationsträgerin bekommt. So stützt IT neue Technologien wie RFID und macht SMBs flexibler, indem sie beispielsweise "time-to-market" entscheidend verkürzen kann.

Wohin fließen die neuen Investitionen? Im Bereich Anwendungs-Software steht die Optimierung der Logistik im Vordergrund, was zum einen das Thema SCM vorantreibt, zum anderen RFID. Von RFID versprechen sich im Handel und der Fertigungsindustrie aktive SMBs kürzere Durchlaufzeiten und eine geringere Fehlerquote, wie die Vermeidung von Fehl- oder Spätlieferungen oder Warenverluste. Außerdem nimmt die Nachfrage nach mobilen Lösungen zu, die zum Beispiel zur Anbindung des Außendienstes genutzt werden oder zur vertikalen Integration technischer und kommerzieller IT-Systeme. Schließlich erlebt auch im Mittelstand das Thema CRM einen Aufschwung.

ERP-Systeme: Lieber Zusammenarbeit mit externen IT-Anbietern

Auf die Bedeutung der Globalisierung für das Projektgeschäft wurde bereits hingewiesen. Gleichzeitig vergrößert die zunehmende Zusammenarbeit im Rahmen von Partnerschaften den Integrationsbedarf. In der Automobilbranche beispielsweise arbeiten die Großkonzerne immer enger mit ihren meist mittelständischen Zulieferern zusammen, die mehr und mehr den Status von Systempartnern erlangen. Ihr Anteil an der Wertschöpfung wird kontinuierlich wachsen. Ebenfalls viele Projekte werden rund um die Ablösung von Altsystemen und individuellen Software-Lösungen - gerade auch im Handelssektor - entstehen.

Fällt in mittelständischen Unternehmen die Entscheidung für neue Technologien, z.B. die Einführung eines neuen ERP-Systems, ziehen sie in der Regel die Zusammenarbeit mit einem externen Anbieter vor, statt die nötigen Kompetenzen intern aufzubauen. Daher kommt der Outsourcing-Markt im Mittelstand langsam in Schwung. Externe IT-Anbieter sollen SMBs zunehmend auch helfen, die Internationalisierung besser zu bewältigen, ihnen eine höhere Verfügbarkeit zu gewährleisten oder den Rücken freizuhalten, sodass sie sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können. Häufig werden SAP-Funktionalitäten oder IT-Infrastrukturen ausgelagert.

Bei der Auswahl eines IT-Anbieters kommt das Prinzip der gleichen Augenhöhe zum Tragen: Am liebsten arbeiten Mittelständler mit Mittelständlern zusammen, umso mehr, wenn sie in derselben Region ansässig sind. Kleinere IT-Anbieter gehen in der Regel flexibler auf Kundenwünsche ein und bieten ihre Leistungen zu geringeren Tagessätzen an. Außerdem ist Vertrauen der Schlüssel für das Zustandekommen einer Zusammenarbeit: Dies wird zum einen durch Referenzen, zum anderen aber auch durch die finanzielle Stabilität eines IT-Partners vermittelt. Nach wie vor tun sich große IT-Anbieter in diesem auch für sie interessanten Markt schwer. Um auf gleiche Augenhöhe zu kommen, sind einige Konzerne dazu übergegangen, eine eigene Geschäftseinheit mit dem Mittelstandsgeschäft zu betrauen (z.B. T-Systems), oder dieses Segment zusätzlich auch mit eigenen Mittelstandstöchtern anzugehen (z.B. IBM).

Insgesamt wird auf diesem IT-Marktsegment mit harten Bandagen gekämpft. Gerade im Bereich ERP hat eine starke Konsolidierungswelle die Anbieter erfasst. Denn die neue SOA-basierte Software-Generation erfordert sehr hohe Investitionen, die Mittelständler allein nicht tragen können. Dies begünstigt Zusammenschlüsse, wie die Übernahme von SSA Global durch Infor Global Solutions oder der bäurer GmbH durch Sage, sowie Partnerschaften, wie zum Beispiel die Kooperationen zwischen SoftM und Bison.

Christian Glas ist Analyst bei PAC.