Home Office

Mobiles Arbeiten erfordert mehr Selbstorganisation

21.08.2013 von Ingrid  Weidner
Dürfen IT-Mitarbeiter selbst entscheiden , ob sie lieber im Büro oder zu Hause arbeiten, gehen sie motivierter an ihre Aufgaben ran. Flexible Arbeitsmodelle müssen aber besser organisiert werden, darin sind sich Experten einig.
Home Office ist für viele die attraktive Ergänzung zum Schreibtisch im Büro.
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Die Idee ist keineswegs neu. Mobil und von überall aus arbeiten war lange ein unerfüllter Traum vieler Arbeitnehmer. Doch dank moderner IT-Technologie wagen sich heute mehr Firmen an flexible Arbeitsformen heran.

Verdi-Mann Karl-Heinz Brandl zieht ganz am Anfang einer Diskussionsrunde zu dem Thema die etwas antiquierte Broschüre „Telearbeit" aus der Tasche. Schon der museumsreife Computer auf dem Titelblatt bringt ihm einige Lacher ein. „Die Mehrheit wünscht sich mobiles Arbeiten, sagt Brandl, Leiter IKT-Projekt im Fachbereich Telekommunikation/IT in der Verdi-Bundesverwaltung in Berlin. Doch seit diesen ersten Ansätzen hat sich einiges getan. Smartphone, VoIP, Tablet-PCs und Laptops mit der entsprechenden Software und IT-Infrastruktur verknüpft, verschafften den Wünschen nach einem mobilen Arbeitsplatz neuen Schub. Konzepte für moderne Arbeitswelten sind heute aktueller denn je, das Home Office entwickelt sich für immer mehr Arbeitnehmer zur attraktiven Ergänzung zum Schreibtisch im Büro.

Homeoffice I
Nach Feierabend abschalten
Feierabend und Ferien gelten auch bei flexiblen Arbeitsplatzmodellen.
Eignung prüfen
Eigene Eignung für flexible Arbeitsmodelle kritisch überprüfen.
Selbstbewusstsein entwickeln
Auch bei flexiblen Arbeitsplatzmodellen hat der Arbeitgeber keinen Anspruch auf ständige Rufbereitschaft.
Verantwortung übernehmen
Der Mitarbeiter übernimmt mehr unternehmerisches Denken und sollte sich seiner Verantwortung gegenüber dem Arbeitgeber bewusst sein.
Klare Ziele setzen
Flexible Arbeitsmodelle sind kein Abstellgleis, aber sie erfordern mehr Durchsetzungswillen und Präsenz, um sich weiter zu entwickeln.
Richtig kommunizieren
Die eigenen Aufgaben, Prozesse und Termine klar kommunizieren.
Arbeitsrhythmus neu definieren
Den eigenen Rhythmus finden: Der Arbeitsrhythmus sollte an die eigene Produktivität und die persönlichen Bedürfnisse angepasst werden, ohne dabei die Prozesse im Team zu missachten.
Mit Kollegen austauschen
Networking ist Pflicht: Die virtuelle Präsenz entbindet den Mitarbeiter nicht von seinen Aufgaben als Teammitglied, dazu zählen nicht nur die reinen Jobkriterien, sondern auch die Sozialkompetenz.
Sorgfältig arbeiten
Gerade bei virtuellen Teams ist professionelles Wissensmanagement mit einem eindeutigen Ablagesystem Pflicht.
Sich selbst managen
Flexible Arbeitszeit und Arbeitsplatzmodelle verlangen ein hohes Maß an Selbstorganisation, das nicht jeder aufbringt.

Home office: Die Stolpersteine

Doch welche Handicaps gibt es? Was sollten Unternehmen beachten, die ihren Mitarbeitern mehr Flexibilität bieten möchten? Diese Fragen diskutierte eine Expertenrunde auf Einladung von Aecom in München. „Am Anfang sollte eine Mitarbeiterbefragung stehen", empfiehlt Axel Praus, Geschäftsführer von Aecom Deutschland. Seiner Erfahrung nach sprächen sich meistens 65 bis 70 Prozent dafür aus, von zu Hause aus zu arbeiten. Eine andere wichtige Frage sind die Jobprofile. Nicht alle Aufgaben lassen sich von einem anderen Ort aus bewältigen. „Wir haben Jobcluster gebildet und festgestellt, dass sich 60 Prozent der Jobs bei der Telekom für das mobile Arbeiten eignen", erläutert Jörg Langer von der Deutschen Telekom.

Das Unternehmen bietet alternierende Konzepte für seine Angestellten an. „Die Mitarbeiter sollen nicht die ganze Zeit von zu Hause aus arbeiten, denn der Kontakt untereinander und im Team sind wichtig", erläutert Langer. Ganz ins Home Office möchte kaum jemand seine Belegschaft verbannen. Beim Plausch in der Teeküche entstehen manchmal bessere Ideen als am Schreibtisch. Gemeinsame Projekte und Teamarbeit lassen sich trotz technischem Equipment nicht immer über weitere Distanzen realisieren.

Auch in der Software-Entwicklung beispielsweise gibt es Grenzen. „Gerade bei der Scrum-Methode ist es erforderlich, dass sich das Team regelmäßig trifft", weiß Verdi-Mann Brandl. Große IT-Konzerne wie IBM, T-Systems oder auch SAP, die Brandl näher kennt, beschäftigen sich schon länger mit mobilen Arbeitswelten. „Viele CIOs der Großunternehmen haben sich das auf die Fahnen geschrieben."

Mehr Organisation nötig

Allerdings erfordern mobile Arbeitsmodelle ein mehr an Organisation, auch daran ließ die Diskussionsrunde keinen Zweifel. Betriebsvereinbarungen stecken den rechtlichen Rahmen ab. Das reicht mitunter von der Ausstattung des Home-Office bis zur Heizkostenabrechnung des häuslichen Büros. Informationsveranstaltungen und klare Absprachen zu Beginn des Projektes helfen auch den Mitarbeitern, über Zweifel und Bedenken mit ihren Vorgesetzten zu sprechen. Schließlich beinhalten viele Vereinbarungen auch, wie Angestellte ihre Arbeitszeiten erfassen können und wie sie mit dem Thema Datenschutz umgehen.

Selbst wenn sich CIOs besonders für mobiles Arbeiten begeistern, umsetzen muss es meist das mittlere Management, das mitunter noch in traditionellen Mustern denkt und eine Anwesenheitskultur favorisiert. Sofie Geisel vom Netzwerkbüro „Erfolgsfaktor Familie" räumt ein, dass es mitunter schwierig ist, Termine für Meetings zu finden, wenn Mitarbeiter viel von zu Hause aus arbeiten.

Wenn Unternehmen sich zusätzlich vom Konzept eines festen Schreibtisches für jeden Mitarbeiter verabschieden, sparen sie Büroflächen ein, was gerade in Ballungsräumen mit hohen Mieten einen extra Anreiz bietet. Außerdem bringen sie ihre Angestellten auf Trab, denn neue Nachbarschaften fördern zumindest im Idealfall auch neue Ideen. Doch Einsparpotenziale treiben längst nicht alle Arbeitgeber an. Manche haben schnell gelernt, dass sie auf junge Mitarbeiter viel attraktiver wirken, wenn sie ihnen flexible Arbeitszeitmodelle und mobiles Arbeiten ermöglichen.

Homeoffice II
Klare Vereinbarungen treffen
Flexible Arbeitsmodelle erfordern klare Vereinbarungen. Nur wenn die Rahmenbedingungen transparent und Erwartungen eindeutig formuliert sind, kann daraus eine vertrauensvolle neue Arbeitskultur entstehen.
Nutzung freistellen
Nicht für jeden Mitarbeiter eignet sich Arbeiten im Home-Office: Jedem Mitarbeiter sollte freigestellt sein, diese Angebote im Unternehmen zu nutzen.
Mitarbeitern vertrauen
Als Arbeitgeber sollte man seinen Mitarbeitern vertrauen und "loslassen" können.
Mitarbeiterleistung messen
Die Leistung von Mitarbeitern muss objektiv definiert und gemessen werden.
Führung nicht vernachlässigen
Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn: Auch Mitarbeiter ohne permanente Anwesenheit brauchen Führung.
Fürsorgepflicht ernst nehmen
Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern. Diese gelten auch und insbesondere für flexible Arbeitsplatzmodelle.
Neue Meetingkulturen schaffen
Bei aller Flexibilität: Neue Meetingkulturen erleichtern effiziente und effektive Arbeitsprozesse innerhalb der Teams.
Gemeinschaftsgefühl stärken
Den direkten Austausch fördern, sich gegenseitig schätzen - und so die Zusammenarbeit und das Gemeinschaftsgefühl stärken.
Mitarbeiter willkommen heißen
Mitarbeiter müssen sich im Unternehmen willkommen fühlen und haben ein Anrecht auf einen Arbeitsplatz.
Unternehmenskultur überprüfen
Neue Arbeitsstrukturen können nur erfolgreich sein, wenn sie mit der Unternehmenskultur, der Philosophie und den Unternehmenszielen vereinbar sind.