Personalentwicklung

Projekte ohne Festangestellte

22.02.2012 von Hartmut Lüerßen
Automatische Matching-Prozesse dürften auch für IBM ein Treiber sein, um mit weniger Festangestellten auszukommen. Bei Projekten sollten IT, Einkauf und HR eng zusammenarbeiten, meint Hartmut Lüerßen von Lünendonk in seiner Kolumne.
Hartmut Lüerßen ist Partner bei Lünendonk in Kaufbeuren.
Foto: Lünendonk GmbH

Die Art und Weise, wie IT-Projekte gesteuert und wie die Projektteams zusammengesetzt werden, hat sich stark verändert. Der Anteil externer Fachkräfte in den Projekten hat stark zugenommen. Gleichzeitig hat das Personalressort wenig Einblick, was Umfang und Kompetenzen der externen Mitarbeiter angeht. Für eine strategische Personalentwicklung fehlen damit einige wichtige Voraussetzungen.

Analysiert man die IT-Projektstrukturen, wird deutlich: Sogenannte Mixed Teams aus internen und externen Experten gehören inzwischen zur regelmäßigen Praxis der Unternehmen.

Dabei kommen neben externen Projektteams von festangestellten Beratern klassischer IT-Beratungs- und IT-Service-Unternehmen auch freiberufliche IT-Experten zum Einsatz. Diese werden teilweise auch über die IT-Beratungs-Unternehmen vermittelt, überwiegend jedoch über spezialisierte Anbieter wie Hays, Reutax, Goetzfried, Gulp, Experis (ehemals Elan IT) oder 1st Solution Consulting rekrutiert.

Der IT-Einkauf hat an Bedeutung gewonnen

Seit Anbieter aus Nearshore- und Offshore-Ländern mit einer höheren Kontinuität und hochkarätigen deutschsprachigen Beratern hierzulande die Kunden betreuen, gewinnt auch dieses Modell weiter an Vertrauen und Normalität. Die Berater vor Ort betreuen den Kunden in Deutschland und steuern parallel die Projektteams international. Der IT-Einkauf hat dabei in den großen Unternehmen substanziell an Bedeutung gewonnen.

Neben der kaufmännischen Verhandlung der Angebote übernimmt der Einkauf inzwischen oft auch wichtige Aufgaben in der Steuerung der externen Dienstleister von der Verhandlung von Rahmenverträgen, Entwicklung von themenspezifischen Preferred-Partnern bis hin zur Durchführung von Zufriedenheitsmessungen nach Projektabschluss.

Zahl der IT-Dienstleister wurde reduziert

Überwiegend haben die großen Unternehmen in den letzten Jahren die Zahl der Dienstleister reduziert, das externe Auftragsvolumen jedoch ausgeweitet. Die Steuerung der externen Dienstleister wird damit zwangsläufig wichtiger.

Nachdem im Jahr 2011 aufgrund hoher Auslastungsquoten und verzögerter Projektbesetzungen der Trend eher weg von der weiteren Anbieterkonsolidierung hin zu Sicherung der Lieferfähigkeit und der Projektbesetzung ging, stellt sich die Frage, wie die Unternehmen zukünftig ihre Kompetenzbedarfe intern und extern steuern. Die Engpässe an Spezialisten in Deutschland bei starker Konjunktur dürften zukünftig zur Regel werden.

In Phasen geringen Wirtschaftswachstums kann die höhere Verfügbarkeit von externen Spezialisten aufgrund eingefrorener oder gestrichener Budgets nicht genutzt werden. Hier besteht der Mangel dann in den Projektbudgets.

Schneller Start verkürzt Projektlaufzeit

Ein schnelleres Starten von Projekten ist ein Schritt, der eine höhere Projektbesetzungsquote und verkürzte Projektlaufzeit unterstützt. Dieses Potenzial haben viele Einkauforganisationen in den letzten Jahren beispielsweise aktiviert, in dem gemeinsam mit der IT-Abteilung für die wichtigsten Themenfelder jeweils ein Pool von Anbietern definiert wurde, die bei Projektausschreibungen angefragt werden und mit denen bereits Rahmenverträge für die verschiedenen Berater-Skill-Level verhandelt wurden. Die Dauer von der Bedarfsmeldung bis zur Beauftragung eines externen IT-Experten konnte so auch bei großen Organisationen signifikant verkürzt werden.

Dass trotz einer gestiegenen Vielfalt bei der Projektbesetzung eine höhere Transparenz gelingen kann, klingt auf den ersten Blick wie ein Widerspruch. Denn vor Beginn solcher Einkaufsprogramme zur Partner-Kategorisierung und Konsolidierung waren oft nur die Summen der an die verschiedenen Partner-Unternehmen gezahlten Rechnungen bekannt.

Systematische Erfassung extern eingekaufter Services

Beispiele aus der Praxis zeigen jedoch, dass durch eine systematische Erfassung der extern eingekauften Kompetenzen, beispielsweise anhand der anonymisierten Skill-Profile der Berater, eine erste Bestandsaufnahme erfolgen kann. Dieses kann auch durch Anbietern zur Steuerung externer Dienstleister (Third Party Management, Managed Services Provider) erfolgen.

Hier liegt für die Unternehmen ein immenses Potenzial zur gezielten Mitarbeiterentwicklung und Bedarfsplanung, das jedoch Gefahr läuft, zwischen den Verantwortlichkeiten von IT-Abteilung, Einkauf und Personalfunktion nicht gehoben zu werden. Es geht um das Matching von Informationen über die externen Mitarbeiter, die das Auftraggeber-Unternehmen beschäftigt und der internen Personalentwicklung. Und in dieser Konstellation entwickeln sich die Trends mit sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit.

Die Diskrepanz könnte kaum größer sein: Während die Weitergabe von Personaldaten selbst innerhalb von Konzernunternehmen enge Grenzen im Rahmen des Bundesdatenschutzgesetzes hat, legen Millionen von Arbeitnehmern umfangreiche Profildaten in Netzwerken wie Xing, Linkedin oder Facebook offen. Für freiberufliche IT-Experten ist die Profilpflege notwendiger Bestandteil des Berufsbildes. Über solche Plattformen werden die Hebel für mehr Automatisierung gestellt.

Automatischer Matching-Prozess

Der Reiz eines "automatischen Matching-Prozesses" ist in Zeiten hohen Flexibilisierungsbedarfes groß. Dieser Reiz dürfte auch einer der Treiber hinter den Planungen von IBM sein, die Zahl der festangestellten Mitarbeiter in Deutschland zugunsten flexibler Ressourcen deutlich zu verringern. In einem Spiegel-Bericht wird in diesem Zusammenhang mit den externen Mitarbeitern auch von einer "Talent Cloud", einer Vermittlungsplattform nach einem Vorbild von Ebay gesprochen.

Der Trend "Unternehmen ohne Grenzen" führt leicht zu "Mitarbeitern ohne Bindung". Damit daraus nicht auch "Projekte ohne Planung" werden, kommt es gerade für große Unternehmen mit starker funktionaler Aufgabenteilung darauf an, die Veränderungen an den Schnittstellen verschiedener Bereiche genau zu beobachten.

Vom "Unternehmen ohne Grenzen" zum "Mitarbeiter ohne Bindung"

Im Zusammenhang mit der Reduzierung der Leistungstiefe der Unternehmen gewinnt dabei der Einkauf als Schnittstellenfunktion enorm an Bedeutung. Hier laufen viele Informationen zusammen, die durch Teilen und Interesse der anderen Bereiche, hier IT und Personal, dazu führen, dass Zusammenhänge erkannt und Potenziale für die Personalentwicklung gehoben werden.

Hartmut Lüerßen ist Partner bei Lünendonk in Kaufbeuren.