CIOs richten ihre Wünsche an Léo Apotheker

SAP segelt fernab der Kunden

05.06.2008 von Riem Sarsam
Anwender beschweren sich über unverständliche Lizenzmodelle und werfen dem Konzern mangelnde Nähe vor. Der neue Co-Vorstand Léo Apotheker sollte die Kritik ernst nehmen.
CIOs formulieren Ihre Wünsche an den neuen SAP-CEO Apotheker.

Die Kunden machen sich Luft: "Weniger Vertriebler - mehr Berater!", "Fairness gegenüber Kunden, Partnern und Mitarbeitern!" oder "Abschaffung der Hochnäsigkeit viele SAP-Mitarbeiter!" So und ähnlich lauten die Wünsche, mit denen sie auf die Umfrage von CIO reagierten. Im Großen und Ganzen ist es wenig schmeichelhaft, was dort zu lesen ist. Auf den neuen Spitzenmann in Walldorf dürfte ein gewaltiges Stück Arbeit zu kommen.

Denn unter der Oberfläche brodelt es. Doch nur selten tritt die Kritik auch deutlich zu Tage. Fragt man offiziell nach Problemen mit SAP winken die Anwender ab. Zu wichtig ist die gute Beziehung nach Walldorf. Schließlich ist SAP der wichtigste Lieferant in Sachen IT. Und mit dem will es sich schließlich niemand verscherzen. Erst recht, wenn Gerüchten Glauben schenken will, dass SAP sich im Fall eines zu kritischen CIOs auch mal an den Vorstand wendet und dort seinen Unmut äußert.

Doch hinter der berühmten vorgehaltenen Hand oder eben in einer anonymen Umfrage zeigt sich dann doch, dass es durchaus Grund zu Klagen gibt. Beispielsweise zur Frage des Lizenzmodells von SAP. Diese landete ganz oben auf der CIO-Wunschliste: knapp 62 Prozent der Teilnehmer halten demnach ein verständliches Lizenzmodell für sehr wichtig, annähernd 28 Prozent für wichtig. Macht zusammen mehr als 90 Prozent der Befragten, die hier einen klaren Auftrag an die SAP-Führungsspitze formuliert haben.

Unübersichtlich gestalten sich vor allem die unterschiedlichen Möglichkeiten, den Software-Einsatz abzurechnen. So ist es keineswegs trivial, die Anwender den verschiedenen Nutzertypen zuzuordnen. Schon lange drängen die Kunden hier zu mehr Transparenz. Doch die ist weit und breit nicht zu sehen, Statt dessen lässt sich eine steigende Vielfalt im Portfolio der Walldorfer beobachten. Immer neue Lösungen á la CRM, SCM oder Business Intelligence, weitere Technologien beziehungsweise Philosophien wie Netweaver und SOA oder Kooperationen wie mit Microsoft, IBM oder jetzt RIM stehen der Entwicklung zu einem einfach verständlichen Lizenzmodell eindeutig entgegen.

Selbst die Anwendervereinigung DSAG kommt in dieser Debatte nicht auf einen grünen Zweig: Karl Liebstückel, Vorstandschef der SAP-Anwendervereinigung DSAG berichtet, dass man hier schon seit langem mit SAP in Kontakt steht. "Das Modell ist komplex, weil es mehrere Einflussfaktoren hat", erklärt er das Dilemma. "Auf der einen Seite kauft man nach Zahl der Arbeitsplätze, die sogenannten Seats, ein, und da gibt es verschiedene Rabattierungsstufen. Auf der anderen Seite kann SAP Gebühren erheben für Engines, das gilt für einzelne Module, die nicht über die Seats abgedeckt werden. Und schließlich gibt es noch die Möglichkeit nach Belegvolumen - etwa die Zahl der Kundenaufträge oder Bestellungen - abzurechnen." Damit nicht genug, gebe es im Personalwesen außerdem ein Gebührenmodell, das sich am Aufkommen, also der Zahl der abzurechnenden Köpfe, orientiert. "Das alles sind verschiedene Faktoren, die zusammenfließen und die dann einen Preis ausmachen", so Liebstückel.

Wunschliste: Ein verständliches Lizenzmodell muss her!

Dass Kunden diesen Preisdschungel nur schwer durchdringen können und wollen, liegt auf der Hand. Hinzu kommt eine umfangreiche Preisliste, die SAP für seine Produkte herausgibt, und die im Einzelnen auch wieder Fragen aufwirft. "Den Wegfall von außereuropäischen Lizenz- und Wartungszuschlägen", wünschte sich beispielsweise einer der Teilnehmer. Für einen Konzern, der vor allem international tätige Unternehmen bedient, ist die Unterscheidung zwischen den einzelnen Einsatzregionen einfach nicht nachvollziehbar. In Zeiten von Unicode ist nicht verständlich, warum etwa für den Einsatz in arabischen Ländern ein Aufschlag von 100 Prozent für die Lizenz gezahlt werden soll. So zumindest will es die Preisliste vom Mai vergangenen Jahres. Ob es Léo Apotheker gelingen wird, seinen Kunden diese Umstände näher zu bringen, wird also eine der spannenden Fragen für die Zukunft sein.

Steigende Wartungsgebühren

Ein weiterer Punkt auf der Wunschliste an den neuen Chef ist die Forderung, nicht dauernd die Wartungsgebühren zu erhöhen. Gut 55 Prozent der Teilnehmer halten diesen Wunsch für sehr wichtig, 21 Prozent immerhin noch für wichtig. Dass dieses Anliegen so hoch priorisiert wird, dürfte nicht nur mit den beachtlichen Beträgen zusammenhängen, die die Kunden jährlich an ihren Software-Lieferanten entrichten. Für Irritation sorgt vor allem der jüngste Coup der Walldorfer, für Neukunden in Zukunft lediglich einen sogenannten "Enterprise Support" anzubieten. Demnach zahlen sie jährlich 22 Prozent ihrer Lizenzgebühren zahlen.

Auswertung der Wünsche an SAP.

Damit haben sie im Vergleich zu den Altkunden keine Wahl mehr zwischen dem "Standard-Support", abgedeckt durch eine Gebühr von mindestens 17 Prozent (je nach Releasestand), oder dem gehobenen Service des "Premium-Supports", dessen Gebühr 22 Prozent pro Jahr beträgt. SAP begründet die Veränderungen mit der gestiegenen Komplexität der Software-Landschaft und dem damit verbunden höheren Aufwand der Wartung. Der Hersteller betont auch, für Altkunden ändere sich nichts an den bestehenden Verträgen. Doch entweder ist diese Botschaft noch nicht bei den Kunden angekommen, oder sie können es schlicht nicht glauben. Einer der Umfrageteilnehmer fasst es knapp zusammen: von dem künftigen SAP-Chef wünscht er sich "mehr Transparenz in der künftigen Preis- und Systementwicklung. Zum Beispiel: Wird das 22-Prozent-Wartungsmodell für alle Kunden durchgesetzt?"

Kunden wollen es immer möglichst billig, könnte man auf die Ergebnisse der Umfrage antworten. Doch weit gefehlt. Denn an zweiter Stelle setzten die IT-Experten keineswegs finanzielle Begehrlichkeiten, sondern den Wunsch nach mehr Kundennähe und Offenheit. Annähernd 86 Prozent halten diesen Punkt für sehr wichtig beziehungsweise wichtig. Und das sind keinesfalls nur Kunden aus dem Mittelstand, denen man - will man bösartig sein - schon allein wegen ihrer fehlenden Größe einen gewissen Komplex unterstellen könnte.

Doch auch unter den Teilnehmern, die immerhin mehr als 5.000 SAP-Anwender in ihrem Unternehmen zählen, halten die Befragten noch zu knapp 69 Prozent das Anliegen für wesentlich. Aus ihren Reihen stammen die Forderungen nach mehr Fairness sowie die Bitte, die "Hochnäsigkeit" vieler SAP-Mitarbeiter abzuschaffen. Diesen Wunsch zu erfüllen, dafür dürfte allein der Wechsel im Chefsessel nicht reichen - als Botschaft auf den Weg gegeben, könnte sie zu einem hehren Ziel für die neue Ära des größten deutschen Software-Hauses werden.

CIO-Leser an SAP

Im Rahmen der CIO-Umfrage hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, ihre Wünsche offen zu formulieren. Hier ein Auszug aus den Anmerkungen: