Deutsche Bank

Schneller rechnen

07.04.2003 von Patrick Goltzsch
Unter dem Druck der internationalen Konkurrenz verfolgt auch die Deutsche Bank eine Linux-Strategie. Die Banker schätzen neben niedrigen Kosten auch die Performance-Vorteile bei Echtzeitanwendungen.

"Fürchtet den Pinguin" überschrieb die Investment-Bank Goldman Sachs ihre im Januar veröffentlichte Analyse zur Entwicklung von Linux. Ihr Fazit: Die freie Software werde sich als die dominante Plattform in den Rechenzentren etablieren. Zurückhaltender formulierten es im November vergangenen Jahres Deutsche-Bank-Research-Analysten im Forschungspapier "Free software, big business?": Global Player sollten die Linux-Entwicklung im Blick behalten, um "im Branchenvergleich nicht ins Hintertreffen zu geraten".

Der Finanzsektor zeigte sich im letzten Jahr äußerst rührig in Sachen Open-Source-Einsatz. So stieß die Bank Credit Suisse First Boston an die Grenzen ihrer ServerArchitektur (Unix-Risc). Jetzt bilden Intel-basierte Blade-Server unter Red Hat Linux die "Kronjuwelen" des Unternehmens, wie es CTO Steve Yatko ausdrückt. Die hauseigene Software Agora für das globale OrderManagement bewältigt mit bis zu 20fach gesteigerter Performance 35 Millionen Transaktionen pro Tag.

Merrill Lynch setzt auf den unternehmensweiten Einsatz von Linux. Applikationen können so mit minimalen Änderungen sowohl auf dem Großrechner als auch auf dem Handheld laufen, sagt Chefarchitekt Rick Carey. Leistung und Flexibilität sorgen für ein exponentielles Wachstum von Linux an der Wall Street. Das suggerieren zumindest die zirkulierenden Zahlen, nach denen der Anteil Linux-basierter Server von 0,5 Prozent vor zwei Jahren auf derzeit 7 Prozent kletterte.

Ähnlich sprunghaft verlief die Entwicklung bei der Deutschen Bank. Dort kam Linux bis Oktober 2002 auf etwa 200 Prozessoren zum Einsatz. In den folgenden drei Monaten stieg die Zahl auf 900. Carsten Eckhardt, weltweit für die IT des Kreditwesens der Deutschen Bank zuständig, sieht hierin die Konsequenz aus den Pilotprojekten, in denen die IT-Abteilung Linux ausgiebig testete und Erfahrungen sammelte. Nun folgt der Einsatz im Geschäftsbereich.

Achtmal schneller, 50 Prozent billiger

Eines der Projekte realisierte die IT-Abteilung der Bank in London. Dort migrierte das Risikomanagement für den globalen Derivate-Handel im Frühjahr 2002 auf Suse Linux. Die von der Risk Engine berechneten Informationen gelten als unternehmenskritisch und müssen deshalb zeitnah zur Verfügung stehen.

Während die technischen Erkenntnisse bereits überzeugen, stehen Daten zur Total Cost of Ownership (TCO) noch aus. Für eine exakte Evaluierung der Kosten von Betrieb und Wartung sei es noch zu früh, sagt Eckhardt. Sicher ist er sich nur, dass Anwendungs-Software, die bislang auf klassischen Unix-Systemen lief, mit wenig Aufwand auf Linux übertragen werden kann.

Die positiven Ergebnisse bewegen die Deutsche Bank, bei jedem neuen Projekt auch eine Lösung auf Linux-Basis in Betracht zu ziehen. Gleichzeitig werden auch bestehende Projekte unter diesem Aspekt neu bewertet. Einschränkungen bestehen in der Skalierbarkeit des Betriebssystems. Die aktuelle Linux-Kernel-Version 2.4 ist optimiert für die Unterstützung von acht Prozessoren. Zum Vergleich: Sun bietet derzeit Maschinen mit bis zu 106 Prozessoren. Dieses Linux-Handicap lässt sich lösen, indem mehrere Server zu einem Cluster verknüpft werden. Eine andere Möglichkeit: Mehrere Platinen werden jeweils mit Prozessoren und Speicher in einem Blade-Server gekoppelt.

Datenbank-Cluster im Linux-Test

Eine andere Hürde bildete der Mangel an etablierten Anwendungen. Doch Linux hat seinen Exotenstatus mittlerweile verloren. Ob SAP, BEA oder Veritas - fast alle großen Anbieter unterstützen den früheren Außenseiter. So finden auch komplexe Anwendungen ihren Weg auf die neue Plattform. Eckhardt hält es für absehbar, dass es nicht beim Number Crunching bleiben wird: "Erste Prüfungen für einen Datenbank-Cluster auf Basis von Oracle laufen bereits", sagt Eckhardt.

In ihrer Analyse erwägt die Forschungsabteilung der Deutschen Bank bereits die Konsequenzen der künftigen Entwicklung. Sollte freie Software sich durchsetzen, könnte "in der IT-Branche die Fähigkeit, die Herausforderung Open Source aktiv anzugehen und produktiv umzusetzen, zu einem zentralen Erfolgsfaktor werden. Diese Fähigkeit eines IT-Unternehmens wird damit zu einem wichtigen Kriterium bei seiner Bewertung."