Analysten-Kolumne

SOA revolutioniert den IT-Arbeitsalltag

07.06.2006 von Andy Mulholland und Martin Bettels
Die schnellen technologischen Veränderungen bringen Jahr für Jahr neue Trends und Hypes hervor. Für den CIO bedeutet das, immer wieder zu überprüfen, welche davon Auswirkungen auf den Markt haben und damit relevant sind. Es ist es in seinem eigenen Interesse, zu wissen, ob da ein echter Technologiesprung vor der Tür steht wie in den späten 1980er Jahren, als der PC Einzug hielt. Vor allem aber sollte sich das Interesse des CIO auf die Suche nach einer strategischen Stoßrichtung jenseits der taktischen, produktbezogenen Verbesserungen an bestehenden Systemen konzentrieren.

Drei Bereiche sind dabei von besonderer Bedeutung: Informationssuche und -management, Subscription-Software und Collaborative Working. In jedem dieser Bereiche ist bereits ein grundlegender technologischer Wandel in vollem Gange. Alle drei Gebiete werden von den service-orientierten Architekturen (SOA) untermauert. Damit dürfte auch klar sein, dass SOA mehr ist als ein produktbasiertes Technologieangebot. Außerdem zeigt es sich, dass die IT näher an die Geschäftseinheiten der Unternehmen heranrückt und dort die operative Effektivität erhöht. Das Front-Office steht inzwischen mehr im Fokus als das Back-Office.

Zweistelliges Plus für Business-Intelligence-Lösungen

Stichwort Business Intelligence: Da ist zum Einen die permanent zunehmende Anforderung an die Fähigkeit, Daten in internen wie externen Quellen zu finden und zu nutzen. Suchmaschinen und Informations-Management erfreuen sich derzeit hoher Aufmerksamkeit. Google sowie seine Wettbewerber werden zunehmend genutzt und die Zahl der strategischen Partnerschaften steigt.

Der Markt für Business-Intelligence-Lösungen hat im Jahr 2005 erneut zweistellige Wachstumsraten verzeichnet, allerdings liegt bereits der Schatten von Google, Yahoo und anderen darüber, die Desktop-Such-Tools auf den Markt werfen. Apple hat mit Spotlight den Weg im Desktop-Markt bereits vorgezeichnet. Die Suchmaschine überwacht die Bildschirmaktivität des Anwenders und stellt ihm fortlaufend über eine Suche im Hintergrund kontextbezogene Informationen zur Verfügung. Aber reicht das aus?

2006 scheint das Jahr zu sein, in dem es Zeit ist, den strategischen Gesamtansatz zum Informations-Management und zur Business Intelligence zu überdenken. Welche Bereiche sollen mit Informationen unterstützt werden, auf welche Art und Weise sollen externe und interne Informationen verfügbar gemacht und genutzt werden? Diese Überprüfung muss sowohl die Einführung der Service-Oriented Architecture als auch den Mechanismus beinhalten, über den Informationen zugänglich gemacht, verwendet und veröffentlicht werden. Und last but not least geht es auch um den Weg, über den Software dem Back-Office bereitgestellt wird.

Ein erfolgreicher umfassender Technologiewandel steht derzeit weniger im Rampenlicht: die Rückkehr des Application Services Provider (ASP) und dessen stiller Erfolg auf dem Markt für CRM-Implementierungen. In diesem konnten die ASPs im Jahr 2005 knapp zehn Prozent des Marktes erobern. Analysten gehen übrigens davon aus, dass sich die Marktdynamik nachhaltig verändert, wenn eine neue Idee zehn Prozent eines Marktes erobert. Es handelt sich also allem Anschein nach um eine Entwicklung, die in den nächsten Jahren einen Trend zur Versorgung mit Software auf Subscription-Basis nahe legt.

Subscription-baiserte Software als neues heißes Thema

Der Schwerpunkt hat sich in den letzten Jahren von gemeinsamen "Applikationen" - mit all den Schwierigkeiten, die sich aus dem Maßschneidern monolithischer Applikationen für individuelle User ergeben - hin zu "Services" verlagert. Auch neue Anforderungen für die operative Effizienz des Front-Office werden stärker unterstützt. SalesForce.com gilt weithin als der erste, der die neue Welle populär gemacht hat. Die "Sales Force" Automation-Offerings wurden als eine Reihe von "Services" lanciert die über "drag & drop" eingesetzt werden können um jedes erwünschte Funktionspaket zu bilden.

Dennoch entwickelte Salesforce.com ebenso wie die meisten Anbieter der neuen ASP-Generation ein vollkommen neues Modell. Der Schwerpunkt liegt auf einer einzigen spezialisierten Anwendung, die ihren Kostenvorteil dadurch erzielt, dass sie virtualisierte Server und andere Infrastrukturelemente rund um die Service-Oriented Infrastructure (SOI) nutzt. Das Ganze ist als eine Reihe von Aufgaben angelegt, die individuell zusammengesetzt werden können, um erwünschte Prozesse zu bilden und somit unter Nutzung der Service-Oriented Architecture Kundenanforderungen zu erfüllen. Die Big Players sind bereits dabei - oder haben zumindest die feste Absicht - in diesen Markt vorzudringen. Es ist daher zu erwarten, dass subscription-basierte Software ein neues brennendes Thema wird, das neue Optionen hinsichtlich Kosten, Zeit und Unterstützung bietet.

SOA macht Tempo

Beide zuvor angesprochenen Themen - Suchmaschinen als ein anerkannter neuer Technologiebereich und Subscription-Software als eine weniger bekannte Veränderung - verbindet die Nutzung eines "Services"-Modells auf der Grundlage der Service-Oriented Architecture. Obwohl SOA bei den großen Technologieanbietern sehr viel Aufmerksamkeit auf sich zieht und große Auswirkungen prognostiziert werden, findet die Frage, wie SOA nutzbringend für das Unternehmen verwendet werden kann, nicht die entsprechende Beachtung. Aber wo wirkt es sich in der Firma zur Senkung von Integrationskosten aus?

Die Antwort liegt in der Front-Office-Collaboration. Strukturiert wird eine Vielzahl von schlecht integrierten Anwendungen ersetzt, die der Nutzer in seiner täglichen Arbeit häufig ad-hoc einsetzt. Sowohl E-Mail als auch das Internet wurden für die Interaktion zwischen Menschen entwickelt. Die Auswirkungen zeigen sich in der zunehmenden Nutzung von E-Mails, um Geschäftsbeziehungen und -prozesse innerhalb oder zwischen Abteilungen, intern und extern, aufrechtzuerhalten.

Das stellt aber ganz andere Anforderungen an Enterprise Resource Planning-Systeme und Applikationen, die eigentlich entwickelt wurden, um interne, automatisierte und fest vorgegebene Prozesse aufzuführen und damit Management- und Finanzdaten zu sammeln. Wirtschaftsprüfer sind sich sehr wohl bewusst, dass geschäftliche Transaktionen per E-Mail angestoßen und erst im Nachgang über papierbasierte Prozesse "bestätigt" werden - der eigentliche Grund für die Einführung von "Compliance"-Kontrollen. In diesem Zusammenhang können beispielsweise SOA-basierte Collaboration-Tools eingesetzt werden, um die Einführung von Automatisierung und erkennbaren Prozeduren in den Transaktionen zu unterstützen. Außerdem lassen sich damit Prozesse schneller und günstiger gestalten sowie die Kontrollmöglichkeiten des Managements verbessern.

SAP und Oracle haben diese neuen Anforderungen verstanden und führen SOA-Produkte für den neuen Front-Office-Markt ein. Hierbei werden die Back-Office-ERP und -Applikationen für die Unternehmensdatenaufnahme aufrechterhalten. Microsoft legt seinen Schwerpunkt auf die Erhöhung der User-Fähigkeiten für intelligente Zusammenarbeit und auf die Erweiterung dieser Fähigkeiten, um sie in die bestehenden Back-Office-Lösungen zu integrieren.

Manager mögen das unter Umständen nicht als SOA oder gar als Collaboration erkennen. Sie verstehen jedoch, dass sie eine neue Art der Unterstützung seitens der IT brauchen. Und in vielen Fällen entwickeln sie kollaborative Ad-hoc-Lösungen in ihren Abteilungen und bedienen sich dabei des wachsenden technischen Wissens der User, der Vereinfachung der Tools und der Verfügbarkeit von Open Source-Software, die man vom Internet herunterladen kann. Dieses Muster ähnelt auf bemerkenswerter Weise dem Weg, wie Web-Server in Abteilungen Einzug hielten.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es in diesem Jahr darum gehen wird, strategisch auf die Lösung einiger operativer Probleme auf Geschäftsseite hinzuarbeiten. Sie drehen sich um E-Mail-basierte Arbeitsweisen, die Einhaltung von Compliance-Anforderungen und echtem geschäftlichen Nutzen durch neue Front-Office-Fähigkeiten. Stellen Sie sich Subscription-Software für neue Applikationen vor, die als "Service" geliefert wird. Dazu die immer besseren Möglichkeiten, Informationen zu finden und sie über Collaborative Working zu nutzen. Und stellen Sie sich vor, dass dies alles auf einer Service-Oriented Architecture beruht und verstehen Sie, dass es sich hier um eine Veränderung in der Kerntechnologie handelt, die beherrscht werden muss. Alles in allem: sollte dies der Anstoß sein, um für Ihr Unternehmen echten Nutzen aus neuer Technologie zu ziehen.

Andy Mulholland ist Chief Technology Officer bei Capgemini, Martin Bettels Director Alliances and Innovation bei Capgemini Central South & East Europe.