Analystenkolumne

SOA - Zukunftsweisend, aber nicht revolutionär

22.02.2006 von Kai Bender und Alexander Brenner
Software-Entwicklung soll einfacher werden. War lange Zeit Outsourcing das beherrschende Thema der IT-Branche, so erweitern inzwischen viele CIOs ihre Agenda und möchten ihre Geschäftsprozesse vereinfachen und standardisieren. Entsprechend verfolgen sie derzeit aufmerksam die Ankündigungen verschiedener IT-Dienstleister zu Service-orientierter Architektur (SOA).

Die neue Technologie soll Software-Entwicklung grundlegend vereinfachen sowie standardisierte Prozesse ermöglichen und somit helfen, die IT-Kosten weiter zu senken. Es existieren bereits Vorstufen SOA-basierter Plattformen wie beispielsweise Netweaver von SAP; IBM oder Microsoft. Ein umfassender und auf echter SOA-Technologie basierter Business Case, der Anwendern den konkreten finanziellen Nutzen zeigt, lässt jedoch weiter auf sich warten.

Die Anbieter von SOA-Technologie versprechen den Anwendern deutliche Vorteile durch standardisierte Technologie und modulare Services (Kleinst-Programme): Neue Anwendungen können schneller entwickelt werden. Zudem reduzieren sich bei der Weiterentwicklung bestehender Anwendungen nicht nur die Entwicklungskosten, sondern auch die Wartung wird durch einen geringeren Schnittstellen- und Integrationsaufwand günstiger.

Mit modularen "Services" kann flexibel auf die Anforderungen der Fachbereiche reagiert werden. Dadurch werden die Geschäftsprozesse besser unterstützt, Innovationen begünstigt und die time-to-market reduziert. Vordefinierte und standardisierte Services können so flexibel und ohne große Anpassung in verschiedenen Anwendungen wieder verwendet werden. Zudem lassen sich neue Systeme einfach und schrittweise auf neue Anwendungen migrieren.

SOA-basierte Plattformen, Anwendungen und Services noch nicht vollständig verfügbar

Namhafte IT-Dienstleister entwickeln derzeit mit Hochdruck SOA-basierte Plattformen und stellen ihr Produktportfolio sukzessive auf diese Technologie um. Daher wird es zuerst herstellerspezifische Anwendungen auf SOA-Architektur geben. Es ist aber noch unklar, wann standardisierte und vorkonfigurierte Services im größeren Umfang verfügbar sein werden. Vor 2008/2009 ist wohl nicht damit zu rechnen.

Ebenfalls unklar ist derzeit, welcher Technologiestandard sich langfristig durchsetzen wird. Kernfrage ist, ob es einen herstellerübergreifenden, einheitlichen Standard geben wird, oder ob die jeweiligen Technologien propietär bleiben. Im letzteren Fall kann es zu Fehlinvestitionen in einen Standard kommen, der sich nicht durchsetzt oder nicht kompatibel zu anderen Standards ist.

Darüber hinaus muss derzeit noch geklärt werden, wie die Lizenz- und Preismodelle aussehen werden. Es zeichnet sich ab, dass gängige, von der Nutzerzahl abhängige Lizenzierungsmodelle mit der allgemeinen SOA-Einführung überarbeitet werden müssen. Software-Anbieter werden versuchen, die einzelnen Services beziehungsweise deren Nutzung in Rechnung zu stellen. Wie das Lizenzierungsmodell die Wartungskosten beeinflusst, ist noch nicht absehbar.

Warum sich ein CIO schon heute mit SOA beschäftigen sollte

Bisher haben 48 Prozent der Unternehmen sich nicht mit SOA beschäftigt, wie eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Experton Group ergab. Denn noch sind für die meisten Unternehmen andere IT-Infrastrukturthemen wie beispielsweise Business Intelligence wichtiger.

Doch das wird sich ändern. Denn es ist nicht die Frage, ob SOA kommen wird, sondern wann. Entsprechend lautet die Frage, wann sich ein CIO mit SOA beschäftigen und wie er mit einer eventuellen Umstellung umgehen sollte.

Zunächst ist dafür zu klären, was SOA für das spezifische Unternehmen bedeutet. Die offene Architektur von SOA erleichtert beispielsweise Business Process Outsourcing und Outtasking. Dies ist aber nicht für jeden Anwender gleichermaßen relevant. Anhand eines spezifischen Geschäftsmodells gilt es daher als erstes, die Umstellungskosten den Vorteilen von SOA – wie verkürzter Entwicklungszeit, optimierten Geschäftsprozessen oder dem Nutzen einer verkürzten time-to-market – gegenüber zu stellen.

Niedrigere Betriebskosten sind kurzfristig nur dann zu erwarten, wenn der Nutzer effektiv nur noch für einen spezifisch benutzten "Service" und nicht mehr für die gesamte Anwendung zahlen muss. Langfristig aber zeigt sich der echte Beitrag von SOA für den Unternehmenswert. Gibt es Veränderungen in den Geschäftsprozessen, können die angesprochenen "Services" wieder verwendet und neu geordnet werden. Das erspart wiederkehrende Projekte, um die Systeme an die neuen Prozessanforderungen anzupassen.

SOA-Empfehlungen

Außerdem ist zu klären, wie wichtig SOA für ein Unternehmen ist, das sich just in einem großen Implementierungsprojekt befindet oder neue Software beschaffen möchte. Bei unmittelbarem Investitionsbedarf sollte möglichst eine Technologie gewählt werden, die auf offene Standards setzt und SOA-kompatibel ist bzw. leicht auf SOA migriert werden kann. Proprietäre Technologien oder gekapselte "Services", die später nicht gegen flexible SOA-Services ausgetauscht werden können, werden besser vermieden. Größere Ersatzinvestitionen sollten eventuell erst erfolgen, wenn vollständig auf SOA-Technologie basierte Anwendungen verfügbar sind. Auch empfiehlt es sich abzuwarten, welche Technologiestandards sich am Markt durchsetzen werden.

Vorbereitend können die Unternehmen allerdings in jedem Fall schon einmal prüfen, was sie bereits heute tun können, um sich optimal für SOA aufzustellen. Das heißt: Falls es möglich und sinnvoll ist, sollten Geschäftsprozesse harmonisiert und standardisiert werden. Zu bedenken gilt es außerdem, dass viele bisherige Anwendungen konsolidiert oder ausgetauscht werden sollten, da sie auf Grund von propietären Technologien nicht auf eine SOA migrierbar sind. Und schließlich empfiehlt es sich, um das Risiko einer Fehlinvestition zu minimieren, den Markt, die wichtigsten Marktteilnehmer und Trends weiter aufmerksam zu verfolgen.

Dr. Kai Bender ist Principal im Competence Center InfoCom bei Roland Berger Strategy Consultants. C. Alexander Brenner ist Consultant im Competence Center InfoCom bei Roland Berger Strategy Consultants.