SAP will in den Sportmarkt

State-of-the-Art-IT beim FC Bayern

20.08.2015 von Karin Quack
Ein Jahresumsatz von mehr als einer halben Milliarde Euro und ein Gewinn von 16,5 Millionen. Wer solche Zahlen vorweisen kann, sollte sich auch eine State-of-the-Art-IT leisten. Vor allem, wenn er SAP als Sponsor hat.

OB ein full-blown SAP-System mitsamt In-Memory-Speicherung auf HANA nicht ein wenig überdimensioniert sei für einen Sportverein? - "Auf keinen Fall", kontert Michael Fichtner, CIO des FC Bayern: "Wir haben eine ähnliche Komplexität wie Versandhändler zu bewältigen - mit Katalogen, Filialen, Logistikdienstleistern, Call-Centern etc. Dazu kommen die Anforderungen aus unterschiedlichsten operativen Einheiten wie dem Verkauf von Tickets für Fußball und Basketball sowie Erlebniswelt, aus dem Mitgliederbereich, der Fanclub-Verwaltung und dem Kids-Club. Dies alles gepaart mit den Anforderungen unserer Internationalisierungsstrategie und dem Anspruch, unseren Fans weltweite Services bieten zu wollen."

Michael Fichtner, CIO: "Unser vorrangiges Ziel war es, eindeutige Kundendaten zu bekommen, quasi den Golden Customer mit einer 360-Grad-Sicht über alle Bereiche des Unter­nehmens hinweg."
Foto: FC Bayern

Schon gut, Herr Fichtner! Aber schließlich weiß der CIO, wovon er spricht: Er verfügt über jahrelange Erfahrung mit einer Vielzahl von SAP-Einführungen. Deshalb holte ihn der FC-Bayern vor anderthalb Jahren auch zurück, nachdem er zwischendurch den Arbeitgeber gewechselt hatte. Verbunden mit dem Auftrag, eine IT-Strategie für den Verein zu entwickeln und das Puzzle aus unterschiedlichen, teils in die Jahre gekommenen und den Anforderungen kaum noch gewachsenen IT-Komponenten durch eine homogene Umgebung zu ersetzen.

SAP will in den Sportmarkt

Da traf es sich gut, dass der Softwarepartner SAP die Sportbranche gerade als neuen Zielmarkt entdeckt hatte. Ein Markt, der in Deutsch­land mittlerweile umsatzstärker ist als die Stahl­industrie, so Fichtners Vorgesetzter Stefan Mennerich, Direktor Neue Medien, Medienrechte und IT: "SAP engagiert sich hier stark." Und offenbar mit Erfolg: Gerade erst wurde ein Abschluss mit dem englischen Fußball-Club Manchester City publik gemacht.

Innovationspartner für Industry Solution

Im Rahmen eines Sponsorenvertrags stellt SAP dem FC Bayern das Kernsystem sowie die InMemory-Appliance HANA und 52 angeschlosse­ne Softwarekomponenten via Cloud zur Verfügung. Zudem hilft SAP mit Service-Know-how aus, wo die kleine IT-Mannschaft des FC Bayern die Projekte und den Betrieb nicht allein stemmen kann. Einen 7-mal-24-Stunden-Betrieb vermag Fichtners Team nicht zu leisten.

Das Transformationsprogramm ist sportlich angelegt: Bis zum Juli kommenden Jahres soll das Kernsystem auf SAP-Basis vereinheitlicht sein. Denn dann laufen die Verträge für Lizenzen, Betrieb und Maintenance des alten, individuell erstellten Anwendungssystems aus, so Fichtner: "Die Verträge sind bis Juni 2016 termininiert, das ist für uns eine harte Deadline." Zumal der Anbieter mit dem Wachstum des Vereins sowieso immer schwerer Schritt halten konnte, wie Mennerich ergänzt.

Die neue Systemlandschaft des FC Bayern ist sehr schlank konzipiert und aufgesetzt, die spezifischen Lösungen sind konsequent in die SAP-Systeme integriert. Daneben wird der Club einige für den Sportsektor maßgeschneiderte Anwendungen nutzen, an denen er - wie übrigens auch die TSG Hoffenheim - als "Innovationspartner" mitgewirkt hat. Die Komponenten dieser "Industry Solution" (SAP-Diktion) werden in fünf Projekten eingeführt. Im Einzelnen handelt es sich um:

45 Millionen Follower

Vergleichsweise groß dimensioniert sind demgegenüber die Datentöpfe des Vereins: Mit 265.000 Mitgliedern ist der FC Bayern laut Ficht­ner nicht nur der "weltgrößte Verein". Er offeriert den Mitgliedern und seinen Fans auch ein reichhaltiges Shopping- und Entertainment-Angebot mit maßgeschneidertem Content. Das reicht von weltweiten Fanshops und Ticketverkauf über den eigenen TV-Sender "FCB.tv" mit Kamerateams und technischer Plattform bis zu den Auftritten in diversen sozialen Medien.

Laut Mennerich gibt es bereits mehr als 45 Millionen Follower auf Facebook, Twitter, Youtube und der eigenen Plattform "myFCB". Insgesamt verzeichne der FC Bayern eine Milliarde digitale Touchpoints pro Monat. Mobil ist er dabei über iPhones und iPads sowie Android- und Windows-Geräte erreichbar.

Stefan Mennerich, Direktor Neue Medien "Was alles möglich ist, hat die Verpflichtung von Javi Martinez gezeigt. Da haben wir alles live und in Farbe übertragen und mit integrierten Merchandising-­Angeboten angereichert."
Foto: FC Bayern

Die Informationen, die an den Touchpoints auflaufen, sind der Rohstoff, mit dem der FC Bayern sein Geschäft ankurbelt - auch im Nahen und Fernen Osten. "Wir kämpfen um die Freizeitbudgets", erläutert Mennerich: "Ob ein Asiate sich mit dem FC Bayern beschäftigt, hängt davon ab, ob er uns wahrnimmt und wir bei ihm Interesse erzeugen. Wir konkurrieren hier mit Rihanna und Robby Williams."

Die Premier League habe hier bereits einen guten Job gemacht, muss der Neue-Medien-Direk­tor anerkennen: "Wir haben noch viel Arbeit vor uns, um den Abstand zu den englischen Clubs zu verkürzen."

"Dass wir es schaffen, unsere Marke digital zu machen, ist von zentraler Bedeutung", beteuert der Digital-Chef des FC Bayern. Diese Ansicht teile auch der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge, den Mennerich mit dem Satz zitiert: "Die Digitalisierung ist eines unserer wichtigsten Projekte."

Redundanzen und Inkosistenzen beseitigt

Doch zurück zur Datenflut: Damit sie schnell und effizient kanalisiert werden kann, hat sich der FC Bayern für den Einsatz der In-Memory-Appliance HANA entschieden. Im Oktober 2014 wurde die Installation abgeschlossen. Zur Verfügung gestellt wird die Datenbanksoftware aus dem SAP-Rechenzentrum. Fichtner: "Das muss für unsere überschaubare Mannschaft ja auch betreibbar sein. SAP gibt uns hier Sicherheit und Flexibilität." Auf HANA laufen nicht nur die SAP Business Suite , sondern auch das Customer-Relationship-Management (CRM) und das Business Warehouse (BW).

SAP ist Sponsor vom FCB
Foto: SAP / Stephan Daub

Der Installation von HANA vorangegangen sind umfangreiche Aufräumarbeiten. Denn im Laufe der Internationalisierung hatten sich doch einige Redundanzen und Inkonsistenzen ergeben, die zunächst einmal bereinigt werden mussten.

Wie Fichtner berichtet, war es das vorrangige Ziel der Datenkonsolidierung, eindeutige Kundendaten zu bekommen. Quasi den "Golden Customer" mit einer 360-Grad-Sicht über alle Bereiche des Unternehmens hinweg. Dauerhaft abgelegt werden die Stammdaten im SAP-CRM-System: "Da gehen wir den konservativen Weg, an dieser Stelle können wir uns keine Experimente leisten", erläutert der CIO. Alle Informationen über ein Mitglied oder einen Fan sollen also an einer einzigen Stelle gespeichert werden, so dass er überall auf der Welt die für ihn relevanten Services bekommen kann.

Spätestens im kommenden Jahr will der FC Bayern dann die ebenfalls von SAP angebotene E-Commerce-Plattform "Hybris" in Betrieb nehmen. Damit sollen alle Kampagnen auf jeder Plattform - online wie offline und Shop wie Filiale - parallel laufen können.

Kennzahlen für die wichtigsten Prozesse

Aber nicht nur hinsichtlich der Daten, sondern auch in Bezug auf die Prozesse haben Fichtner und sein Team Konsolidierungsarbeit geleistet: So wurden für die 20 wichtigsten Business-Prozesse (beispielsweise Mitgliederfakturierung, Auftragsverarbeitung oder Peak-Phasen) Kennzahlen definiert und Performance-Ziele gesetzt. Im Fokus steht dabei die Ende-zu-Ende-Bearbeitung der Prozesse.

Besonders am Herzen liegt Fichtner die Integration mobiler Devices in das Gesamtsystem: "Wir arbeiten mit SAP daran, dass alle Daten über mobile Endgeräte erfasst werden und verfügbar sind." Dabei soll das "Open Data Proctocol" beziehungsweise das darauf basierende "OData for SAP" zum Einsatz kommen.

Fünf Ziele für Digital 4.0

Den Aufbau der neuen Infrastruktur und der darauf basierenden Anwendungen fasst Mennerich unter dem Projektnamen "Digital 4.0" zusammen. Der Verein peile fünf Ziele an:

Die Arbeit am Backend ist in diesem Rahmen auch deshalb notwendig, damit weiterhin die üblichen Anforderungen an Stabilität und Sicherheit der IT-Systeme erfüllbar bleiben. Zudem soll eine einheitliche Plattform für die internationalen Tochterfirmen helfen, die Komplexität der Angebote am Frontend zu mindern.

Darüber hinaus ist die konsolidierte Plattform erst die Voraussetzung, um auf der Kundenseite immer wieder neue und überraschende Anwendungen launchen zu können - getreu dem von Mennerich propagierten Motto: "Wir wollen dem User Angebote liefern, die für ihn persönlichen Nutzen bringen." Und dazu müsse man "die Systeme so bauen, dass wir ständig in der Lage sind, schnell zu nutzen, was neu in der digitalen Welt entsteht und für unsere Fans relevant ist". Um diese Strategie umzusetzen, entstehen ständig neue homogenisierte Applikationen.

Spieler als Marken: Player Shops sind Online-Shops, die sich auf einen bestimmten Spieler konzentrieren.
Foto: FC Bayern München

Für die künftige Weiterentwicklung hat die ­FC-Bayern-IT einige Ideen ausgebrütet und bereits in der Mache. Dazu gehören beispiels­weise die "Player Shops". Das sind Online-Shops, die sich auf einen bestimmten Spieler konzentrieren. Sie bieten Merchandising-Produkte, angereichert durch jeweils passenden Content.

"Was alles möglich ist, hat erstmals die Verpflichtung von Xavier Martinez gezeigt", nennt Mennerich ein Beispiel: "Da haben wir alles live und in Farbe übertragen und mit integrierten Merchandising-Angeboten angereichert."

Damit der Löwe leer ausgeht

Entwickelt werden solche Ideen im Lenkungskreis, dem neben IT und Datenschutz auch Fachbereichsvertreter angehören, darunter der Fanclub-Verantwortliche Raimond Aumann. Umgesetzt werden sie mit Hilfe einer agilen Entwicklungsmethode Scrum. Das ist laut Mennerich insofern wichtig, als sich die Applikationen so schnell ändern müssen wie die Märkte. Wirklich fertig würden die Systeme sowieso nie, so das Fazit des IT- und Medien-verantwortlichen: "Die Gazelle muss jeden Tag rennen, damit der Löwe sie nicht frisst."