Was zu beachten ist

Stolperfallen bei ECM-Projekten

27.07.2011 von Martin Barnreiter
Die Besonderheiten im öffentlichen Sektor stellen hohe Anforderungen an die Implementierung von ECM-Systemen. Ein Hauptproblem sind heterogene IT-Landschaften, meint PAC-Analyst Martin Barnreiter in seiner Kolumne.
Martin Barnreiter ist Lead-Analyst für den Bereich Public Sector beim Marktanalyse- und Beratungsunternehmen Pierre Audoin Consultants (PAC).
Foto: PAC

Gerade in der DACH-Region ist der öffentliche Sektor stark fragmentiert. Es besteht ein hoher Bedarf an einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern/Kantonen und Kommunen, insbesondere im Hinblick auf Standards, Workflows oder die Integration von Systemen, um effizienter arbeiten zu können. Die negative demographische Entwicklung zwingt praktisch alle öffentlichen Einrichtungen, mit weniger Personal mehr und bessere Services zu erbringen.

Eines der Hauptprobleme ist die heterogene IT-Landschaft innerhalb und zwischen den öffentlichen Einrichtungen und den Institutionen des Gesundheitswesens. Gleichzeitig stehen mit zunehmender Verbreitung und Nutzung des Internets mehr Daten online zur Verfügung. Vorhandene Dokumente müssen digitalisiert und in einem Standardformat gespeichert werden, das einen leichten Austausch der Informationen ermöglicht.

Hierbei haben nationale und internationale Vorschriften einen tief greifenden Einfluss auf den Prozess der Verwaltung von Inhalten und Dokumenten. In der EU müssen E-Government-Projekte beispielsweise einem einheitlichen Integrationsstandard zur Archivierung und Digitalisierung folgen, und Software-Anbieter in diesem Markt müssen nach dieser Norm zertifiziert werden. DOMEA (Deutschland), ELAK (Österreich) oder GEVER (Schweiz) sind Standards, die eine elektronische Übertragung von Dokumenten zwischen Verwaltungen, Unternehmen und Bürgern ermöglichen sollen.

Weitere große Herausforderungen sind die Verwaltung und Archivierung von enormen Mengen von Inhalten. Unstrukturierte Inhalte und deren Komplexität haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Bürgerdaten werden meist in verschiedenen Systemen, Formaten und Qualitäten gespeichert (von MS Excel bis zu ERP).

Hinzu kommt die Formatvielfalt der Inhalte, die über neue Verbreitungswege, wie E-Mail oder Web, versandt oder bereitgestellt werden. Somit ist der Bedarf enorm, alle Daten zu integrieren, um vernünftige Analysen und somit auch Entscheidungsprozesse zu ermöglichen.

Trends bei der Implementierung von ECM-Systemen

Die speziellen Gegebenheiten im öffentlichen Sektor stellen hohe Anforderungen an die Implementierung von ECM-Systemen sowie an deren Beschaffenheit.

In den meisten staatlichen Institutionen besteht eine hohe Notwendigkeit zur Erstellung und Reorganisation von Geschäftsprozessen, um - nicht zuletzt im Bereich Finanz- oder HR-Management - effizienter arbeiten zu können. Dies verlangt eine Harmonisierung der IT-Landschaft. Es umfasst die Integration von isolierten ECM-Lösungen, Anwendungen und Systemen (zur Vermeidung von Datenredundanzen) und beinhaltet einen hohen Bedarf an Workflow-Management-Systemen.

Wenn es um die Transaktionsverarbeitung, Genehmigungsverfahren oder die Einführung von Feedback-Schleifen (z.B. im Service) geht, helfen Workflow-Systeme die damit verbundenen Prozesse zu standardisieren und zu harmonisieren. Sie ermöglichen die Rückverfolgung der Transaktionen und sorgen für eine schnellere, effizientere Verarbeitung.

Die Automatisierung von Workflows und die Rückverfolgbarkeit der Dokumentationsprozesse sind wesentliche Faktoren im Implementierungsprozess, insbesondere wenn es um das Erreichen von Effizienzzielen geht. Außerdem gibt es innerhalb einer Institution häufig verschiedene Werkzeuge, die in ein einziges ECM-Tool integriert oder migriert werden müssen.

Die Integration von ECM-Systemen ist zwar grundsätzlich möglich, stellt aber hohe Anforderungen an das Access-Management, beispielsweise wenn Mitarbeiter aus unterschiedlichen Abteilungen ausschließlich Zugriff auf die von ihnen erstellten Daten erhalten sollen.

Elektronische Signatur beschleunigt Online und mobile Lösungen

Neue Herausforderungen im öffentlichen Sektor ergeben sich insbesondere durch die Einführung und weitere Verbreitung von E-Government-Lösungen und internetgestützten Anwendungen.

So steht hinter der Konsolidierung und Verbesserung der Bürgerportale zwar die Zielsetzung, Bürger und Unternehmen mit Informationen zu versorgen, Prozesse zu verbessern, Transaktionen über Portale zu erhöhen und Kosten zu minimieren (u.a. durch die Nutzung von CRM-Lösungen). Gleichzeitig führt dies aber auch zu neuen Datenquellen, die integriert werden müssen.

Auch die Einführung elektronischer Signaturen wird dazu beitragen, Dokumente zunehmend auch online übertragen zu können. Diese können dann direkt gespeichert bzw. für weitere Interaktionen verwendet werden.

Mit dem vermehrten Einsatz von mobilen Lösungen im öffentlichen Sektor der DACH-Region muss auch Zugriff auf diese Daten ermöglicht werden. Andererseits ist bei der Speicherung personenbezogener Daten von Bürgern die IT-Sicherheit ist ein absolutes Muss. Aus diesem Grund spielen Cloud-Lösungen im öffentlichen Sektor bislang eine untergeordnete Rolle und sind begrenzt auf interne bzw. sogenannte "Private Clouds".

Fazit

Um im öffentlichen Sektor erfolgreich ECM-Projekte durchführen zu können, bedarf es zum einen eines tiefgehenden Branchenwissens um die Prozesse im öffentlichen Sektor und hoher Beratungskompetenz vor allem auch bei der Begleitung des Change-Managements. Außerdem ist ausgeprägte Projekt- und IT-Kompetenz gefragt, nicht zuletzt, da Faktoren wie der ROI aktuell auch im Public Sector eine immer wichtigere Rolle spielen.

Martin Barnreiter ist Lead-Analyst für den Bereich Public Sector beim Marktanalyse- und Beratungsunternehmen Pierre Audoin Consultants (PAC).