IT-Manager wetten

Verstehe deinen Kunden, nutze seine Daten

22.04.2020
Tobias Rölz wettet, dass in fünf Jahren nur Unternehmen erfolgreich sein werden, die das Informationsmodell ihrer Kunden und Lieferanten verstehen und sich nahtlos in dieses integrieren.
Tobias Rölz ist Vice President Global IT & Digital Business bei der Komax AG.
Foto: Komax AG

Wer von uns hat nicht bereits eine dieser Aussagen gehört und auch selbst verwendet: "Kenne deinen Kunden - er kennt den nächsten!" (Gisbert Straden); "Daten - das Öl des 21. Jahrhunderts!" (Malte Spitz). Es gibt nur wenige Unternehmen, die sich nicht "Kundenorientierung" als eine der Hauptprioritäten in die Strategie und in das Business-Modell geschrieben haben. Gerade in Zeiten der Digitalisierung möchte jeder den Kunden in den Mittelpunkt stellen.

Aber was heißt Kundenorientierung denn wirklich? Wie verstehen wir den Kunden am besten? Natürlich, indem wir Daten über unsere Kunden sammeln. Aber halt - ist das wirklich so einfach? Oder müssen wir das Rohöl - die Daten - nicht zuerst veredeln und in Kerosin oder Benzin verwandeln?

Nicht das Rohöl bringt den Nutzen, sondern die Veredelung und abgeleitete Produkte wie Kerosin oder Benzin. So ist es auch bei den Daten: Daten allein sind wie Rohöl. Erst ihre Verwendung in Form von Informationen (= interpretierte, in Kontext gebrachte Daten) bringt uns einen Nutzen. Aber wie genau können wir die Daten in hoch performantes Kerosin verwandeln? Es beginnt mit unseren eigenen Daten im Unternehmen und damit, wie wir ihnen eine klare Bedeutung zuweisen!

Daten wie Produkte behandeln

Daten und Informationen müssen behandelt werden wie reale, anfassbare Produkte. Sie haben einen Lebensweg, verursachen Kosten, erzielen Gewinne, müssen unterschiedlichen Standards (Qualität, Gesetze, Schnittstellen) gehorchen; ähnlich den realen Produkten. Diese Erkenntnis hat zur Konsequenz, dass ein Unternehmen, das im digitalen Umfeld mithalten will, eine Digital Information Supply Chain (DISC), analog einer Product Supply Chain der realen Dinge, benötigt.

Die Ähnlichkeiten zwischen der DISC und der realen Supply Chain sind eindrucksvoll: Eine DISC braucht ebenso Baupläne, Beschaffung, Produktion, Lagerung, Verteilung, Governance, Qualitätssicherung und Preise. Dies ist den wenigsten Unternehmen heute bewusst.

Grundlage für all diese Aspekte ist die Kenntnis der eigenen Daten und ihrer Bedeutung für die unterschiedlichen Nutzungen. Erst wenn wir unsere Daten, die wir jeden Tag im Unternehmen produzieren, wirklich interpretieren können, werden wir Erfolg haben. Das Informationsmodell bietet die Grundlage hierfür. Es beschreibt alle Elemente (Entitäten) und ihre Zusammenhänge für einen Bereich, ein Unternehmen, in einer eindeutigen Sprache, die auch von Menschen außerhalb der IT-Abteilung verstanden wird.

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Das Informationsmodell dient als Basis für die klare Kommunikation zwischen den Fachabteilungen. Ich werde nie die Begeisterung unserer Business-Kollegen bei Komax vergessen, als sie vor unserem Informations­modell standen - und erkennen konnten, wie die Daten der verschiedenen Abteilungen ineinandergreifen, aber auch, wo Komplexität entsteht, etwa durch Medienbrüche, Missverständnisse etc.

Kundendaten kennen

Wie in der klassischen Supply Chain auch sind die Kenntnisse über die eigenen Prozesse und Wege die "halbe Miete". Jedoch fehlen jetzt noch unsere Kunden und Lieferanten - die Kenntnis der eigenen Informationen genügt nicht. Mit dem digitalen Wandel verstärkt sich der Effekt noch deutlicher: Digitalisierung heißt Abbau von Grenzen, eine deutlich engere Zusammenarbeit mit Kunden wie auch Lieferanten, Datenaustausch etc. Möchte ich meine Kunden also optimal bedienen, muss ich meine Informationen in einer Form einbringen und übermitteln, die ihnen direkt nutzt.

Prozesse nahtlos integrieren

Analog dazu muss ich mit meinen Lieferanten eine Abstimmung der ausgetauschten Informationen erreichen. Erst wenn ich, wie in der realen Supply Chain, eine nahtlose Integration von Lieferanten- und Kundenprozessen erreicht habe, habe ich wirklich einen Wert geschaffen. Daher kann man auch die Unterscheidung von Kunde und Lieferant vernachlässigen und nur noch von Business-Partnern sprechen.

Eine enge Zusammenarbeit in der realen Supply Chain (zum Beispiel Just in Time, Spezialbearbeitung im Produktionsprozess) erfordert eine gute Organisation, Standards, Absprachen und Vertrauen. Warum sollte es bei der DISC anders sein?

Dazu einige Beispiele:

Jetzt haben wir bereits gelernt, dass die Ähnlichkeiten zwischen der Digital Information Supply Chain und klassischer Supply Chain sehr groß sind. Daher können wir auch die Kundenorientierung - oder besser Partnerorientierung - ähnlich einfach erarbeiten.

Hier gibt es drei Wege:

1. Wir nutzen einen Standard (gemeinsame(s) Struktur/Modell der gemeinsam genutzten Informationen).

2. Der Partner übernimmt unser(e) Struktur/Modell.

3. Wir übernehmen die Struktur/das Modell des Partners.

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Das passende Modell wählen

Die Entscheidung, welches Modell das passende ist, hängt wiederum von der Größe und der digitalen Reife beziehungsweise dem Vertrauen in den Partner ab und wird die Wahl des Weges beeinflussen. Ähnlich wie in der Automobilindustrie wird der "große OEM" (= Hersteller) dem Tier-1-Lieferanten wahrscheinlich sein Informationsmodell vorschreiben, während ein kleinerer Kunde eines großen Konzerns vermutlich bereitwillig das Informationsmodell seines Lieferanten übernimmt, weil dieser deutlich mehr Expertise hat. Kurzum: Ein Key Account (Kunde oder Lieferant) wird uns eher sein Modell aufzwingen. Ein Kleinkunde wird sich an uns anpassen.

Egal welchen der drei Wege wir gehen (meist wird es eine Mischung sein), wir müssen unsere Informationsbedürfnisse und die des Kunden/Lieferanten kennen. Dabei genügt es nicht, Kenntnis von den technischen Beschreibungen (Datenfelder, XML-Strukturen, Datentypen und Formatierungsangaben) zu haben.

Wir müssen die Bedeutung der Daten kennen. Die Bedeutung (Semantik) kennen, ist gleichbedeutend mit: Wir müssen die Daten in einer gemeinsam vereinbarten, einheitlichen Art und Weise interpretieren. Wir müssen den Kontext definieren, in dem wir die Daten interpretieren/verwenden/nutzen wollen. Wir müssen mit unserem Partner eine einheitliche Sprache - die Semantik - entwickeln. Erst dann erreichen wir wirklich Kunden- beziehungsweise Partnerorientierung und verstehen, wie sich unsere Digital Information Supply Chain perfekt in die unserer Partner integriert!

So ist ein Kunde nicht einfach ein Kunde: Je nach Geschäftsmodell können sich hinter diesem Allerweltsbegriff ganz unterschiedliche Bedeutungen (mit Auswirkungen auf ihre Behandlung) ergeben. Bei Komax standen wir beispielsweise vor folgender Frage: Sind die Konzepte einer "Version einer Variante" gleich wie die einer "Variante einer Version"? Hier waren die Abteilungen durchaus unterschiedlicher Meinung, und erst die Informationsmodellierung half uns, eine einheitliche Bedeutung zu finden. Dieses Wissen hätte uns einige Missverständnisse und Diskussionen erspart.

Da es mehrere Modelle gibt, die wir berücksichtigen und bedienen müssen, ist es zwingend notwendig, dass wir unser Informationsmodell kennen. Dieses repräsentiert unser Unternehmen, unsere Eigenheiten und unser Spezial-Know-how. Dies kann kein Standardmodell sein, außer wir sind eine austauschbare Standardfirma. Das gilt auch, wenn wir als kleinerer Partner das Modell des Partners übernehmen: Wir werden kaum je unser ganzes Modell an das des Partners anpassen, außer wir haben nur einen Kunden.

Wir benötigen unser Modell sowie die Modelle unserer Partner. Dazu braucht es noch die "Übersetzung" der Modelle für die Schnittstellen. Diese Übersetzung besteht aus Struktur-Transformation (technisch und semantisch) sowie Bearbeitung (Sicherheit, Periodizität, Qualität, Kosten, Datenhoheit etc.).

Umsetzung bei Komax

Wir machen bei Komax sehr gute Erfahrungen mit der Informationsmodellierung. Allein die interne Betrachtung der Daten und der dazugehörigen Semantik war für uns augenöffnend und hat die Abteilungen deutlich enger zusammengeführt. Selbst Abteilungen, die jahrelang zusammengearbeitet haben, benutzten dieselben Wörter, meinten aber völlig unterschiedliche Dinge. Dies führte im Arbeitsalltag immer wieder zu Missverständnissen. Erst die Informations­modellierung und das Ziel, eine eindeutige Semantik zu verwenden, hat diese Probleme sichtbar gemacht und gelöst.

Darüber hinaus konnten wir viele Komplexitäten aufzeigen und vereinfachen. Auch konnten wir von der Informationsmodellierung her unsere Systemlandschaft wie auch die dazugehörigen Use-Case-Diagramme ableiten, verbessern und vereinfachen. Heute wissen wir genau, welches System welche Daten erzeugt, was sie bedeuten und wie sie ineinandergreifen.

Basierend auf unserem internen Informationsmodell haben wir mittlerweile eine ideale Basis geschaffen, unsere Partner noch besser zu verstehen und genau zu wissen, welche Daten sich wie in das Informationsmodell des Partners einbetten. Wir benutzen daher das von Stefan Berner entwickelte Informationsmodell mittlerweile übergreifend und können heute deutlich besser die Anforderungen unserer Kunden und Lieferanten verstehen und auf sie eingehen. Dies wird uns helfen, unsere Marktführerschaft im Bereich der automatisierten Kabelverarbeitung weiter auszubauen.

Leseempfehlung

Wer tiefer in die Welt der Informationsmodellierung einsteigen möchte, dem empfehle ich das Buch von Stefan Berner: "Informationsmodellierung - Durch Verstehen zu besserer Software", erschienen im vdf Hochschulverlag. Es bietet tolle Anregungen und Tipps, das eigene Informationsmodell zu visualisieren und im Arbeitsalltag zu verbessern. Das ausführliche und leicht verständliche geschriebene Whitepaper zum Buch kann auf der Website von foryouand-yourcustomers kostenlos unter fyayc.com/imodell heruntergeladen werden.

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