IT-Kosten

Warum CIOs die Public Cloud verlassen

16.04.2020 von Clint Boulton
Trotz der Vorteile beim Anwendungsbetrieb überdenken einige CIOs ihre Public-Cloud-Strategie. Es geht dabei vor allem um die Kosten.
CIOs stellen ihre Cloud-Nutzung auf den Prüfstand.
Foto: sdecoret - shutterstock.com

Die Public Cloud verspricht vielen Unternehmen mehr Flexibilität. Doch das Auslagern kritischer Systme hat auch Schatteneiten. Einige CIOs stellen derzeit ihre Strategie auf den Prüfstand: sie haben die Erfahrung gemacht, dass der Betrieb mancher Applikationen in der Public Cloud teurer kommt als on premise.

Ravi Naik, CIO des Storage-Anbieters Seagate, liefert ein Beispiel. Im Rahmen einer weltweiten Konsolidierung der vier Rechenzentren migrierte er Business-Anwendungen in die AWS-Cloud. Er gewann dadurch Beweglichkeit, entschied aber trotzdem, ein Big-Data-System ins eigene Data Center zurückzuholen. Der Bedarf an Bandbreite sei zu hoch gewesen. Naik ist zwar noch immer ein Verfechter der Cloud, sofern es um "On-Demand"-Anwendungen geht. In Sachen Storage aber seien die Kosten "eskaliert", berichtet der CIO.

Das Schlagwort von der "Cloud-Repatriierung"

Schon verbreitet sich in der IT-Branche das Schlagwort der "Cloud-Repatriierung". Obwohl die Nutzung der Public Cloud insgesamt weiter steigt, erklärten in einer Umfrage von IDC 85 Prozent der IT-Entscheider, schon einmal Workloads aus der Public Cloud zurückgeholt zu haben. Nach den Worten von IDC-Analyst Sriram Subramanian starten die meisten Unternehmen mit einem "Lift and Shift"-Ansatz. Sie verschieben Business-Anwendungen mehr oder weniger unverändert von On-Premise-Systemen in Cloud-Umgebungen. In einem zweiten Schritt modernisieren sie häufig ihre Applikationen mittels Microservices und Containern, um dem Ideal von "Cloud-native"-Systemen nahezukommen.

An dieser Stelle treten typischerweise Probleme auf, beobachtet Subramanian. Die Kosten laufen aus dem Ruder. Der Analyst nennt Schwierigkeiten mit der Konsolidierung der Ressourcen, Total cost of ownership (TCO) und Datensicherheit als die drei wichtigsten Gründe für den Rückzug aus der Cloud. Er hält die Cloud nicht grundsätzlich für "teuer". Eher spricht er davon, dass nicht jedes Unternehmen den richtigen Weg für jede Workload finde.

Auch Seagate nennt die TCO als Hauptgrund für eine eventuelle Repatriierung seines Hadoop Data Lakes. Das Unternehmen generiert jeden Tag 30 Terabyte an parametrischen Daten in seinen Fabriken. Zwar müssen nicht alle in den Data Lake transferiert werden, aber die Rechnung für das Hin- und Herbewegen der Daten zwischen sieben Fabriken auf drei Kontinenten wurde CIO Naik zu hoch. Hinzu kommt der Zeitaufwand für das Verschieben der großen Datenmengen über das Netzwerk.

Naik überprüfte die Cloud-Strategie seines Unternehmens. Gemeinsam mit seinem Team kam er zu der Überzeugung, dass sich außerhalb der Public Cloud ein effizienteres Ökosystem aufbauen ließe. Also holten er den Data Lake zurück. aus der öffentlichen Cloud. Das Storage-System von Seagate liegt nun in einer Private Cloud. Heute bewegt das Unternehmen große Datensets über das WAN. Laut Naik sanken die Kosten um rund ein Viertel, auch der Zeitaufwand ist geringer. Insgesamt operiert Seagate mit einer hybriden Umgebung aus AWS, Azure und den eigenen Rechenzentren.

IT-Chefs müssen Vendor-Lock-in vermeiden

Auch andere Unternehmen sind vorsichtig geworden. ApolloMD, ein amerikanischer Spezialist für Krankenhaus-Dienste, implementiert nur Cloud Services, die genau zur eigenen Technologie und den Anforderungen des Business passen, sagt CIO Anthony Mascitti. Dazu zählen etwa PowerBI für die Datenvisualisierung und Adaptive Insights für Finanzanalysen. Data Mining und Data Warehousing betreibt ApolloMD weiter im eigenen Rechenzentrum. Allerdings erwägt das IT-Team auch den Einsatz von Self-Service-Anwendungen. Dafür wäre ein Cloud-Betrieb möglicherweise besser geeignet. Mascitti untersucht nun genau, was für die Fachabteilungen Business sinnvoll ist.

Seagate-CIO Naik betrachtet die Erfahrungen mit der Public Cloud im Rückblick als Lernkurve. Teil dessen ist das Change Management. Naik hatte ein IT-Trainingsteam gebildet, in das er Vertreter der Personalabteilung einband. Außerdem entsandte er Mitarbeiter in das Loft von AWS. Die Sachbearbeiter im Unternehmen konnten über die Lern-Plattform Udemy Online-Kurse absolvieren.

Auf jeden Fall sollten IT-Entscheider einen Vendor-Lock-in vermeiden, raten Experten. Allzu oft verlassen sich Unternehmen auf einen einzigen Anbieter, weil dessen unterschiedliche Services gut aufeinander abgestimmt sind. Will der CIO wieder raus aus der Public Cloud, wird es umso schwieriger, je mehr Daten und Workloads auf dieser einen Plattform liegen.

Naik jedenfalls ist zuversichtlich, dass die Anbieter aus dem Ärger ihrer Kunden lernen und anfangen, echte Multi Cloud-Umgebungen zu etablieren: "Sie werden sich darum kümmern." (cp)