Public Cloud in der Praxis

Wie CIOs ihre Entscheidung für die Public Cloud begründen

19.12.2017 von Wolfgang Herrmann
Im Public-Cloud-Markt vollzieht sich ein Wandel. Großunternehmen wie General Electric, MetLife oder Bank of America haben den Sprung gewagt und berichten über ihre Erfahrungen.

Fast eine Dekade hat es gedauert, bis Cloud Computing sich auf der Agenda von CIOs einen festen Platz gesichert hat. Viele sehen darin heute mehr als eine günstige "Sourcing-Option" für Rechner- und Speicherdienste. Sie begreifen das Cloud-Konzept als einen Weg, Software schneller zur Verfügung zu stellen und die Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen zu verbessern. Dabei helfen agile Entwicklungsmethoden ebenso wie DevOps- und Design-Thinking-Ansätze. Ob es um eine mobile App für mehr Kundeninteraktion geht oder darum, Kernanwendungen und -dienste in der Wolke zu betreiben: Die Cloud entwickelt sich zur technischen Basis der digitalen Transformation.

CIOs begreifen Cloud Computing als einen Weg, Software schneller zur Verfügung zu stellen und die Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen zu verbessern.
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Dass mittlerweile auch komplette Rechenzentren durch externe Cloud-Services ersetzt werden können, gibt den IT-Chefs mehr Raum, sich um strategische Business-Projekte zu kümmern. Die Cloud-Initiativen von Großunternehmen wie General Electric (GE) oder American Airlines zeigen, wohin die Reise geht und worauf CIOs besonders achten sollten.

General Electric: Neue Anwendungen nur noch in der Cloud

Mehr als 90 Prozent der neuen Anwendungen, die GE entwickelt, laufen heute nativ in einer Public Cloud, berichtet CTO Chris Drumgoole, der an CIO Jim Fowler berichtet: "Neue Software betreiben wir grundsätzlich nicht mehr intern."

Große Teile seiner Kernanwendungen für interne und kundennahe Anwendungen betreibt GE auf den Cloud-Plattformen von Amazon Web Services (AWS) und Microsoft Azure. Auch für die eigenentwickelte IoT-Plattform "Predix", von der sich der Konzern neue digitale Geschäftschancen verspricht, greift GE auf Azure-Ressourcen zurück.

Dennoch betont der CTO: Anwendungen, die stark von einer staatlichen Regulierung betroffen sind, halte man in eigenen Rechenzentren vor. Sobald sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen änderten, werde GE aber auch solche Systeme in die Public Cloud migrieren. Die Hybrid Cloud ist aus seiner Sicht nur eine Zwischenstation: "Wir glauben nach wie vor, dass sich die Welt in Richtung Public Cloud bewegt."

Zu den größten Herausforderungen zählt Drumgoole die Entscheidung, wie GE mit Altanwendungen verfahren soll. Im Prinzip gebe es drei Optionen: anpassen und in die Cloud schieben, in Containern kapseln und danach migrieren oder neu entwickeln. Vor allem Nischenanwendungen, die nicht für einen Cloud-Betrieb ausgelegt sind, könnten dabei Probleme bereiten. So benötige GE beispielsweise weiterhin einige Java-Apps, die nur im Zusammenspiel mit dem ERP-System arbeiten können, um bestimmte Funktionen bereitzustellen.

Empfehlungen für CIOs

Drumgoole rät CIOs, bei ihren Cloud-Initiativen das Problem der Anbieterabhängigkeit im Auge zu behalten. Mit jedem ausgelagerten Petabyte an Geschäftsdaten gebe man auch ein Stück Kontrolle an den Cloud-Provider ab. Solche Daten wieder zurückzuholen, sei keine leichte Übung: "Wir begeben uns in eine Welt, in der wir unsere eigenen Daten physisch und taktisch nicht mehr kontrollieren können." Wer auf diese Weise eingesperrt sei, büße trotz der vielen Cloud-Vorteile eben auch einige Handlungsoptionen ein.

MetLife: Mehr Speed mit der Public Cloud

Auch beim Versicherungskonzern MetLife spielt die Public Cloud für die IT-Infrastruktur eine zentrale Rolle. Vorteile bezüglich Geschwindigkeit und Agilität waren die wichtigsten Gründe für den Schritt in die Cloud, erläutert Chief Technology Architect Alex Seidita. Er nutzt unter anderem Microservices auf Microsofts Azure-Plattform, um Call-Center-Funktionen und die hauseigene "Infinity"-Anwendung bereitzustellen. Versicherungskunden können damit Fotos, Dokumente oder Videos speichern. Über Automation-Prozesse ergäben sich für das Unternehmen aber auch Kostenvorteile.

Der Versicherungskonzern MetLife nutzt Microservices und Microsofts Azure-Cloud, um Anwendungsfunktionen bereitzustellen.
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Der Zeitaufwand, eine virtuelle Maschine aufzusetzen und in Betrieb zu nehmen, habe sich um 83 Prozent verringert, so der Manager. Ähnlich wie GE greift auch MetLife auf die Dienste mehrerer Cloud-Anbieter zurück. So bezieht der Versicherer etwa Disaster Recovery as a Service aus IBMs Cloud. Seine Teams hätten bei der Arbeit mit den hochentwickelten Cloud-Plattformen viel über den IT-Betrieb gelernt, resümiert Seidita. Sie nutzten die Erkenntnisse und Best Practices inzwischen auch dafür, interne IT-Prozesse mithilfe von Automationstechniken zu verbessern.

Empfehlungen für CIOs

Vor allem CIOs in stark regulierten Branchen rät Seidita, gründlich zu prüfen, welche Softwaredienste sich für ein Auslagern in die Cloud eignen. MetLife hat dazu ein umfassendes "Cloud-fit Assessment" ins Leben gerufen. Mit Blick auf regulatorische und Security-Anforderungen wurde bewertet, welche Anwendungen sich migrieren und welche neuen Apps sich künftig gleich auf einer Cloud-Plattform entwickeln lassen.

Bank of America: Anwendungsmodernisierung in der Cloud

Lange hatte die Bank of America mit einem Cloud-Engagement gezögert. Unterm Strich rechne sich die Cloud nicht, war noch vor gut einem Jahr aus dem Finanzinstitut zu hören. Man setze stattdessen inhouse auf ein Software-defined Network (SDN). Einige Monate später überraschte die Bank dann die Branche und schloss umfangreiche Cloud-Verträge sowohl mit Microsoft als auch mit Oracle.

Die Anwendungsmodernisierung, ein zentraler Bestandteil der digitalen Transformationsstrategie, findet künftig in der Microsoft-Azure-Welt statt. Im Zuge des Microsoft-Deals wechseln ferner 200.000 Mitarbeiter auf Office 365. Im Backend nutzt die Bank zudem Oracles ERP- und Financials-Services aus der Cloud.

Empfehlungen für CIOs

Als ausgesprochen konservatives Unternehmen lege die Bank of America großen Wert auf Security, berichtet Chief Operations and Technology Officer Cathy Bessant. So habe man etwa die Sicherheit von virtualisierten Systemen "dramatisch" verbessert. Dennoch bleibe man vorsichtig, wenn es um die Public Cloud gehe. Schließlich lasse sich nie mit Sicherheit sagen, welche Anwendungen dort direkt neben den eigenen betrieben würden.

Merrill Corporation: Management-Tool spart Cloud-Kosten

Auch die US-amerikanische Merrill Corp. setzt im Rahmen ihrer digitalen Transformation verstärkt auf Cloud-Services. Der Dienstleister stellt seinen Kunden virtuelle Hosting-Räume zur Verfügung, wo sie kritische Informationen wie etwa Merger- und Acquisitions-Dokumente sicher aufbewahren können. CTO Brad Smuland setzt dabei zunehmend auf Public-Cloud-Dienste von Microsoft Azure.

Schon jetzt betreibt Merrill rund 1700 Server in der Azure-Cloud, weitere 4500 Server arbeiten noch im eigenen Data Center. Smulands Ziel ist es, immer mehr Rechenkapazität aus der Cloud zu beziehen. Um die Kosten für Azure-Dienste im Griff zu behalten, überwacht er die Nutzung mit einem Cloud-Management-Tool von Turbonomic. Der Clou dabei: Die Software verschiebt automatisch Workloads von On-Premise-Servern in die Azure Cloud und umgekehrt. Die Basis dafür bilden Algorithmen, die prüfen, welche Plattform für eine bestimmte IT-Aufgabe günstiger ist oder eine bessere Leistung bringt.

Für den Weg in die Cloud musste Merrill mit seinen 3000 Mitarbeitern und 36 Standorten weltweit die bestehenden IT-Systeme grundlegend überarbeiten, berichtet der CTO. Neue Anforderungen entstanden damit auch für die Mitarbeiter, beispielswiese in puncto Native-Cloud-Applikationen mit Microservices in einer DevOps-Umgebung. Die größte Herausforderung sei es gewesen, Mitarbeiter zu qualifizieren und einen kulturellen Wandel einzuleiten.

Empfehlungen für CIOs

Auch wenn die Aspekte Skills und Kultur kritisch sind, sollten CIOs bei größeren Cloud-Initiativen mit strategischen Partnern zusammenarbeiten, empfiehlt Smuland. Allzu oft versuchten IT-Verantwortliche, solche Vorhaben aus eigener Kraft zu stemmen. Strategische Partnerschaften sind aus seiner Sicht unabdingbar, um eine Cloud-Transformation schnell zum Erfolg zu führen.

American Airlines: Cloud-native Apps beschleunigen die Entwicklung

Software automatisiert bereitstellen und dabei die Zusammenarbeit mit den Fachbereichen verbessern: Das war die Zielvorgabe von Daniel Henry, Vice President of Customer Technology bei American Airlines. Mit IBM als Cloud-Partner geht er erste Schritte in diese Richtung. Im Rahmen eines groß angelegten Modernisierungsvorhabens migriert die Fluggesellschaft ihre Website, mobilen Anwendungen und diverse digitale Services in die IBM-Cloud. Die Anwendungsentwicklung musste insgesamt schneller werden, um besser auf Kundenanforderungen reagieren zu können, so der Manager. Für IBM habe unter anderem die Unterstützung der Cloud-Plattform "Cloud Foundry" gesprochen, auf der man Cloud-native-Anwendungen entwickle.

Für die Anwendungsentwicklung nutzt die Fluggesellschaft American Airlines die Open-Source-Cloud-Plattform Cloud Foundry.
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American Airlines nutzt dabei auch IBMs "Cloud Garage"-Methodik. Diese umfasst neben verschiedenen Architekturen etwa Best Practices für die Softwareentwicklung mithilfe von Microservices, agilen Methoden und DevOps-Konzepten. Henry will auf diesem Weg die Zusammenarbeit zwischen Technikern und Business-Managern stärken und am Ende zu einer weitgehend automatisierten Softwareauslieferung kommen. Die Cloud bietet aus seiner Sicht einen guten Einstiegspunkt für einen kulturellen Wandel innerhalb des IT-Teams. Die Art und Weise, wie die IT den Fachbereichen Software zur Verfügung stellt, ändere sich damit grundlegend.

Empfehlungen für CIOs

CIOs sollten aufhören, über das Für und Wider der Cloud zu diskutieren und endlich den Sprung wagen, empfiehlt Henry. Dazu gehöre auch die Bereitschaft, Bewährtes in Frage zu stellen und sich selbst "neu zu erfinden", ganz nach dem Motto der US-Kultmarke Nike: "Just do it".