Kees van Rossem über Banken und IT

"Wie ein Käpt'n auf der Kommando-Brücke"

26.03.2010 von Christiane Pütter
Der CIO der ING-Diba Kees van Rossem zieht sich Ende März in den Ruhestand zurück. Zeit für ein Gespräch über die Rolle der IT in einer Bank - und darüber, was ein Bank-CIO braucht.

Regelmäßige Kommunikation mit den Fachbereichen und ein CIO, der alle Prozesse im Blick hat - dann klappt es auch mit der Banken-IT. Das ist jedenfalls die Erfahrung von Kees van Rossem, dem scheidenden Head of IT der ING-Diba.

Herr van Rossem, was sind die größten Herausforderungen für einen IT-Chef in einer Bank?

Van Rossem: Bei uns geht es zurzeit um einige Projekte im Bereich Baufinanzierung. Außerdem wollen wir immer mehr Prozesse automatisieren, um Kosten zu senken, aber auch gleichzeitig die Servicequalität zu steigern. Ziel ist zum Beispiel die taggleiche Erledigung von Kundenanfragen. Ganz allgemein würde ich sagen, dass vermutlich in allen Banken das Thema Change technologisch und organisatorisch die größte Herausforderung darstellt. Das haben wir bei der ING-Diba immer gut gelöst.

Was heißt das konkret?

Van Rossem: In einer Direktbank ist die IT natürlich ein kritischer Erfolgsfaktor. Daher haben IT und Fachbereiche immer eng zusammengearbeitet. Einmal pro Woche setzen sich Vorstand und Fachbereichsleiter zusammen und besprechen die Prozesse, die in der Bank ablaufen. Dadurch bekommt jeder mit, was gerade ansteht.

Wie sehen Sie die Rolle des CIO dabei? Verstehen Sie sich als Dienstleister oder als Innovator?

Van Rossem: Dienstleister ist die IT immer. Das reicht aber nicht, der CIO sollte auf Vorstandsebene umfassend eingebunden sein in Fragen der Strategie und Ausrichtung der Bank. Aber wissen Sie, was mir am meisten Spaß macht? Ich habe ein Command Center aufgebaut, in dem ich alle Prozesse aus Kundensicht auf einen Blick mitverfolgen kann. Wenn ich in diesem Command Center stehe und sehe, dass alle Lichter auf grün stehen, bin ich zufrieden. Dann fühle ich mich wie ein Käpt’n auf der Kommando-Brücke, wenn er weiß, dass sein Schiff Kurs hält.

Was muss die IT bei Ihnen leisten?

Van Rossem: Verfügbarkeit. Das ist das Wichtigste. Kunden einer Direktbank wollen per iPhone, Mail, Telefon und Internet ihre Konten einsehen oder Transaktionen vornehmen. Darum müssen wir einen 24/7-Service bieten können. Soweit die Kundensicht. Intern sind wir natürlich gefordert, Kosten zu senken und Qualität zu steigern. Wir arbeiten mit dem Core 24-System des Dienstleisters Kordoba. Das System ist skalierbar und ließ sich in unsere Service-orientierte Architektur auf Basis von Unix und Oracle integrieren.

Wann haben Sie das System ausgerollt?

Van Rossem: Wir sind im November vorigen Jahres fertig geworden und haben insgesamt circa anderthalb Jahre gebraucht. Das Team umfasste etwa 150 Key Player, aber insgesamt waren wohl etwa 400 Leute am Rollout beteiligt.

Als die Finanzkrise am schlimmsten wütete ...

Manche Banken vertreten die These, dass die Kunden aufgrund der Krise wieder den Mann mit Schlips am Bankschalter sehen wollen, das heißt, sie wollen in eine Filiale gehen. Das können Sie als Direktbank nicht leisten.

Van Rossem: Als die Finanzkrise am schlimmsten wütete, hatten wir zum Teil Peaks von 6.300 gleichzeitig eingeloggten Usern. Das haben die Systeme geschafft.

Das reicht zur Vertrauensbildung?

Van Rossem: Außerdem sind unsere Mitarbeiter im Kundendialog wichtig, um Vertrauen zu schaffen. Wer bei uns anruft, soll in der Atmosphäre einer gefühlten Nähe beraten werden.

Durch die Krise wurde der Ruf nach noch mehr Regulierung laut. Wie sehen Sie das?

Van Rossem: Compliance kann sich zu einer echten Belastung auswachsen. Also, das waren zum Teil schon sehr viele Vorgaben, das kostet die Banken ja auch alles Geld. Andererseits darf man nicht übersehen, dass diese Regelungen positive Ziele haben. Aktuell steht SEPA an, die Single Euro Payment Area. Dies könnte für einen offenen Binnenmarkt sorgen.

Ganz allgemein: Warum tun sich viele Banken so schwer mit der Modernisierung ihrer IT?

Van Rossem: (lacht) Da stehen wir als Direktbank gut da. Wir haben nur wenige und noch dazu verständliche Produkte. Unsere Produkte kann die Software abbilden und wir können sie den Kunden erklären. Wo andere Banken zu ihren Angeboten "Beipackzettel" von vier oder mehr DIN-A-4-Blättern brauchen, reicht bei uns eines. Es wird natürlich umso komplizierter, je komplexer die Produkte sind.

Was muss ein CIO in einer Bank neben analytischen und kommunikativen Fähigkeiten mitbringen?

Van Rossem: Er muss führen können. Dazu gehört, dass Menschen Fehler machen dürfen. Bei uns herrscht eine Kultur, konstruktiv mit Fehlern umzugehen: Wenn irgendwo etwas schief gegangen ist, suchen wir nicht den Schuldigen und stellen ihn an den Pranger. Wir finden heraus, warum der Patzer passiert ist, und sorgen dafür, dass die Fehlerquelle behoben wird.

Stationen bei IBM und der NMB Postbank

Was geben Sie künftigen Banken-CIOs mit auf den Weg?

Van Rossem: Dass ihr Job Spaß macht! Langweilig wird es bestimmt nicht.

Der Holländer Kees van Rossem hat nach Stationen bei IBM und der NMB Postbank seit 1992 bei der ING-Diba gearbeitet. Ende März zieht sich der 61-Jährige aus Altersgründen zurück. Sein Nachfolger ist Zeljko Kaurin, der bisher das IT-Operationscenter der Bank leitet.

Die ING-Diba mit Sitz in Frankfurt am Main ist die größte Direktbank Europas. Im Geschäftsjahr 2008 wies sie nach eigenen Angaben eine Bilanzsumme von knapp 82 Milliarden Euro aus. Die ING-Diba ist eine Tochter der niederländischen ING Groep.