Psychologie

Der trügerische erste Eindruck

02.08.2013
Von Andreas Zeuch

Die Übertragungsfalle umgehen

Erstens können Sie Ihre grundsätzliche Anfälligkeit oder Sensibilität (je nachdem, wie man es betrachtet) für Übertragungen überprüfen. Achten Sie in den nächsten Wochen ab und an auf Folgendes: Wie oft sehen Sie einen Menschen, der Sie irgendwie an jemand anderes erinnert, auch wenn Sie in diesem Moment nicht sagen können, an wen? Sie können die Wartezeit am Flughafen oder im Bahnhof dazu nutzen; oder einfach Menschen auf solche Ähnlichkeiten hin prüfen, die Ihnen bei der Arbeit täglich begegnen.

Zweitens ist es nützlich, sich Klarheit darüber zu verschaffen, welche Menschen in Ihrem Leben eine wichtige Rolle gespielt haben. Egal auf welche Weise. Wenn Sie sich diese Menschen einmal gründlich bewusst machen, mit all Ihren Eigenschaften, können Sie künftig schneller erkennen, ob Sie ein neuer Mensch in einer neuen Situation auf irgendeine Art und Weise an einen dieser Menschen aus Ihrer Vergangenheit oder auch ihrem jetzigen Leben erinnert. Dann können Sie den Übertragungseffekt deutlich reduzieren.

Drittens sollten Sie fortan einen Sicherheitsfilter in Ihrer Beurteilung fremder Personen installieren, die Sie zum ersten Mal sehen. Es gibt zahlreiche Situationen, in denen Ihnen das passieren kann: Sie sind auf der Suche nach Investoren oder neuen Mitarbeitern; Sie treffen einen neuen Geschäftspartner... nehmen Sie diese Menschen so achtsam wie möglich war. Ihr Aussehen, ihr Verhalten, ihren Blickkontakt und die Blickqualität, ihre Stimme und die Art zu reden, ihre Mimik, Gestik, Körpersprache und der Händedruck; achten sie auf den Charakter der Personen, ihren Kleidungsstil. Versuchen Sie wann immer möglich, in einen neutralen Modus zu gehen, wenn Sie wissen, dass Sie einen neuen Menschen treffen werden.

Wir beurteilen nämlich extrem schnell, in Bruchteilen von Sekunden. Sie können lernen, diese reflexhafte Beurteilung mit der Zeit zu unterbinden. Verschaffen Sie sich ein paar Momente, um einen innerlichen Check zu machen: Gibt es irgendeinen anderen Menschen, an den Sie diese Person erinnert? Laufen Sie Gefahr, diesem Menschen eine Übertragung überzustülpen?

Viertens können Sie die Wahrnehmung anderer Menschen natürlich auch üben. Genauer: Wie schnell und präzise nehmen Sie andere Menschen wahr? Daraus können Sie in Ihrer Freizeit ein kleines Spiel machen, alleine oder mit Ihren Kindern: Wenn Sie mal wieder irgendwo sitzen, beobachten Sie einen der Menschen in Ihrer Umgebung für etwa 10 Sekunden. Schauen Sie dann weg, schließen Sie die Augen und erinnern sich an die beobachtete Person und lassen Sie sie so exakt wie möglich vor Ihrem geistigen Auge erscheinen. Wenn Sie etwas zu schreiben haben, können Sie schnell aufschreiben, was Sie beobachtet haben. Gleichen Sie dann Ihre Beobachtung ab, indem Sie sich den Mann, die Frau oder das Kind wieder anschauen. Wenn Sie diese kleine Übung mit Ihren Kindern machen, ist es natürlich sinnvoll, die Erinnerungen erst aufzuschreiben und dann abzugleichen. Wer lag mit seiner Erinnerung am nächsten dran?

Es gibt ganz einfache, in jeder Hinsicht äußerst ressourcenschonende Übungen. Sie brauchen so gut wie keine zusätzliche Zeit und Geld schon gar nicht. Einfach nur Aufmerksamkeit. Für ein paar Momente. Immer wieder mal angewendet führt das dazu, dass Sie künftig weniger oft in die Übertragungsfalle tappen. In manch einer Situation kann das von großem Vorteil sein.

Teile dieses Beitrags sind dem Buch Feel it! So viel Intuition verträgt Ihr Unternehmen entnommen, erschienen im Wiley Verlag.

Andreas Zeuch promovierte in Erwachsenenbildung über das Training professioneller Intuition. Er arbeitet seit dem Jahr 2003 als freiberuflicher Berater, Trainer, Coach und Speaker mit dem Schwerpunkt unternehmerischer Entscheidungen und Managementinnovation.

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