Sustainability

ESG-Reifegradmodell hilft CIOs beim Reporting

Harald Lakatha ist Head of Data & Analytics Consulting bei pmOne Group
Heimo Teubenbacher ist Senior Principal Consultant bei pmOne Group
Mit Hilfe eines Reifegradmodells können ESG-Verantwortliche ein effizientes Nachhaltigkeits-Reporting aufbauen.
Nicht nur Kapitalgeber und Anleger legen zunehmend Wert auf ESG-Kriterien. Für Unternehmen steigt der Druck, ein aussagekräftiges Nachhaltigkeitsreporting zu etablieren.
Nicht nur Kapitalgeber und Anleger legen zunehmend Wert auf ESG-Kriterien. Für Unternehmen steigt der Druck, ein aussagekräftiges Nachhaltigkeitsreporting zu etablieren.
Foto: Gorodenkoff - shutterstock.com

Der Ruf nach mehr Nachhaltigkeit erreicht Unternehmen aus zahlreichen Richtungen, seien es Veränderungen im Kundenverhalten, neue Bewertungskriterien am Kapitalmarkt oder immer drängender werdende regulatorische Anforderungen. Das Management muss dem jedoch nicht nur mit einer individuellen Nachhaltigkeitsstrategie begegnen, sondern auch die organisatorischen und vor allem die technischen Rahmenbedingungen schaffen. Für IT-Verantwortliche ergeben sich hieraus zahlreiche Fragen und Herausforderungen. Bei der Frage nach den nötigen kurz- und langfristigen Schritten hilft es, sich entlang eines ESG-Reifegradmodells zu orientieren.

In den nächsten Monaten und Jahren kommen auf viele Organisationen formale Berichtspflichten zu, die sich aus der EU-Taxonomie, der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) oder anderen Frameworks ergeben. Die bestehenden Regeln zur nicht-finanziellen Berichterstattung werden dadurch erheblich erweitert. Die Vielzahl an Verordnungen wirkt zunächst überwältigend und Unternehmen müssen im Detail klären, welche Anforderungen für sie gelten. Dennoch stecken in der Umsetzung enorme Chancen.

So legen insbesondere Kapitalgeber und Anleger zunehmend Wert auf ESG-Kriterien (ESG = Environmental, Social und Governance). Die sehr an Nachhaltigkeit orientierte "Generation Z" wird bald ein Drittel der zukünftigen KundInnen und MitarbeiterInnen ausmachen. Und die steigende gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung von Nachhaltigkeit erfordert es, Nachhaltigkeitsmaßnahmen (global) zu planen und viele Produkte, Prozesse oder gar das Geschäftsmodell auf den Prüfstand zu stellen. Kurzum: Unternehmen müssen sich mit diesen Themen beschäftigen und die technische Umsetzung eines Nachhaltigkeits-Berichtswesens sicherstellen.

Reporting-Strukturen für ein "Green Controlling"

Als strategisches Ziel erfordert Nachhaltigkeit ein systematisches Controlling im Sinne von Messbarkeit, ReportingReporting und Zielerreichung. Dies wird aktuell meist mit dem Begriff "Green Controlling" beschrieben und beginnt naturgemäß mit der Auswertung und Aufbereitung von Daten. IT-Verantwortliche müssen also dafür sorgen, dass das Unternehmen von Rohdaten zu einem integrierten ESG-Controlling gelangt. Alles zu Reporting auf CIO.de

Für Organisationen gibt es verschiedene Wege zur Implementierung von Reporting-Strukturen, mit jeweils unterschiedlichem Aufwand. Für ein tagesaktuelles, hochautomatisiertes Berichtswesen sind andere Investitionen nötig als für eine jährliche Sammlung und Zusammenführung von Excel-Tabellen. Hier hilft eine sorgfältige Kosten-Nutzen-Analyse, wobei sich der Nutzen eines Nachhaltigkeits-Controllings aus dem Kontext der Nachhaltigkeitsstrategie ergibt.

Obwohl Nachhaltigkeitsstrategien und die erforderlichen Technologien sehr individuell sein können, ist hier eine allgemeine Einteilung in vier Stufen möglich (siehe Abbildung). Wobei sich Unternehmen zunächst auf eine frühe Stufe beschränken und später weiterentwickeln können.

ESG-Reifegradmodell, basierend auf den zwei Dimensionen "strategische Ausrichtung" und "technologischer Reifegrad"
ESG-Reifegradmodell, basierend auf den zwei Dimensionen "strategische Ausrichtung" und "technologischer Reifegrad"
Foto: pmOne Group

Sobald Unternehmen beginnen, Daten für ihr Nachhaltigkeits-Reporting zu sammeln und daraus die relevanten Kennzahlen zu berechnen, stellen sich grundlegende Fragen, beispielsweise: Was sind die Anforderungen für das Reporting? Woher kommen die notwendigen Daten? Wie berechnen sich die erforderlichen Kennzahlen aus den Rohdaten?

Der Weg dorthin lässt sich über die vier Stufen im Reifegradmodell beschreiben. Welche technologische Stufe für Unternehmen sinnvoll (und machbar) ist, ergibt sich vor allem aus den individuellen regulatorischen Anforderungen, den strategischen Zielen und den verfügbaren Ressourcen.

Stufe 1: Regulatorische Auflagen erfüllen

Ab einer gewissen Größe verpflichten die regulatorischen Vorgaben innerhalb der EU Unternehmen dazu, die Nachhaltigkeit ihrer Geschäftstätigkeit in ihrem Jahresbericht darzustellen. Ein Problem dabei: Bis das Unternehmen den ersten ESG-Bericht erstellen kann, haben sich die Anforderungen erfahrungsgemäß schon wieder geändert. Aufgrund der erforderlichen Flexibilität können Organisationen in dieser Phase oft die erste Version mit Microsoft-Office umsetzen: Die verantwortliche ESG-Abteilung erstellt Erfassungsformulare in Excel in einer zentralen Ablagestruktur auf SharePoint. Die einzelnen Fachabteilungen, die die Rohdaten erheben und bereitstellen, tragen hier die aktuellen Werte direkt in die Excel-Tabellen auf dem SharePoint-Server ein.

Aus den Erfassungstabellen übernimmt das ESG-Reporting die Rohdaten in Berechnungsmodelle, die ebenfalls in Excel umgesetzt sind. Einfache Reports für die relevanten KPIs lassen sich hier nun direkt aus Excel erstellen. Bei Bedarf können die berechneten Daten in ein Reporting-Tool wie Power-BI übernommen werden. Ein "isolierter" Nachhaltigkeitsbericht lässt sich zudem in Word erstellen.

Für manche Organisationen ist es sinnvoll, lediglich die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen, etwa für kleinere Unternehmen. Gründe dafür können aber auch begrenzte Ressourcen sein oder ein eingeschränkter Umwelt- und Sozial-Impact. Die manuelle Sammlung und Auswertung kann jedoch nur der erste Schritt zu einem gesetzeskonformen und Stakeholder-orientierten ESG-Reporting sein. Sie erfüllt in den allermeisten Fällen nicht die Anforderungen an die Auditierbarkeit.

Stufe 2: Nachhaltigkeit aktiv verbessern

Durch die Einführung eines vorgabenkonformen Nachhaltigkeitsreportings setzen sich Unternehmen automatisch mit der eigenen Wertschöpfung und deren Auswirkungen auseinander. Dabei erhalten sie neue Einblicke, wie sie den eigenen Footprint verbessern können. Befinden sich Unternehmen auf dieser Stufe, entwickeln sie einen Maßnahmenkatalog mit spezifischen Zielen und Aufgaben zur Verbesserung der Nachhaltigkeit.

Die Umsetzung dieser Maßnahmen muss entsprechend geplant und der Fortschritt durch regelmäßige Reports überwacht werden. Hier geht es vor allem darum, die Prozesse für die Sammlung und Auswertung so in einer Anwendung umzusetzen, dass sie auditierbar sind. Die zu implementierende Anwendung sammelt dann die Rohdaten aus verschiedenen Quellen und errechnet die erforderlichen ESG-Kennzahlen. Die Ergebnisse stellt die Software in geeigneten Reports dar. Zugleich übernimmt sie ein Monitoring der Maßnahmen und ihrer Wirkung.

In der Regel erfassen die Organisationen ihre Rohdaten in denselben Excel-Tabellen wie in der ersten Stufe. Allerdings übernimmt nun eine prozessgesteuerte Applikation die Sammlung und Auswertung der Excel-Dateien. Diese Anwendung kann nun automatisiert überprüfen, ob die Rohdaten vollständig und plausibel sind. Zudem ist es dann nachvollziehbar, wie die Rohdaten erfasst wurden. Darüber hinaus werden die ESG-Kennzahlen damit zentral und unternehmenseinheitlich berechnet. In dieser Stufe liegt der Fokus üblicherweise auf allgemeinen Faktoren, die eine große Auswirkung auf die Nachhaltigkeit haben.

Stufe 3: Produkte und Dienstleistungen nachhaltiger machen

In dieser Stufe berichten Unternehmen ihre ESG-Kennzahlen nicht nur, sondern berechnen und planen ihren Footprint auf der Ebene von einzelnen Produkten, Produktgruppen und Dienstleistungen. Spätestens dann ist eine Lösung zur Sammlung und entsprechenden Aufbereitung der Rohdaten als Ersatz für die Excel-Sheets erforderlich.

So lassen sich manuelle Arbeitsschritte eliminieren und Rohdaten schneller erfassen. Zudem können dann die Rohdaten nicht nur ein- bis zweimal im Jahr sondern monatlich, wöchentlich oder sogar täglich gesammelt werden. Sie werden außerdem immer einheitlich und bei jedem Durchlauf konsistent erfasst. Ein kontinuierlicher Vergleich zwischen Planung und Zielerreichung wird möglich.

Erfolgskritisch: eine gemeinsame Datenplattform

Aktuell gibt es am Markt keine fertigen Standardprodukte, die ein solches Vorhaben unterstützen. Die Umsetzung ist daher immer ein individuelles IT-Projekt. Erfolgsentscheidend ist dabei eine gemeinsame Datenplattform, die es ermöglicht, Daten etwa zu Energieverbrauch, Wasseraufbereitung und Abfallmanagement zusammenzuführen und zu verwalten. Gleiches gilt für produktionsspezifische Daten aus unterschiedlichen Quellen wie Messgeräten, ERP- und Managementsystemen.

Stufe 4: Transformation des Geschäftsmodells

Auf dieser Stufe verändern Unternehmen ihr grundlegendes Geschäftsmodell; sie erschließen neue Felder, die nachhaltiger sind und auf denen sie bisher nicht tätig waren. Und sie ziehen sich aus nicht-nachhaltigen Geschäftsfeldern zurück. Aus technologischer Sicht sind hierzu die Maßnahmen der vorangegangenen Stufe ausreichend. Sind die Voraussetzungen geschaffen, ist die Transformation des Geschäftsmodells eher eine Aufgabe für die Geschäftsleitung und die Aufsichtsorgane.

Fazit: Schritt für Schritt und mit langfristiger Perspektive

Je nachdem, wo sich Unternehmen im genannten Reifegradmodell einordnen, stehen nun die nächsten Schritte an. Für eine Erstanwendung der CSRD im Geschäftsjahr 2025 etwa ist ein Projektstart mit einer systematischen und nachvollziehbaren Datensammlung im Jahr 2024 zu empfehlen. Mit ersten Vorbereitungen sollten Firmen bereits 2023 beginnen. Damit ist dann auch der Grundstein für alle folgenden Schritte gelegt. (wh)

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