Teure Altpolicen und Zinsflaute

Lebensversicherer stecken in der Bredouille

18.10.2016
Niedrigzinsen, strengere Kapitalanforderungen und der Aufbau eines milliardenschweren Reserve-Topfes: Die Zeiten für Lebensversicherer sind nicht einfach. Das bekommen auch die Kunden zu spüren.
Lebensversicherer stehen wegen des Zinstiefs unter Druck - sie müssen hohe Zusagen aus alten Policen erfüllen. Doch das ist aus Sicht der Branche derzeit nicht die einzige Herausforderung.
Lebensversicherer stehen wegen des Zinstiefs unter Druck - sie müssen hohe Zusagen aus alten Policen erfüllen. Doch das ist aus Sicht der Branche derzeit nicht die einzige Herausforderung.
Foto: Alex_Po - shutterstock.com

Niedrigzinsen

Das Geld der Versicherer steckt vor allem in als sicher geltenden Anleihen mit guter Bewertung. Jährlich laufen hochverzinste Papiere aus. Neue Anleihen werfen jedoch kaum etwas mehr ab, seitdem die Europäische Zentralbank (EZB) im Kampf gegen Mini-Inflation und Konjunkturschwäche die Zinsen faktisch abgeschafft hat und die Märkte mit Geld flutet. Lebensversicherern fällt es daher zunehmend schwer, die in der Vergangenheit versprochenen hohen Garantiezinsen von bis zu 4 Prozent für den Altersvorsorgeklassiker am Finanzmarkt zu erwirtschaften.

Immer mehr Unternehmen verabschieden sich von der klassischen Kapitallebensversicherung und konzentrieren sich auf neuartige Verträge ohne Garantiezins oder mit abgespeckten Garantien. Zugesichert werden in der Regel der Erhalt der eingezahlten Beiträge sowie die Chance auf höhere Rendite, wenn es am Kapitalmarkt gut läuft. Die meisten Anbieter wollten allerdings erst dann entscheiden, wie das Vertragsguthaben in eine Rente umgerechnet werde, wenn es soweit sei, kritisierte Stiftung Warentest jüngst nach einer Untersuchung von 18 Angeboten. "Die Sparer können sich also überraschen lassen, wie hoch ihre Rente in 30 oder 40 Jahren ausfallen wird."

Garantiezins

Er gilt als ein wichtiges Verkaufsargument fürLebensversicherungenLebensversicherungen - Kunden können nach Abzug der Abschluss- und Verwaltungskosten damit sicher rechnen. Wegen der Niedrigzinsen am Kapitalmarkt ist der Garantiezins jedoch seit Jahren im Sinkflug. Die Höhe wird vom Bundesfinanzministerium festgelegt. Im kommenden Jahr soll er für Neuverträge von derzeit 1,25 auf dann 0,9 Prozent sinken. Altverträge sind nicht betroffen. Versicherer dürfen weniger, aber nicht mehr versprechen. So soll verhindert werden, dass sie sich mit hohen Zusagen übernehmen. Die Branche kritisiert eine Anpassung zum 1. Januar 2017 als zu kurzfristig. Top-Firmen der Branche Versicherungen

Zusätzliche Kapitalpuffer

Wegen der Zinsflaute müssen die Versicherer zusätzliche Kapitalpuffer bilden, um die hohen Zusagen der Vergangenheit erfüllen zu können. Von 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2011 ist die sogenannte Zinszusatzreserve auf 32 Milliarden Euro Ende vergangenen Jahres angewachsen. Die Finanzaufsicht Bafin geht davon aus, dass die Unternehmen in diesem Jahr rund 13 Milliarden Euro in den Reservetopf einzahlen. "In den kommenden Jahren wird der Beitrag voraussichtlich noch einmal steigen", sagt der Chef der Versicherungsaufsicht, Frank Grund. "Das ist natürlich belastend für die Unternehmen, das ist uns klar." Die Zinszusatzreserve sei aber ein sinnvolles Instrument.

Die Kunden bekommen die Folgen der Niedrigzinsen auch bei der Überschussbeteiligung zu spüren. Insgesamt verringert sich die laufende Verzinsung aus Garantiezins und Überschüssen nach Berechnungen der Ratingagentur Assekurata in der privaten Rentenversicherung in diesem Jahr von durchschnittlich 3,16 auf 2,86 Prozent.

Solvency II

Seit Jahresbeginn gelten in Europa schärfere Eigenmittelanforderungen für Versicherer. So soll verhindert werden, dass die Unternehmen durch teure Schadenfälle, Turbulenzen an den Finanzmärkten oder zu hohe Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden in Schieflage geraten. Der Kapitalbedarf orientiert sich stärker an dem Risiko, das die Unternehmen mit Zusagen eingehen. Für lebenslange Garantien müssen sie daher größere Kapitalpuffer bilden. Für die Erfüllung der Kapitalquoten gelten allerdings mehrjährige Übergangsregeln.

Marktentwicklung

Bernd Neumann, Chef der Frankfurt Leben, rechnet damit, dass die Zahl der Anbieter auf dem deutschen Markt in den kommenden Jahren "vermutlich um rund ein Drittel sinken dürfte", wie der dem "Handelsblatt" jüngst sagte. Derzeit gibt es 84 deutsche Lebensversicherer, hinzu kommen noch ausländische Anbieter. Chefaufseher Grund erwartet keine Übernahmewelle: "Einen Fußlahmen und einen mit einem gebrochenen Arm zusammenzubringen, macht die Lage nicht besser." (dpa/rs)

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