NSA-Report Teil 1

Wikileaks und die Folgen für die IT-Sicherheit in Deutschland

07.04.2017
Von Florian  Oelmaier und Friedrich Wimmer

Deutsche Unternehmen im Visier der NSA

Auch bei der Informationsauswertung entwickelt sich die NSA weiter. Das Ziel für die Jahre 2012 bis 2016 lautete, eine grundlegende Änderung des Analyseansatzes umzusetzen: ein Umbau der Analyse weg von einem Produktions- und hin zu einem Entdeckungsansatz. Angereichert mit einer innovativen Kunden-/Partnereinbindung sollte die NSA gemeinsam mit den Kunden gesammelte Daten nach interessanten Erkenntnissen durchforsten und nicht mehr erst Aufklärungsziele festlegen und darauf aufbauend passende Daten sammeln müssen. Bis zur Umsetzung dieses Plans waren die Aufklärungsziele die wichtigsten Steuerungsdokumente der NSA.

Ein von Wikileaks veröffentlichter Spionageauftrag der NSA von 2012 gegen Frankreich zeigt ein breites Interesse an wirtschaftlichen Vorgängen, wie bevorstehende Auftragsvergaben, Machbarkeitsstudien oder Großprojekte im Allgemeinen. Bisher wurden noch nicht einmal 3 Prozent der Snowden-Dokumente veröffentlicht. Es wäre fahrlässig, zu glauben, die deutsche Wirtschaft sei von der NSA-Spionage nicht betroffen - vor allem, da eine strategische Liste von Spionagezielen im Januar 2007 Deutschland neben neun weiteren Ländern nennt, die allesamt "neu entstehende strategische Technologien" entwickeln und herstellen. Diese könnten "einen strategischen militärischen, wirtschaftlichen oder politischen Vorteil liefern", heißt es in dem NSA-Dokument. Es ist davon auszugehen, dass die Bedeutung der deutschen Wirtschaft seitdem global eher zu- als abgenommen hat und deutsche Firmen somit durchaus im Fokus der NSA stehen.

Aus den Snowden-Dokumenten wird klar, dass im Jahr 2007 Raumfahrt, Elektro-Optik, Nanotechnologie und energetische Materialien auf der strategischen Missionsliste der NSA standen. Die Fallpraxis der Corporate Trust hat dies bestätigt. Heute sind bei geheimdienstlichen Spionageangriffen zusätzlich die Bereiche Biotechnologie, Getriebetechnologien und alternative Antriebe betroffen.

Die NSA zieht außerdem E-Commerce, elektronische Wahlen sowie die netzwerkbasierte Steuerung von Industrieanlagen und Infrastrukturen als Ziele in Betracht. Während die russische oder chinesische Wirtschaft in vielen Bereichen das technische Know-how deutscher Unternehmen sucht, gehen die Interessen der Amerikaner in andere Richtungen: Hier liegt der Fokus oft auf Unternehmensstrategien, Zusammenschlüssen, Großaufträgen und anderen Managementinformationen. Zunehmend rücken auch juristisch verwertbare Informationen in den Vordergrund. Wie von US-Seite generell bestätigt wurde, gibt die NSA gewonnene Daten unter Einhaltung von Vorschriften auch an andere Behörden außerhalb des Geheimdienstkreises weiter, wenn Anhaltspunkte für strafbares Verhalten gefunden werden.

Durch den umfassenden Zugriff auf die Netzwerkstrukturen des Internets kann die NSA selbst den internen Datenverkehr zwischen einzelnen Firmenstandorten abhören. Teil 2 dieser Artikelserie behandelt dementsprechend die heutigen und künftigen technischen Fähigkeiten der NSA und eine Diskussion der Verteidigungsmöglichkeiten für deutsche Firmen. (wh)

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