Lufthansa Group

CIO Roland Schütz stellt die IT neu auf

13.05.2019 von Wolfgang Herrmann
Wie wird man in Sachen Digitalisierung zur weltweit führenden Airline? Lufthansa-CIO Roland Schütz hat einen Plan, den er konsequent umsetzt.

Die Ansage kam von ganz oben: In puncto Digitalisierung soll sich die Lufthansa zur weltweit führenden Airline-Gruppe entwickeln, forderte Vorstandschef Carsten Spohr schon 2017. Die eine übergreifende Digitalstrategie für Europas größtes Luftverkehrsunternehmen gibt es dennoch nicht. "Wir haben mehrere", sagt Roland Schütz mit einem sibyllinischen Lächeln. Und die seien jeweils eng an den einzelnen Geschäftsfeldern ausgerichtet.

Mit dem Projekt "Group IT Transformation" schaffte CIO Roland Schütz einen vollständigen Umbau der Lufthansa-IT.
Foto: Lufthansa Group

Der Lufthansa-Konzern führt mehr als ein Dutzend Marken mit unterschiedlichen Ausprägungen, darunter beispielsweise LSG Sky Chefs für den Bereich Catering oder die Luftfrachtgesellschaft Lufthansa Cargo. Vor diesem Hintergrund sei eine klare Differenzierung mit Blick auf die Digitalisierung erfolgskritisch, argumentiert der CIO. "Ein zentraler Chief Digital Officer, der quasi als eierlegende Wollmilchsau alles regelt, würde uns dabei nicht helfen."

Schütz, der seit 2016 als CIO aller Fluglinien der Lufthansa Group agiert, beschreibt drei "Horizonte" für die Digitalisierung des Konzerns. Erstens die klassische Geschäftsprozess-Automatisierung, die schon immer eine Domäne der IT gewesen sei. Zweitens das Thema "IT im Produkt". Hier dreht sich alles um das Aufwerten bestehender Produkte und Dienstleistungen durch IT. Ein Beispiel ist das Inflight-Entertainment für Passagiere. Im dritten und weitesten Horizont arbeitet die Lufthansa auch an neuen Geschäftsmodellen. Eine Schlüsselrolle spielt dabei der Lufthansa Innovation Hub in Berlin, eine Art Labor für digitale Projekte.

IT-Kennzahlen und strategische Ausrichtung der Deutschen Lufthansa AG.
Foto: CIO.de

Innerhalb der Lufthansa Gruppe liegt die Prozessverantwortung für Digitalisierung und Innovationen bei Christian Langer.

Aus diesem Konstrukt entstand beispielsweise "Yilu". Das von der Lufthansa Group und dem Lufthansa Innovation Hub gegründete Startup hat eine "intelligente End-to-End-Reiseplattform" entwickelt.

Unter Innovationen will der promovierte Physiker Schütz aber nicht immer gleich das nächste disruptive Geschäftsmodell verstanden wissen. Es geht auch eine Nummer kleiner. Innovativ und technisch durchaus anspruchsvoll sei beispielsweise auch ein neues Vertriebssystem ohne die früher in Stein gemeißelten Buchungsklassen, die noch aus Mainframe-Zeiten stammten.

E-Commerce in the Air

Erfolgskritisch für die digitale Transformation der Lufthansa ist die Kontrolle und Gestaltung der Kundenschnittstellen. "Unser Ziel ist es, entlang der gesamten Reisekette bevorzugter Servicepartner zu werden", gibt der CIO die Marschrichtung vor. Dazu solle beispielsweise das Programm "SMILE" beitragen, über das der Konzern die Kundenerlebnisse rund um Flugangebote, Services und Informationen personalisieren will. Dreh- und Angelpunkt personalisierter Inhalte ist das Clustering von Kundenprofilen. Neben eigenen Daten nutzt das Unternehmen dazu auch externe Quellen etwa aus dem Social Web.

Schütz verweist etwa auf die Infotainment-Plattform "BoardConnect" von Lufthansa Systems, die Reisenden inzwischen zur Verfügung steht: "Damit können Passagiere endlich im Flieger E-Commerce-Angebote nutzen." Die Lufthansa habe damit den "letzten weißen Fleck" in Sachen Kundenschnittstelle getilgt.

Die Top-CIOs der Transportbranche
Bernd Rattey
Als Nachfolger von Christa Koenen übernahm Bernd Rattey Mitte November 2021 die Position des Konzern-CIO der Deutschen Bahn.
Christa Koenen
Seit 1. September 2021 ist die ehemalige Bahn-CIO Christa Koenen Digitalvorständin von DB Schenker. Sie ist Nachfolgerin von CIDO Markus Sontheimer.
Thomas Rückert
Seit Anfang 2021 ist Thomas Rückert für die IT Lufthansa Group verantwortlich. Er soll unter anderem die Airlines des Konzerns dabei unterstützen, kundenzentriert zu werden.
Dominik Fürste
Dominik Fürste (35) ist seit August 2017 CIO beim Europäischen Eisenbahnlogistikunternehmen TX Logistik AG. Als Mitglied der Vorstandssitzung verantwortet er die Transformation der TX zu einer digitalen Güterbahn. Dabei setzt er auf die gleichzeitige Betrachtung von Geschäftsprozessen und modernen IT Lösungen. Für die ganzheitliche Umsetzung der Transformation hat er ein agiles Portfolio- und Deliverymanagement auf Basis des Scaled Agile Framework etabliert. Fürste kam von der DB Cargo AG, wo er unter anderem die Sanierung der französischen Tochtergesellschaft begleitete und ein IT-Projekt des DB Konzerns zur Einführung eines Kapazitätsmanagementsystems für das Transportnetzwerk verantwortete.
Sabina Kusmin-Tyburski
Zum 1. Februar 2024 übernimmt Sabina Kusmin-Tyburski den CIO-Posten bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG).
Markus Sandbrink
Ende 2022 hat Markus Sandbrink, seit 2020 Leiter der Corporate IT der Rhenus-Gruppe, zusätzlich den CIO-Posten und damit die gruppenweite IT-Leitung des Logistikkonzerns übernommen.
Ralf Morawietz
Das Logistikspezialist Dachser hat mit Ralf Morawietz seit dem 1. Januar 2023 einen neuen IT-Leiter an Bord. Er folgt auf Stefan Selbach, der in Altersteilzeit ging.
Wolfgang Standhaft
Wolfgang Standhaft ist seit Januar 2019 CIO beim Flughafenbetreiber Fraport in Frankfurt/Main. Von 2006 bis Ende 2017 hat er für den Baustoffkonzern HeidelbergCement AG als CIO und Group Director Information Technology gearbeitet. Von 1998 bis 2005 war Standhaft Leiter Betriebswirtschaftliche Systeme Europa der Rewe KGaA, von 1995 bis 1998 arbeitete er als Berater bei der SAP AG.
Jasmin Kaiser
Seit Anfang Mai 2023 leitet Jasmin Kaiser die IT der Lufthansa Cargo. Sie kommt von der Lufthansa Group.
Isabelle Droll
Isabelle Droll ist CIO der TUI Airline. Seit Oktober 2021 ist sie zudem Group IT Director TUI Musement, Corporate und Sustainability.
Hugo Pluess
Hugo Pluess ist seit August 2019 CIO der Spedition Imperial Logistics International. Pluess ist damit für die gesamte IT-Landschaft aller Aktivitäten von Imperial Logistics International verantwortlich. Er war zuletzt Executive Vice President Global IT Infrastructure bei CEVA Logistics in der Schweiz.
Werner Toennessen
Als Geschäftsbereichsleiter IT ist Werner Toennessen der Chef über die Systemwelten der DER Touristik. Toennessen verantwortete als Bereichsleiter bereits seit 2010 die IT der DER Touristik Köln mit ihren Pauschalreiseveranstaltern ITS, Jahn Reisen und Tjaereborg. Er gilt als profunder Kenner der IT der touristischen Unternehmen des zweitgrößten deutschen Reiseveranstalters. Toennessen startete seine IT-Laufbahn 1987 in der EDV bei Meier’s Weltreisen.
Ralf Gernhold
Seit Oktober 2018 ist der Ex-Miles & More-CIO Ralf Gernhold technischer Programmleiter Vendo bei der DB Vertrieb GmbH. Vendo beschäftigt sich mit der Digitalisierung des Vertriebs und gehört zu den strategischen Projekten des Personenverkehrs der Deutschen Bahn.
Donya-Florence Amer
Donya-Florence Amer ist CIO und CHRO und die erste Frau im Vorstand von Hapag-Lloyd. Sie übernahm den Posten zum 1. Februar 2022. Amer folgte auf Martin Gnass.
Dirk Tietz
Die DER Touristik hat ihr Führungsteam um die neue Funktion des Chief Transformation Officer (CTO) erweitert. Dirk Tietz (40) ist seit Juli 2015 auch Mitglied des Executive Boards. Er trägt damit die Gesamtverantwortung für die Digitalisierung und für die Verzahnung der Einzelunternehmen.
Petra Clemens
Seit Februar 2022 ist Petra Clemens für die IT-Transformation beim Eisenbahn-Logistiker VTG zuständig. Sie bringt fundierte Expertise auch in Sachen Change Management mit.
Oliver Wittmaier
Oliver Wittmaier folgt auf Claudia Plattner, die bei der EZB eingestiegen ist. Er konzentriert sich auf skalierende Plattformen und Datenverfügbarkeit.
Arlene Bühler
DB Cargo hat mit Arlene Bühler eine neue Digitalisierungschefin. Anfang November 2021 übernahm Bühler die Funktion mit dem Titel IT and Digitalization, CIO/CDO. Der Logistik-Konzern hat diese Position neu geschaffen, um mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten.
Dorothea Brons
Seit Januar 2022 leitet Dorothea Brons als CIO die IT-Geschicke am Hamburg Airport. Sie ist zugleich Geschäftsführerin der IT-Tochter AIRSYS.
Frank Winkenwerder
Frank Winkenwerder ist seit Mitte Dezember 2014 Leiter des Zentralbereichs Informationssysteme der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Er war davor Leiter der Containerinformationssysteme bei HHCT, verantwortlich für die strategische Gestaltung der IT-Landschaft für das Segment Container. Von 1987 bis 2006 arbeitete Winkenwerder bei einem System- und Softwarehaus, seit 1999 als verantwortlicher Projektbereichsleiter für die Logistikbranche.
Michael Lütjann
Die Nagel-Group ernannte zum 1. Oktober 2019 Michael Lütjann zum Chief Information Officer (CIO). Er berichtet an den CEO der Nagel-Group Carsten Taucke. Zuletzt war Lütjann vier Jahre lang CIO bei Imperial Logistics International. Davor hat der 50-jährige fünf Jahre als Senior Vice President IT Management Logistics bei Schenker die globale IT Organisation verantwortet. Im Lauf seiner Karriere hat er zudem mehr als zwölf Jahre lang die IT der Fiege Gruppe in diversen Verantwortungsbereichen geprägt, zuletzt als CIO.
Bernhard Götze
Bernhard Götze ist seit Februar 2022 Vice President IT beim Kreuzfahrtanbieter AIDA Cruises in Rostock, der deutschen Niederlassung von Costa Crociere S.p.A.
Martin Kolbe
Martin Kolbe übernahm im November 2005 die CIO-Position beim Schweizer Logistikkonzern Kühne + Nagel. Zuvor arbeitete Kolbe bei der Deutschen Post World Net, wo er Bereichsvorstand und CIO der DHL Express Deutschland war.
Pieter Jordaan
Nach dem Ausscheiden von IT-Vorstand Frank Rosenberger hat der Touristikkonzern TUI die CIO-Position zum 1. Januar 2023 mit Pieter Jordaan besetzt.
Hans Fabian
Hans Fabian ist seit Januar 2017 als CIO für das Hotelvergleichsportal HRS in Köln tätig. Zuvor war Fabian CIO bei der Wirtschaftsauskunftei Schufa Holding AG in Wiesbaden. Über zehn Jahre hat Fabian davor im Bereich IT-Management bei Deutsche Post DHL in Bonn gearbeitet, zuletzt als Vice President.
Hanna Huber
Hanna Huber hat die Branche gewechselt. Die Ex-CIDO des Modehändlers Calida stieg im April 2024 beim Reiseunternehmen Flix ein.
Björn Richter
Björn Richter ist CIO von DPD Deutschland. Er kam vom Paketdienst GLS. Sein Vorgänger Dirk Tiemann bleibt als Director IT bei DPD.
Hanno Boekhoff
Hanno Boekhoff ist seit Oktober 2017 neuer IT-Leiter bei der Reederei Hamburg Süd. Sein genauer Titel: Global Head of Information Technology & Services (ITS). Vor seiner Tätigkeit für die Hamburg Süd war Boekhoff in verschiedenen Bereichen der IT als Berater und als Manager tätig.
Ralf Morawietz
CIO beim Logistikdienstleister Panalpina mit Sitz in Basel ist ab Juli 2015 Ralf Morawietz. Er startete seine Karriere als IT-Experte 1998. Im Jahr 2002 kam Morawietz zu Deutschen Post, wo er verschiedende Management-Aufgaben wahrnahm. Im Januar 2010 wechselte Morawietz als Mitglied des nationalen IT Managementeams des Logistikers Kühne + Nagel. Zuletzt war er dort Senior Vice President Global IT Products.
Carsten Bernhard
Carsten Bernhard ist seit September 2016 Group CIO/CTO beim E-Commerce-Anbieter eDreams Odigeo mit Sitz in Barcelona. Er kommt von der TUI Deutschland, wo er seit August 2013 IT-Chef war. Zu eDreams Odigeo gehören die Marken eDreams, Opodo, Travellink, Go Voyages und Liligo.
Bernd Gemein
Seit 1. September 2018 ist Bernd Gemein neuer CIO für den Unternehmensbereich Post, E-Commerce, Parcel (PeP) bei der Deutschen Post DHL. In seiner neuen Funktion ist Gemein Mitglied des Executive Committee PeP. Er berichtet an PeP-COO Tobias Meyer. Gemein hatte seit 2003 bei der Deutsche Post DHL diverse Funktionen in den Bereichen IT Development und IT Customer Integration inne. Seit 2013 war er Geschäftsbereichsleiter IT Service Management PeP.
Alexander Brandmeier
Seit Juni 2019 ist Alexander Brandmeier neuer Leiter Informationstechnologie/CIO bei der DB Energie GmbH, dem Energieversorger der Deutschen Bahn AG in Frankfurt am Main. Zuvor war Brandmeier Leiter Architekturmanagement und Unternehmensarchitekt im Unternehmensbereich der Deutsche Bahn Fernverkehr AG.
Andreas Hamprecht
Seit August 2018 ist Andreas Hamprecht Leiter IT und CIO bei DB Regio und in Personalunion weiter Leiter Geschäftsentwicklung Schiene. Hamprecht ist seit März 2017 Leiter Geschäftsentwicklung Schiene bei der DB Regio AG, von 2010 bis 2017 war er Leiter Geschäftsentwicklung bei der DB Station & Service AG. Im DB-Konzern ist er bereits seit 2001 beschäftigt, mit bisherigen Funktionen in der Konzernstrategie, im internationalen Fernverkehr sowie beim Bahnhofsbetreiber DB Station & Service.
Falko Hagebölling
Falko Hagebölling ist seit Januar 2019 Senior Director Product Development & IT bei der Lufthansa-Tochter Miles & More GmbH in Frankfurt am Main. Der promovierte Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik war bei Miles & More zuletzt seit Mai 2016 als Director Product Delivery für Projekt-, Portfolio- und Prozessmanagement verantwortlich. Im Juli 2018 übernahm er zusätzlich interimsweise die Funktion als Director IT.
Sami Awad-Hartmann
Sami Awad-Hartmann hat im März 2019 die Position des CIOs bei der Spedition Hellmann übernommen. Er war bereits von 2008 bis 2016 in verschiedenen führenden Positionen in der IT bei Hellmann tätig. Zuletzt war er stellvertretender Leiter IT global. Im Oktober 2016 hatte Awad-Hartmann die Spedition verlassen und war in das familiäre Geschäft im Fleischhandel bei Global Meat in Münster mit eingestiegen.
Horst Ulrich Mooshandl
Horst Ulrich Mooshandl ist seit April 2019 neuer CIO der Österreichischen Post. Sein genauer Titel lautet: Leitung Konzern-IT & Konzern-Einkauf. Zuvor schon hatte Mooshandl die Konzern-Einkauf geleitet sowie den Konzern-Fuhrpark gemanagt.

Hintergrund ist der Wunsch vieler Kunden, auch im Flugzeug breitbandige Internet-Verbindungen zu nutzen. Die dazu erforderlichen teuren Satellitenverbindungen lassen sich nun teilweise durch E-Commerce-Umsätze refinanzieren. "Das Flugzeug wird zunehmend zum fliegenden Rechenzentrum, und unsere Kunden erwarten Konnektivität - immer und überall", beschreibt der IT-Chef die Entwicklung. Die Lufthansa-Flugzeuge der Kurz- und Mittelstreckenflotte sind weitestgehend mit Breitband-Internet an Bord ausgerüstet.

Strategische Neuausrichtung

Verschiedene Initiativen haben in den letzten Jahren zu einer strategischen und prozessorientierten Neuausrichtung des Konzerns geführt. Damit verbunden sei ein "vollständiger Umbau der IT-Bereiche", wie Schütz erläutert. Mit seinem Projekt "Group IT Transforma­tion" schaffte er es auf Platz zwei im Wettbewerb "CIO des Jahres 2018" in der Kategorie Großunternehmen, den die COMPUTERWOCHE und das CIO-Magazin ausrichten. Seit 1. Januar 2018 gibt es im Konzern eine gruppenweite "Process Domain" Information Management, die alle IT-Demand und Supply-Bereiche umfasst.

Roland Schütz, CIO der Lufthansa Group: "Wenn einer sagt, wir machen alles agil, werde ich misstrauisch. Erstens ist es meistens gelogen, und zweitens ergibt es oft gar keinen Sinn."
Foto: Lufthansa Group

Die einzelnen IT-Bereiche integrierte der CIO in Form von "Service Factories" eng mit den Geschäftseinheiten. Dafür baute er eine Matrixorganisation auf, in der die IT-Zuständigkeiten in Domains gebündelt sind. Er hebt vor allem das "double hatting" hervor, das für ein Zusammenführen von Prozess- und Gesellschaftsverantwortung stehe: Ein Manager ist dabei stets für einen IT-Prozess und zugleich für die IT einer Konzerngesellschaft zuständig. Schütz: "Wir verschränken die Verantwortlichkeiten und brechen auf diese Weise Silos auf."

Eine wichtige Rolle in der Neuausrichtung spielt der konzerneigene IT-Dienstleister Lufthansa Systems, der verstärkt gruppenintern tätig werden soll. Bisher erwirtschaftet das Unternehmen nur etwa ein Drittel seiner Umsätze mit der Lufthansa Group, der Rest stammt von rund 350 anderen Airlines. Lufthansa Systems rücke wieder näher an den Konzern heran, erläutert der CIO: "Statt externer Berater werden zukünftig vorrangig Experten aus dem Konzern eingesetzt; die internen Dienstleister werden damit zum primären Zugang zum IT-Personalmarkt." Neben Lufthansa Systems ist damit vor allem Lufthansa Industry Solutions gemeint, die das "Non-Airline Business" der Gruppe sowie dritte Unternehmen aus anderen Branchen mit IT-Diensten versorgt.

Zum Umbau der IT gehört auch eine neue Sourcing-Strategie. Mehr als 2.000 IT-Lieferanten bedienen die Lufthansa derzeit, moniert Schütz: "Dieser Flohzirkus ist kaum zu kontrollieren." Eine Konsolidierung sei deshalb unabdingbar. In den vergangenen Jahren habe der Konzern die IT-Fertigungstiefe immer weiter reduziert. "Jetzt drehen wir das wieder und investieren in Software." Das Betreiben von Anwendungen werde man zwar zunehmend anderen überlassen. Die Softwareentwicklung aber werde die Lufthansa und speziell deren IT-Tochter künftig stärker in die eigene Hand nehmen: "Wir stellen wieder Softwareingenieure und -Architekten ein."

Aufräumen im Backend

Wie in vielen Großunternehmen erfordert die IT-Transformation auch umfangreiche Aufräumarbeiten im Backend. Zwar hat die Lufthansa die IT-Infrastruktur bereits 2015 an IBM ausgelagert. Doch von den historisch gewachsenen Legacy-Anwendungen habe man sich seinerzeit noch nicht gelöst, auch wenn der letzte IBM-Mainframe schon vor zehn Jahren abgeschaltet wurde, blickt Schütz zurück. Der letzte Unisys-Großrechner, über den die geschäftskritischen Check-in-Prozesse der Lufthansa liefen, ging erst 2018 vom Netz. Den kompletten Ticketverkauf und die Abfertigung der Passagiere migrierte die Airline dabei auf eine SaaS-Plattform.

Das alles war ein gewaltiger Kraftakt, räumt der CIO ein: "Die Großrechner-Ablösung hat uns 1,5 Jahrzehnte Arbeit und 700 Millionen Euro gekostet." Unterm Strich ergäben sich nun aber gravierende Kosteneinsparungen. "Die Lufthansa-Gruppe ist damit eine der wenigen Airlines weltweit, die komplett Mainframe-frei ist."

Dass die IT-Transformation auch harte Effizienzvorgaben erfüllen muss, verhehlt Schütz nicht. Eine komplette Führungsebene wurde bereits gestrichen. Gestärkt hat die Airline dagegen den Bereich IT-Sicherheit. Der Konzern-CISO berichtet in der neuen Struktur direkt an den CIO und verantwortet neben IT-Security auch IT-Governance sowie die IT-Infrastruktur. Schütz: "Diese Bündelung führt dazu, dass die bisher isolierte IT-Security-Abteilung eng mit den operativen Themen verzahnt wird."

Zur Modernisierung trägt auch eine verbindliche "Cloud-First-Strategie" bei. Die Lufthansa setzt dabei auf Microsoft Azure und IBM Bluemix. Mittelfristig will Schütz alle 2.700 Anwendungen in die Cloud migrieren oder als Software as a Service (SaaS) beziehen.

Multispeed statt Bimodal

Eine IT der zwei Geschwindigkeiten, wie sie Gartner einst mit dem Begriff Bimodal propagierte, hat der CIO zwar nicht im Sinn. Unterschiedliche Tempi in Sachen Digitalisierung sieht er aber durchaus im Konzern. Er spricht deshalb lieber von einer "Multispeed-IT". Die zahlreichen Unternehmensbereiche entwickelten sich eben unterschiedlich schnell und hätten verschiedene Bedürfnisse.

So komme es im Vertrieb beispielsweise auf rasche Anpassungen und Weiterentwicklungen der IT-Systeme an. Im klassischen Flugbetrieb dagegen ständen Sicherheit und Systemstabilität ganz oben auf der Prioritätenliste. Schütz: "Eine neue Passagier-App oder auch eine Multichannel-Plattform entwickeln wir agil mit Scrum-Methoden." Im Backend aber sei man schon aufgrund vieler älterer Systeme auf die langen Release-Zyklen der Softwarehersteller angewiesen.

Agilität ist für den IT-Chef denn auch kein Wert an sich: "Wenn einer sagt, wir machen alles agil, werde ich misstrauisch. Erstens ist es meistens gelogen, und zweitens ergibt es oft gar keinen Sinn." Die Lufthansa gehe das Thema differenziert an. So sei etwa Lufthansa Systems mit seinen zahlreichen innovativen Projekten fast vollständig agil ausgerichtet. In sogenannten Agile Delivery Streams entwickle man dort beispielsweise neue Vertriebssysteme und arbeite mit einer DevOps-Organisation.

Raus aus der Komfortzone

Ein derart komplexes Transformationsprojekt gelingt nur mit einem konsequenten Change-Management, resümiert Schütz: "Man muss die Menschen aus der Komfortzone holen." Im Rahmen der Restrukturierung habe die Lufthansa eine komplette Management-Ebene entfernt: "Viele in der Organisation haben dabei einen neuen Job bekommen." Erfolgsentscheidend sei gewesen, die Mitarbeiter frühzeitig ins Boot zu holen. "Es geht darum, Betroffene zu Beteiligten zu machen." Denn nur sie würden die Stärken und Schwächen eines Systems wirklich kennen.

Natürlich gebe es immer Mitarbeiter, die nicht mit­zögen. Am Ende aber bilde sich eine "Koalition der Willigen", die bereit sei, den Wandel nicht nur mitzutragen, sondern zu gestalten. Dafür brauche die Lufthansa Group auch neue Kompetenzen, beispielsweise in den Bereichen künstliche Intelligenz und Data Analytics, aber auch an der Schnittstelle zwischen klassischer IT und Cloud-Infrastrukturen. Denn eines sei gewiss: "Es kommen noch gewaltige Veränderungen auf uns zu."