AWS, Microsoft und Google

Cloud-IaaS-Provider auf dem Prüfstand

27.06.2018 von Wolfgang Herrmann
Wenige mächtige Player dominieren den Markt für Infrastructure as a Service. Im "Magic Quadrant" analysiert Gartner die Angebote von AWS, Microsoft und Google. Alibaba, IBM und Oracle kommen nur als "Nischen-Player" in die Wertung.

Wer es im Gartner Magic Quadrant in den "Leaders"- Quadranten schafft, darf sich über eine Auszeichnung besonderer Art freuen. Im hart umkämpften Cloud-Markt gilt das ebenso wie in den vielen anderen IT-Disziplinen, die das Marktforschungs- und Beratungshaus regelmäßig analysiert. Der "Magic Quadrant for Cloud Infrastructure as a Service, Worldwide" bringt auf den ersten Blick zwar kaum Überraschungen.

Amazon Web Services (AWS) und Microsoft positionieren sich mit großem Abstand zu Google in der Gruppe der Marktführer. Bemerkenswert aber ist, dass die Auguren keinen einzigen Anbieter als "Visionär" oder gar als "Herausforderer" einstufen. Stattdessen finden sich IT-Größen wie IBM und Oracle in der undankbaren Rolle der "Nischen- Player" wieder, gemeinsam mit dem aufstrebenden chinesischen Provider Alibaba Cloud.

AWS, Microsoft und Google sind mit großem Abstand die führenden Anbieter von Cloud IaaS.
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Für CIOs und andere IT-Verantwortliche lohnt sich eine genauere Beschäftigung mit dem aktuellen Gartner- Ranking. Denn die Marktforscher analysieren detailliert, wo die Stärken und Schwächen der Anbieter liegen. Gartner definiert IaaS als standardisiertes und hochautomatisiertes Angebot, das Compute-Ressourcen mit Storage- und Networking-Services erweitert.

Eigentümer dieser Ressourcen ist der Cloud-Service-Provider, der seine Dienste dem Kunden je nach dessen individuellem Bedarf, sprich "on Demand", zur Verfügung stellt. Die IT-Kapazitäten sind skalierbar und lassen sich nahezu in Echtzeit vom Kunden anpassen. Dazu stellen die Provider Self-Service-Schnittstellen zur Verfügung, darunter Web-basierte Benutzeroberflächen und technische APIs.

Die IT-Dienste werden aus einer Single-, einer Multi-Tenant- oder auch einer gemischten Umgebung heraus zur Verfügung gestellt. Es kann sich also um dedizierte oder auch geteilte ("shared") Komponenten handeln. In der Gartner-Definition können diese entweder beim Service-Provider oder aber im Data Center des Kunden gehostet werden. Der Magic Quadrant für Cloud IaaS deckt deshalb sowohl Public- als auch Private-Cloud-IaaS-Angebote ab.

In die Anbieterbewertung flossen ferner nicht nur die IaaS-Dienste selbst, sondern auch zugehörige Management-Tools ein, außerdem sogenannte Cloud-Software- Infrastruktur-Dienste. Dazu gehören etwa Middleware und Database as a Service. Mit neuen Abstraktionstechniken wie Serverless Computing verschwimmen zudem die Grenzen zwischen IaaS und PaaS (Platform as a Service), erläutern die Gartner-Experten.

In einigen Fällen könnten die verglichenen IaaS-Dienste deshalb auch in die Kategorie PaaS fallen. Trotz einiger Grauzonen wurden für den Magic Quadrant aber keine klassischen PaaS-Provider ohne eigenes IaaS-Angebot berücksichtigt.

Stärken und Schwächen der Top-3-Provider- AWS

Amazon Web Services (AWS)

Seit mehr als zehn Jahren ist der Cloud-Pionier Amazon Web Services (AWS) unangefochtener Marktführer im weltweiten IaaS-Geschäft. Nach Einschätzung von Gartner gilt das auch für integrierte Angebote aus IaaS- und PaaS-Komponenten. 2017 erwirtschaftete die Tochter des E-Commerce-Riesen Amazon einen Umsatz von 17,5 Milliarden Dollar, fast 43 Prozent mehr als im Vorjahr.

AWS bietet das ausgereifteste Serviceportfolio für Enterprise-Szenarien, urteilt Gartner. Ein optimaler Einsatz aber erfordert Fachwissen, das vielen Unternehmen fehlt.
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Stärken

Mit neuen Diensten und diversen Zukäufen expandiert AWS weiterhin aggressiv in neue IT-Märkte. Das ohnehin schon umfangreiche Serviceportfolio vergrößert sich damit weiter. Bereits eingeführte Cloud-Dienste erweitert der Anbieter kontinuierlich um zusätzliche Features, insbesondere in den Bereichen Management und Integration. Zu den AWS-Kunden gehören zahlreiche Organisationen, die Cloud-Ressourcen strategisch einsetzen.

Viele geben dafür jährlich mehr als fünf Millionen Dollar aus, einige sogar mehr als 100 Millionen. Auch wenn das Angebot nicht jede Anforderung perfekt abdeckt, gilt AWS vielen Entscheidern als die "sichere Wahl", wenn es um Cloud Computing geht. Aus Sicht der Gartner-Analysten besitzt AWS das ausgereifteste Serviceportfolio für Enterprise-Szenarien.

Dazu passt die große Zahl erfolgreich abgeschlossener Kundenprojekte und ein umfangreiches Partner-Ökosystem. Nicht nur Kunden, die Innovationen schätzen und Digitalisierungsprojekte verfolgen, setzen deshalb auf den Branchenprimus, wie die Auguren erläutern. Auch für Unternehmen, die klassische Rechenzentren in eine Cloud-IaaS-Umgebung migrieren wollen, ist AWS häufig der bevorzugte Anbieter.

Geht es um die Implementierung, Migration und das Management, helfen mehr als 2000 Consulting-Partner aus dem AWS-Umfeld. Eine weitere Stärke sieht Gartner im großen ISV-Ökosystem (Independent Software Vendor), das AWS aufgebaut hat. Kein anderer Cloud-Provider kann hier mithalten.

Schwächen

Amazons große Stärke, das extrem breite Portfolio, kann auch ein Nachteil sein, urteilen die Gartner-Experten. Um die unterschiedlichen Services zu implementieren, braucht es Fachwissen, das längst nicht in jedem Unternehmen vorhanden ist. Zwar gestaltet es sich relativ einfach, mit einigen wenigen Diensten zügig loszulegen. Ein optimaler Einsatz aber, der auch innovative Services, Best Practices und das kritische Thema Kosten-Management berücksichtigt, könne auch agile und hochqualifizierte IT-Organisationen überfordern. Das gelte nicht nur für die Kunden selbst, sondern auch für die wachsende Zahl der AWS-Partner, insbesondere für weniger erfahrene Managed-Service-Provider (MSP).

AWS-Nutzer sollten sich ferner darüber im Klaren sein, dass sie das volle Potenzial der Cloud-Services nur ausschöpfen können, wenn sie sich zumindest teilweise auf einen Technologiewechsel einlassen. Gartner nennt an dieser Stelle etwa den AWS-Hypervisor "Nitro", der für einige neue EC2-Instanzen genutzt wird.

Microsoft

Als breit aufgestellter Technologieanbieter konzentriert sich Microsoft zunehmend darauf, Software in Form von Cloud-Services auszuliefern. Das Azure-Geschäft bestand ursprünglich nur aus PaaS-Komponenten. Erst mit dem Launch der Azure Virtual Machines im Juni 2012 stieg der Konzern in den IaaS-Cloud-Markt ein.

Die Azure-Plattform profitiert von der engen Integration mit anderen Microsoft-Produkten und der schieren Marketing-Macht des Softwarekonzerns. Etliche Partner sind laut Gartner aber noch nicht gut auf Azure-Projekte vorbereitet.
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Stärken

Die wichtigsten Stärken des Azure-Portfolios sind eng mit den traditionellen "Assets" des Softwarekonzerns verbunden. Gartner hebt die enge Integration mit anderen Microsoft-Produkten hervor, das bereits bestehende große ISV-Ökosystem sowie generell die strategische Bedeutung des Cloud-Geschäfts für die Zukunft des Anbieters. Azure stellt ein breites Portfolio an IaaS- und PaaS-Diensten zur Verfügung; seine ambitionierte Roadmap zur Weiterentwicklung hat Microsoft bislang stets in die Praxis umgesetzt. Insbesondere Kunden, die strategisch auf Microsoft-Technologien setzen, wählen laut Gartner in der Regel den Azure-Anbieter als primären Cloud-Provider.

Neben vielen Innovationen loben die Analysten vor allem die Öffnung der Azure-Plattform für Linux und Open-Source-Application-Stacks. Etliche Kunden nutzen Azure zudem im Rahmen einer Multicloud-Strategie zumindest für einen Teil ihrer Workloads. Zusätzliche Vermarktungschancen eröffnen sich mit der On-Premises-Variante Azure Stack. Vor allem Nutzer, die auf hybride Szenarien aus On- und Off-Premises-Systemen setzen, könnten die damit verbundenen Vorteile überzeugen.

Mit seinen Cloud-Angeboten hat Microsoft über mehrere Jahre hinweg ein hohes Wachstumstempo gehalten. Gartner schätzt den Umsatz mit IaaS- und PaaS-Produkten für 2017 auf mehr als vier Milliarden Dollar. Microsoft selbst weist diese Einnahmen nicht separat aus. Der Softwarekonzern verknüpft dabei erfolgreich Azure-Dienste mit anderen Produkten und Services wie etwa Office 365.

Schwächen

Einige Gartner-Kunden berichten von ernsten Schwierigkeiten beim Einrichten großer Azure-Umgebungen. Nach Einschätzung der Analysten könnten auch kleinere Nutzer davon betroffen sein. Zurückzuführen seien die Probleme vor allem auf unzureichendes technisches Know-how von Mitarbeitern aus den Sales- und Serviceteams. Um Azure-Projekte erfolgreicher zu gestalten, empfiehlt Gartner, die Hilfe von Managed-Service- Providern in Anspruch zu nehmen.

Allerdings habe Microsoft gerade erst damit begonnen, MSPs entsprechend zu qualifizieren. Zahlreiche andere Microsoft-Partner bewegten sich zwar ebenfalls in Richtung Azure, seien dafür aber noch nicht ausreichend vorbereitet.In Sachen User Experience habe Microsoft Azure besonders für Einsteiger mit einfachen Projekten optimiert, berichtet Gartner weiter. Diese Maßnahmen führten andererseits aber dazu, dass komplexe Konfigurationen bisweilen schwierig zu realisieren seien. Kunden sollten den Aufwand und das Fachwissen nicht unterschätzen, die eine leistungsstarke, verlässliche und sichere Azure-Implementierung erfordere.

Google

Der Suchmaschinenriese Google ist zwar schon seit etlichen Jahren im Cloud-Geschäft unterwegs. Doch erst mit der Vorstellung der Google Compute Engine im Juni 2012, die seit Dezember 2013 allgemein verfügbar ist, engagierte sich der Konzern auch im IaaS-Cloud-Markt. Mittlerweile ist die Google Cloud Platform (GCP) als integriertes IaaS-PaaS-Angebot aber eine feste Größe im Markt.

Stärken

Gartner lobt die Google Cloud Platform als eine gut implementierte, zuverlässige und leistungsstarke Sammlung von IaaS- und PaaS-Diensten. Zwar ist das Portfolio nicht so breit wie das der anderen "Leader" AWS und Microsoft. Dafür aber offeriert Google eine ganze Reihe besonders innovativer und teilweise einzigartiger Features. Die hohen Investitionen in Schlüsseltechnologien wie Analytics und Machine Learning spiegeln sich in entsprechenden Cloud-Services.

Etliche Kunden setzen Google-Dienste in diesem Kontext strategisch ein und nutzen dazu etwa das Google-Data-Warehouse Big Query als Basis ihrer Analytics-Initiativen. Ähnlich wie AWS profitiert auch Google von den Erfahrungen, die man mit dem Einsatz neuer Technologien und Prozesse im eigenen Haus gemacht hat. Dieses Wissen gibt der Konzern beispielsweise im Rahmen seines Programms Customer Reliability Engineering an Kunden weiter.

Schwächen

Mit GCP positioniert sich Google im Markt gerne als besonders kostengünstig. Dieses Argument sollten Kunden mit Vorsicht genießen, empfehlen die Gartner-Experten. Die höchsten Rabatte etwa seien in der Regel auf einjährige Verträge beschränkt. Entscheidern rät Gartner, beim Bewerten der Cloud-Angebote die Standardrabatte von den frei verhandelbaren "Enterprise Discounts" zu trennen. Bisher seien die Google-Verkäufer in solchen Verhandlungen aber nur zu wenigen Zugeständnissen bereit gewesen.

Generell sei die Sales-Organisation für die Google Cloud zwar technisch sehr kompetent. Allerdings mangele es noch an Verhandlungserfahrungen mit Einkaufsorganisationen großer Unternehmen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die im Vergleich zu den großen Konkurrenten geringere Zahl an Partnern für IaaS-Projekte. Das betrifft insbesondere Managed-Service-Provider und Professional-Services-Anbieter, die sich auf Infrastrukturthemen spezialisiert haben. In der Praxis könne das die Einstiegshürden für die Google Cloud Platform erhöhen, geben die Analysten zu bedenken. Damit verbunden seien nicht zuletzt auch größere Kostenrisiken.